Kapitel 56
Lilyanna
Ducan gehörte zu den mit Abstand furchteinflößendsten und kältesten Männern, die ich kannte, aber seine Nähe, war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, des Unwohlseins, das mich überkam, als ich den Blicken dieser Männer und Frauen begegneten, die uns am Ende dieser unfassbaren langen Treppe auf uns zu warten schienen. Es war sogar so eindringlich, dass ich eine Hand in Ducans Mantel vergrub, wie ein kleines Kind, das instinktiv Schutz suchte. Da ich dies aber nicht war, ließ ich sofort wieder los, was aber nichts änderte. Diese Magier standen wie Statuen in einem Halbkreis und hatte unser Eintreffen mit festen und unnachgiebigen Blick beobachtet. Man könnte das als herzlichen Empfang deuten, oder als ehrerbietige Geste, sofern sie wussten, wer da gerade auf den Weg zu ihnen war, doch ihre Gesichter spiegelte nichts von all dem wider. Diese Abspaltung der Zitadelle war tatsächlich ziemlich unheimlich. Fremon hatte ganz recht mit seiner Einschätzung gehabt, dass dies fast auf alle Magier zutraf, aber diese hier gaben dem Begriff wahrhaftig eine neue Bedeutung.
Sie waren in die typischen Roben der Magier gehüllt, aber ihre waren in einem hellen grau gefärbt und auf an den Säumen ihrer Ärmel war eine lebhafte Stickerei angebracht, die mich stark an Flammen erinnerte. Dazu waren die Gesichter, die mich aus den großen Kapuzen hervor anblicken, perlweiß als würden sie noch nie die Sonne im Gesicht gespürt und ihre Augen waren dunkle, kleine Kieselsteine, den man keine Emotionen ansah.
Auf dem beschwerlichen Weg die Treppe herauf bis hier her, hatte Fremon sich nicht davon abhalten können, mir so einiges über diese Magier zu erzählen. Die hier in selbstgewählter Einsamkeit hausten. Sowohl Männer als auch Frauen entfernten sich alle Haare. Und mit alle meinte er alle. Kopfhaar, Augenbrauen und auch die Wimpern und lebten in eine Art Zölibat, das ihnen verbot der fleischlichen Lust zu frönen, was mir so ungeheuerlich unnatürlich vorkam, dass es dieser Abspaltung wirklich seltsam dastehen ließ.
„König Ducan, Sohn des Tristan. Herr der Winterlande und Beschützer Wege ins Schattenland. Seid gegrüßt", verkündete eine so weiche und ruhige Stimme, die zeitgleich so monoton und farblos klang, dass ich beim besten Willen nicht sagen konnte, wer das nun gesagt hatte, ich konnte nur eine ungefähre Richtung ausmachen. Doch dann trat eine Gestalt aus der Reihe hervor, die kaum größer war als ich selbst und nach der Silhouette zu schließen, eine Frau sein sollte. Sie kam auf uns zu, verzichtete aber auf die eigentlich angebracht Verbeugung.
„Wir lassen die Gemächer für Euch herrichten, nur Euer Geleit, wird sich in dem Ort der Unteren ein Platz suchen müssen", sagte sie und Ducan nickte nur, während er den beiden Brüdern, mit uns gereist waren, ein Zeichen gab, den Weg wieder hinabsteigen zu können.
Auch das hatte sie auf dem Weg bereits besprochen. Die Männer sollten sich um die Pferde im Ort unterhalb dieser Zuflucht kümmern und würden und Morgen am unteren Ende der Treppe, uns wieder begegnen, um uns Geleit zu den Mienen zu geben. Wir aber würden hier übernachten, weil Ducan unbedingt verlangte, dass diesen Magiern hier ihrer Pflicht die Krone zu beherbergen nachkamen. Ich aber hätte mich wohler gefühlt, wenn wir in einen der Gasthäsuer übernachtet hätten, Ducan wahrscheinlich auch, aber er bestand dennoch auf diese Unterkunft hier. Es war eine politische Entscheidung, eine Machtdemonstration seinerseits. Irgendetwas davon zumindest, sofern ich es einschätzen konnte. Ich versuchte es positiv zu sehen: hier war es sicher komfortabler als in einer einfachen Herberge.
Also reichten die Brüder Ducan und mir, die Kleiderbündel, wobei ich meines schnell unter dem mit den Welpen drückte, während ich mit den Gedanken noch an dem Wort 'Unteren' hing, dass diese Magier wohl dazu verwendeten, die Menschen zu bezeichnen, die sich am Fuße der Treppe angesiedelt hatten. So herabwürdigend bezeichnete nicht mal der Adel das einfache Volk.
Ein heftiger Wind erfasste mich kurz und blies mir fast meine Knabenmütze vom Kopf und bracht mich dazu, die Schultern herauf zuziehen und mich automatisch etwas näher an Ducan zu drücken, während ich den Beutel fester umklammerte, in dem ich die Klagewölfe trug.
Wir hatten sie dort hineinkriechen lassen, als wir die Pferde in einer Stallung abgegeben hatten, damit ich mir meinen Mantel wieder umbinden könnte, den hier, so weit oben, war der eiskalte Wind grauenvoll, selbst mit Ducans wärmender Magie.
„Der Junge auch", verkündete die Frau und als der Wind ihre Robe etwas anhob, sah ich kalkweiße, schmale Beine, die in einfachen Lederschuhen steckte. Die Magierin schien nicht viel unter dieser Robe zu tragen, wie konnte sie da einfach im Windstehen ohne zu frieren? Verfügte sie auch über diese Wärmezauber, den Ducan auch schon um mich gelegt hatte?
„Das ist kein Junge. Das ist Prinzessin Lilyanna aus den Sommerlanden, meine Verlobte. Sie bleibt bei mir", verkündete Ducan gelassen. Die Frau sah mich kurz an und nickte dann, als würde sie meine Identität bestätigen.
Dann bewegten sich plötzlich alle Magier synchron auf den Eingang des Turmes zu, der ihre Behausung zu sein schien und Ducan folgte ihnen, worauf auch ich begann ihnen hinterherzutrotten.
Die Tür zu der Behausung war alt und morsch und im Inneren des Turmes kaum wärmer als draußen. Nur der Wind fegte mir nicht mehr um die Ohren. Ich glitt wieder näher an Ducan heran, der mir darauf hin eine Hand auf den Rücken legte und mir abermals diese Wärme schenkte, die mich immer wieder fast selig seufzen ließ,
Doch plötzlich drehten sich alle Gesichter in seine Richtung. Gleichzeitig. Und die Frau begann wieder zu sprechen.
„Ihr kennt die Regeln, Sire", meinte sie nur starr und trotz der respektvollen Anrede, klang ihr Ton eindeutig nach einem Befehl. Sie meinte das Magieverbot. Auch davon hatten mir Fremon und sein Bruder erzählt. Total seltsam, für Magier.
Aber Ducan wäre nun mal nicht Ducan, wenn er sich irgendetwas befehlen lassen würde und so blieb seine Magie weiter bestehen und er glitt zusammen mit mir an die Frau und ihren gruseligen, schweigsamen Magiern vorbei.
„Das hier ist mein Land, ihr seid hier lediglich geduldet, übertreib es also nicht. Ich respektiere Eure Regeln, aber nicht, wenn es mich in meinen Pflichten behindert, besonders wenn diese meine zukünftige Königin betreffen. Höre ich nochmal diese Tonlage, vertreibe ich euch, wie es die anderen Ländern taten oder ich verpulvere Euch und Eure Mitglieder in den Mienen zur Säuberung, wie es mein Großvater tat. Vergesst nicht, dass der Grund, weswegen ich hier bin, eigentlich zu Euren Pflichten gehört. Während ich das mit Leichtigkeit fertigbringe, würde es einigen von Euch das Leben kosten. Seid lieber froh, dass ich mich nicht zurücklehne und Euch diese Säuberung überlasse" meinte er matt und ich sah, zum ersten Mal überhaupt etwas andres als Kälte in den Zügen dieser Frau: Und es war Hass. Blanker Hass.
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romance(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...