Fahrt in die Vergangenheit - Teil 3

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Kapitel 140

Lilyanna

"Schöpfe Wasser aus diesem Bach und geb es ihr zu trinken, das wird ihren Geist zurückbringen. Dann suche in den Geschenken der Winterlanden nach einem kalten Diamanten und lege ihn ihre Wiege. Die Magie wird in sie fahren. Ihren Körper beleben.", meinte er zögerlich und dann, während das letzte Wort noch in der Luft hing, verschwand der zweite Cedric und ich blickte zu dem, der neben mir stand.
Ich sah denselben zerrissenen Ausdruck in seinen Augen, wie bei den Alten. Und ich ... ich wusste nicht, was ich denken sollte.
Cedrik hatte mich zum Leben erweckt, oder meinen Vater gesagt, was er tun musste, um das zu erreichen. Er hatte meinen Eltern geholfen und wusste um die Konsequenzen, wusste um den Preis.
Ich war dankbar dafür und hasste es gleichzeitig. Eine Mischung, die ich schon immer bei ihm verspürt hatte. Dankbarkeit, Liebe sogar und dennoch auch eine gewisse Wut.
"Du wusstest von allem. Wer ich bin, was meine Eltern erlebt hatten, was ihnen bevorstand. Du hättest sie vor Osswald warnen können", meinte ich und Cedrik starrte weiter auf das Abbild meines Vaters, der das Baby an seine Brust drückte.
"Es war nicht meine Entscheidung. Aber du hast recht. Ich hätte ihnen mehr helfen können, doch es war eh schon alles aus den Fugen geraten. Ducan war legitim geboren worden, obwohl er als Magisch begabter Bastard in die Zitadelle gebracht werden sollte, wo er den Göttern hätte dienen sollen. Doch er wurde Thronfolger und Eugen hat es tatsächlich geschafft, ihm ein Teil des magischen Herzens zu entfernen und es in diesen Diamanten zu festzusetzen. Hätte dein Vater ihn dir nicht in die Wiege gelegt, wäre die Magie darin geblieben, doch mit einer leeren Hülle ganz in seiner Nähe. Eine lebendige Hülle, konnte die Macht nichts anders tun, als sich in dir festzusetzen. Magie benutzt immer den Weg des geringsten Wiederstandes. Und sie bevorzugt es, sich in lebenden Objekten festzusetzen.", erklärte er und wir sahen gemeinsam zu, wie mein Vater verzweifelt Wasser aus dem See schöpfte und es mir aus der hohlen Hand zu trinken gab. Meine Seele zurückbrachte.
"Ein aus den Fugen geratenes Schicksal. Ein Tanz, so unschuldig, richtet ein solches Chaos an. Liebe, so mächtig, dass selbst die Götter sich nicht dagegen auflehnen können. Das ist das Einzige, was sie nie kontrollieren konnten und was sie nie lernen werden zu kontrollieren, dabei wollten sie doch über alles bestimmen und richten. Sie hatten einen Plan gehabt, der alles wieder in Ordnung hätte bringen sollen.
Deine Eltern, hätten Kinderlos bleiben sollen, die Sommerlande wären ihre Aufgabe gegenüber den Winterlande schuldig geblieben. Es hätte Krieg gegeben, an dessen Ende alle beteiligen sich zusammen gesetzt hätten, um den neuen Plänen der Zitadelle zu lauschen und bei dem alle gewillt gewesen wären, nie wieder gegen die Götter zu handeln. Eine Lektion, die die Menschen und Magier mit Gewalt hätten lernen sollen. Deine Eltern wäre dabei umgekommen, genauso wie Ducan. Er ist zu mächtig und damit eine Figur, die sie schon lange vom Spielfeld haben wollten. Auch er entstand aus einer Liebe heraus, die die Götter nicht verhindern konnten. Es wäre alles wieder gerichtet werden können und die Menschen ... sie hätten es sich nie wieder gewagt so zu lieben. So bedingungslos."
Ich betrachtete Cedric lange.
Lauschte seinen Worten und verstand plötzlich das Chaos, in dem wir alle steckten. Deswegen hatte ich immer das Gefühl gehabt, die Götter würden gegen mich arbeiten. Ich hatte es, weil es so wahr und immer so gewesen ist. Doch Cedrik hatte recht: Das alles ist Vergangenheit. Es ist geschehen und niemand konnte das ändern, scheinbar nicht einmal die Götter.
Doch was ist jetzt ihr Plan?
"Und jetzt? Was wollen sie jetzt?", fragte ich und Cedrik hob seinen Blick von meinem Vater und betrachtete mich eindringlich.
"Ordnung. Deine Existenz ist ein Problem, ein loser Faden in ihrem Plan, der immer neue Probleme verursacht. Was sie versuchen ist, die Decke des Schicksals nicht noch mehr lose Fäden hinzuzufügen. Wenn sie die Kontrolle verlieren, tun sie Dinge, die grausamer sind als alles, was du dir vorstellen kannst. Glaub mir, ich habe es gesehen und meine Lektion gelernt. Sich ihnen zu widersetzen ist Wahnsinn."
Ich blickte ihn eindringlich an. Cedrik war keiner von ihnen oder zählte sich zumindest nicht zu ihnen, sonst würde er nicht so darüber reden. Dennoch war er hier und tat genau das Gegenteil von dem, was er mir selbst riet. Es auf sich beruhen lassen, loslassen, sich nicht widersetzen.
Ich konnte es nicht einordnen. Ich dachte an Ducan, die Liebe, die ich für ihn empfand. Ich hatte es ihm nie gesagt und obwohl ich mir sicher war, es zu bereuen, genauso wie meine Eltern es sicher irgendwann bereut hatten, konnte ich nicht anders. Ich wollte zurück zu ihm und mich trotzdem widersetzen! Denn das war meine Natur, das war das, was ich schon immer am besten gekonnt hatte.
Cedrik lächelte, als hätte er meine Gedanken gelesen.
"Dein Kampfgeist war schon immer ein Problem. Du hast soviel von deinen Eltern. Der Trotz dich den Göttern zu widersetzen schwillt in dir. Ich erkenne mich selbst in dir wieder, Kind. Ich verstehe dich nur zu gut, glaub mir", meinte er und ich straffte meine Schultern.
"Dann weißt du auch, dass ich zurückwill. Zu Ducan. Denn wenn die Götter auch ihn loswerden wollen, werde ich nicht tatenlos dabei zusehen!", meinte ich und wollte mich schon von Cedric abwenden, bis mir noch etwas anderes einfiel.
"Wie passt Kain in dieses Spiel? Dient er den Göttern?", fragte ich und Cedrics Blick wurde wieder trauriger. Es schien... als wäre er müde und unendlich erschöpft des ewigen Kampfes. Dann seufzte er schwer.
"Du und Ducan, ihr seid die Konsequenz der Taten eurer Eltern. Kain und alle meine Söhne sind die Meinen. Die Auswirkung, dass ich mich den Göttern widersetzt habe. Es tut mir leid, dass du dich zusätzlich auch noch mit ihm herumschlagen musst. Es ist meine Schuld. Ich dachte, mit ihm würde es mir gelingen etwas auszugleichen. Er war so ein guter Junge", sagte er und ich runzelte misstrauisch die Stirn.
"Was hast du getan? Was ist er? Ein Halbgott?", fragte ich und Cedrik lachte nur spöttisch. Ob es daran liegt, dass ich ihn für einen Gott hielt oder Kain für einen Halbgott, wusste ich aber nicht.
"Als Gott wird man nicht geboren, Kind. Mann muss sich dem als würdig erweisen", begann er und ich spürte, wie meine Hände feucht wurden. Dieses Konzept war ... ich verstand es nicht. Sich als würdig erweisen?
"Es ist eine Belohnung dafür, dass man das Schicksal zu schätzen lernt, es verteidigt, es behütet. Ich gab Kain die Möglichkeit, sich zu beweisen. Aufzusteigen, es besser zu machen, aber er wählte den leichteren Weg. Den Weg von Macht und Zerstörung, nicht den von Respekt und Erhabenheit. Obwohl ich mir gewünscht hätte, er hätte keines von beidem gewählt. Ich wollte mit ihm meine Schuld gegenüber den Göttern begleichen, ich wollte das er meinen Platz einnimmt, aber ich wäre auch zufrieden gewesen, wenn er sich für die Liebe entscheiden hätte. Wenn er sich dazu entschieden hätte, bei dir zu bleiben, als dein Freund. Doch er wählte Macht, die falsche Art der Macht", meinte Cedric und ich begann zu begreifen.
"Er hat also tatsächlich den Toten, zu dem der Diamant geworden war, an sich genommen? Die Schatten haben ihn überfallen?", fragte ich, aber Cedrik lächelte nur bitter.
"Oh, Kind. Er hat sich das Totem nicht genommen, ich habe es ihm gegeben und die Schatten, die waren immer in ihm. Schon immer. Sie sind ein Teil von ihm, genauso wie sie ein Teil von mir sind. So wie sie Teil eines jeden gefallenen Gottes sind. Das ist es, was dich und Ducan erwartet, wenn es ihr es nicht schafft, letztendlich eine Lösung zur Zufriedenheit der Götter zu finden. Das ist ihre Methode, um letztendlich alles wieder in die Bahn zu bringen, die sie sich wünschen. Das ist ihr letztes Mittel, eines, gegen das niemand etwas tun kann. Sie werden dich und alles, was du und Ducan geschaffen habt, in Schatten hüllen und euch zu einem Schicksal verdammen, das schlimmer ist als der Tod. So wie sie es mit mir taten und allen anderen, die sich ihnen immer wieder widersetzt haben. Sie tun es nicht gerne, aber sie tun es, wenn es sich nicht anders lösen lässt. Doch während ich diese Verdammnis zumindest begreifen werde, wirst du nur ein hirnloses finsteres Gespenst sein, dass nur nach zwei Dingen verlangt. Nach Licht, in das du niemals wieder treten können wirst und danach andere zu verschlingen. Unkontrollierbar, unbeherrschbar", meinte Cedrik und dann begann die Erscheinung zu flackern, die mir so vertraut war und zum vorschein kam ein Wesen, bestehend aus Dunkelheit und Rauch.
Ich schreckte instinktiv zück. Zu präsent waren die Geschichten von den Schattenwesen und meine instinktive Angst vor der Dunkelheit. Der Finsternis und allem was darin lebte.
So wie Cedrik. Denn er gehörte zu ihnen.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt