unerwünschter Besuch

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Kapitel 73

Lilyanna

Ich war sofort alarmiert und überwand den kleinen Abstand bis zur Tür unglücklicherweise in wenigen Sekunden.

'Eine Prinzessin rannte nicht!', hallte die Ermahnung meiner Mutter in meinem Kopf wieder und sofort stoppte ich meinen schnellen Schritt und versuchte den Rücken gerade zu halten, wie ich es als Kind gelehrt bekommen hatte.

"Magier? Welche Magier?", fragte ich und das Dienstmädchen senkte den Kopf, als sie leise antwortete.

"Diese Unheimlichen von der Bergzuflucht!"gab sie etwas gezwungen von sich.

Ich wusste sofort welche sie meinte und egal ob es meine Mutter gutheißen würde oder nicht, ich versuchte nicht einmal meine Wut zu verbergen.

Ducan hatte diese Männer einen Befehl gegeben, den sie nun scheinbar einfach missachtet hatten! Das war eine Übertretung aller guten Manieren und grenzte an ein Verbrechen, auf das in der Regel der Tod stand! Es war die Pflicht dieser Männer, dem König zu gehorchen! So wie jeder Untertan dazu verpflichtet war! Wenn man es nicht tat, bedeutete das den Galgen und ich kannte Ducan zumindest so gut um zu wissen, dass er nicht zögern würde, dieses Gesetz auch durchzusetzen.

Er mag ein gerechter Herrscher sein, aber sicher keiner, der Gnade kannte. Er führte die Winterlande mit einer Härte, die sein Vater nicht gehabt hatte und soweit ich das beurteilen konnte, war das auch bitter nötig. Besonders, wenn man jetzt das Verhalten dieser Magier betrachtete!

Ich durfte nicht weniger hart sein und die Wut, die ich in mir verspürte, heizte auch in mir diese Gnadenlosigkeit an.

Selbst ich hatte es nie gewagt, Ducan vor Zeugen dermaßen ungehorsam zu sein! Na ja, eigentlich schon, aber ich war eine Prinzessin und seine Verlobte, Ducan würde erst als mein Ehemann wirklich über mir stehen. Bis dahin aber war ich ihm lediglich Respekt schuldig. Nicht gehorsam. Ich war die Prinzessin eines fremden Landes und unterstand nicht wirklich seiner Herrschaft! Noch nicht.

Ich schob mich an Fremon vorbei, wobei ich ihm eines der Wurfmesser aus einer Seitentasche stahl, die ich schon zuvor an ihm bemerkt hatte. Dieser Gedanke ihn zu bestehlen, um selbst eine Waffe im Notfall zu besitzen, war mir schon gekommen als Ducan mich hier zurückgelassen hatte, aber ich hatte mich zusammengerissen, weil eine Prinzessin nicht stahl.

Allerdings hatte ich gerade weder Zeit, um von Fremon eine Waffe zu verlangen, noch seine Argumente dagegen auszudiskutieren. Denn er war mir, wie ich Ducan ebenfalls, nicht zu gehorsam verschuldet. Noch war ich nur eine fremdländische Prinzessin und nicht seine Königin. Bevor Fremon mir freiwillig eine Waffe überlassen hätte, würde mein Onkel mit meiner Krone zurückgeben!

Also griff ich unauffällig danach und ließ es sofort in den langen Ärmel des Kleides verschwinden, wobei ich kurz zusammen zuckte, weil die Klinge in meine Haut schnitt. Dieses Messer war zwar wunderbar klein und perfekt zu verbergen, aber definitiv scharf.

Ich setzte Fünkchen auf dem Flur ab und war froh, dass Schatten selbst aufgeregt von meiner Eile, sofort begann neben mir herzulaufen.

"Hoheit! Wartet!", hörte ich Fremon hinter mir, aber ich ignorierte seine Worte und hob am Fuße der Treppe den Rock, um mich schneller herunter in das Erdgeschoss bewegen zu können.

"Lil! Bitte!", verwendete Fremon meinen einstigen Namen und glaubte wohl, mich damit besser zum Anhalten bewegen zu können. Aber ich reagierte nicht. Ich war so furchtbar wütend, dass diese verfaulten Magier es wagten sich Ducan zu widersetzen, dass ich mich kaum an mich halten konnte. Für einen kurzen Moment erwachte tatsächlich dieses Straßenmädchen in mir, das sich fragte, warum ich mich dieser Gefahr überhaupt aussetzen wollte. Dass es mich nichts anging, dass ich eher weglaufen sollte, aber sie verschwand fast noch schneller, als sie gekommen war.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt