Kapitel 74
Lilyanna
Ich hörte, wie der Minenmeister und Fremon gleichzeitig tief Luft holten, als ich das Messer zog und mich den Magiern in den Weg stellte.
'Schatten' positionierte sich wieder vor mir, knurrte bedrohlich und zwang die Magier dazu sich wieder von der Tür zu entfernen, die sie gerade hatten durchschreiten wollen, um Ducan in die Minen zu folgen.
"Verflucht! Hoheit!", entglitt es Fremon, als er sein Messer in meiner Hand bemerkte und er sah alles andere als erfreut darüber aus, dass ich etwas besaß, mit dem ich mich verletzen könnte. Zu behaupten ich könnte mit einem Messer besser umgehen, als ein einfaches Straßenmädchen, wäre gelogen. Aber ich hatte aufgepasst als Kain es mir einmal gezeigt hatte, obwohl Cedrik wenig begeistert davon gewesen war. Die Wunde an meinem Arm bezeugte meine eher amateurhaften Fähigkeiten, aber ich hatte auch nicht wirklich vor diese Männer anzugreifen. Ich wollte sie nur aufhalten.
"Ihr werdet ihm nicht folgen! Er befahl euch zu Eurer Zuflucht zurückzukehren!" stieß ich ihnen entgegen. Fremon trat neben mich und versuchte mir das Messer abzunehmen, aber er hielt sich zurück, als ich ihn einen strengen Seitenblick zuwarf.
"Es ist unsere Aufgabe. Bis zum Tod!" erwiderten die Magier fast feierlich, als wäre es eine Auszeichnung. Ich schnaufte.
"Ich weiß nicht, warum ihr, das so unbedingt wollt. Aber ich vertraue euch nicht. Ich sehe die Verderbtheit in euch allen!", entgegnete ich ihnen und für einen Moment scheinen sie erstaunt, bis ein anderer als der Redeführer versuchte es zu verleugnen.
"Wir..." begann er, aber der Anführer dieser kleinen Gruppe hob unterbrechend die Hand und schien selbst nicht gewillt, dieses Schauspiel aufrecht zu halten.
"Ihr habt recht. Wir sind verdorben. Die Finsternis hat uns berührt und sie wird uns niederstrecken. Ein langsamer und grausamer Tod, an dessen Ende die Verdammnis steht. Es gibt nur noch eines, was unserem verwirkten Leben noch einen Sinn gibt: Zu sterben, während wir die Schatten bekämpfen", meinte der Mann und für einen Moment wollte ich Mitleid empfinden, aber das tat sie nicht. Ob zum Tode verurteilt oder nicht: Ich wollte diese Magier nicht in Ducans Nähe wissen.
"Das spielt keine Rolle, der König gab euch eine Order. Und sein Wort ist Gesetz!" brachte ich ihnen entgegen und die Männer nickten wissend.
"Dies ist unsere Chance, in Würde zu sterben!" Das war mir egal. Es musste mir egal sein. Also schüttelte ich den Kopf.
"Nun. Ihr werdet sterben, allerdings nicht mit Würde!" brachte ich ihnen immer noch voller Zorn entgegen und ich sah deutlich, dass der Magier, von meinen Worten alles andere als erfreut zu sein schien.
Diese Männer interessierte es nicht das sie getötet worden. Nur noch, wie sie ihr Ende fanden und dieses Verlangen stellten sie über die Gebote eines Königs! Das konnte und wollte ich nicht akzeptieren. Ihr Stolz war ihnen wichtiger geworden als alles andere. Es war dieselbe Arroganz, die diese Männer bereits gezeigt hatten als ich und Ducan bei ihnen übernachtet hatte. Eine Arroganz, die sie dazu brachte ihre eigenen Pläne über das wohl anderer zu stellen. Vielleicht mochte ihnen das zustehen, da sie sich nie wirklich als Teil dieses Reiches zu verstehen schienen, doch ich würde bald zu diesem Land gehören und als Königin war es meine Aufgabe Schaden abzuwenden.
"Minenmeister? Verfügt ihr über ein verließ? Ducan wird bei seiner Rückkehr über sie richten!" meinte ich entschlossen in seine Richtung und der Mann nickte hektisch.
Er trat etwas aus dem Raum und rief zwei Namen, die ich nicht kannte, worauf zwei andere Männer erschienen, die wohl so etwas als Wachen fungierten.
"Bringt diese Magier in einen der Erdverliese", meinte er und für einen Moment zögerten die Wachen, was man ihnen nicht verdenken konnte.
Magier gefangenzunehmen war für Nichtmagier fast unmöglich, deswegen wurden sie auch von der Zitadelle aus ihren Reichen herausgeholt und auf die Insel gebracht, die die Zitadelle sein Eigen nannte. Sie konnten viel Schaden in der Bevölkerung anstellen. Selbst königliche Ausnahme wie Ducan wurden überwacht. Eugen ar nicht nur Berater und Lehrmeister für den König der Winterlande, sondern auch ein Sicherheitsnetz, für den Rest der Welt. Das diese Anhänger dieser Sekte sich hier aufhielten, ohne wirklich bewacht zu werden, hielt ich angesichts ihrer Attitüde für problematisch.
Dennoch war ich mir sicher, dass diese Männer, sofern sie die Wahrheit sprachen, sich der Verhaftung nicht wieder setzen würden.
"Werdet ihr Schwierigkeiten machen? Oder bin ich gezwungen 'Schatten' mitzuschicken, auf dass er euch zerfleischt, wenn ihr versucht Widerstand zu leisten?" fragte ich und deutete auf den Klagewolf vor mir.
Die Magier blickten ihn an und schien ernsthaft darüber nachzudenken. Doch ich lächelte, weil ich noch einen Trumpf in der Hinterhand hatte.
"Versucht es nur, vielleicht gelingt es euch zu entkommen, aber ich schwöre euch, dass ich ab dem Moment, in dem ihr einen meiner Untertanen verletzt, keine Ruhe geben werde, bis euer gesamter Zirkel des Reiches verwiesen ist oder besser: vernichtet wurde!" meinte ich streng und legte so viel Kälte in meine Worte, wie ich es von Ducan gesehen hatte.
Die Schultern der Magier sanken und ich wusste, dass ich mit dieser Argumentation gewonnen hatte.
Vielleicht empfanden diese Männer gegenüber diesem Land keinerlei Treue, aber mit Sicherheit ihrer Sippe gegenüber und das nutzte ich schamlos aus. Besonders, weil meine Worte keine leere Drohung waren.
Ich meinte es bitterernst, und so folgten die Magier den Wachen anstandslos und ich hielt Schatten davon ab, nach dem Bein eines besonders zerknirschten Magiers zu schnappen, der nicht schnell genug in die Spur kam.
Allerdings nur ganz knapp, sodass er auf einem Bein erschrocken zurück hopste und sogar 'Fünkchen' sich sicher genug fühlte, um sie Zähne zu fletschen. Der Minenmeister begleitete die Männer zum Hintereingang und verbeugte sich tief vor mir. Tiefer als zuvor. Ich hielt meine stolze Pose noch eine Weile bei, doch irgendwann, als die Wölfe aufhörten zu knurren und Fremon an mich herantrat wagte ich es wieder Luft zu holen und entspannte mich.
"Ich bin beeindruckt, Prinzessin. Gesprochen wie eine wahre Königin der Winterlande, aber ich hätte schon gerne mein Messer zurück. Mein Bruder bewacht den Eingang der Minen und ich muss ihn vorwarnen. Nur für den Fall der Fälle!" meinte er und ich überreichte ihm das Messer an dem immer noch etwas von meinem Blut hing. Doch das schien ihn kaum zu kümmer und er steckte es einfach zurück zu den anderen.
"Ihr habt Euch verletzt?" fragte er, als ich den Ärmel meines Kleides etwas nach oben zog und mir die Wunde ansah. Es war ein feiner Schnitt in meinen Unterarm, der kaum schmerzte. Lediglich etwas brannte.
"Nicht der Rede wert. Ich begleite Euch!", bestimmte ich und sah genau wie Fremon widersprechen wollte, dann aber doch einfach nickte, weil er bei der ganzen Aktion wohl etwas Bestimmtes gelernt hatte: Ich bekam meinen Willen. Immer. Zudem war er ja eigentlich hier, um auf mich aufzupassen und konnte nicht einfach mal so zu seinem Bruder gehen. Ich würde ihn sogar begleiten müssen.
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romance(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...