Kapitel 82
Ducan
Ich sah Lilyanna deutlich an, dass die plötzlich aufkommende Angst um sich selbst und unsere zukünftigen Kinder, ihr zu schaffen machte und ich wusste ebenso, dass ich das sofort unterbinden musste, bevor sie wieder kalte Füße bekam.
Sie war meine zukünftige Frau und das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, dass sie zu viel Angst hatte um mit Erben zu schenken.
Also stellte ich das Weinglas ab, ging zum Bett hinüber und umfasste ihr Kinn, damit sie mir in die Augen sah, wenn ich mit ihr redete.
"Zion ist ein ehrgeiziger Mann und ja, vermutlich verschafft es ihm feuchte Träume sich vorzustellen auf dem Thron zu sitzen, aber er weiß, dass er kaum eine Chance hat. Seine Linie ist verdammt. Sie haben seit Generationen keine Magie mehr hervorgebracht und ich habe Owellya nur in betracht gezogen, weil er das Militär hinter sich hat und es in diesem Augenblick einen Vorteil für beide Seite gewesen wäre. So etwas wie in den Sommerlanden würde hier kein zweites Mal passieren. Ich bin als Einzelperson zu mächtig, mein Anspruch aufgrund dieser Macht, ist zu groß. Ich bin dazu in der Lage dich und unsere Kinder zu beschützen und das werde ich auch tun!" schwor ich ihr und Lilyannas Blick wanderte über mein Gesicht als suchte sie etwas darin, was sie aber letztendlich nicht fand. Mein Mangel an Gefühlen und meine Unfähigkeit die wenigen, die ich besaß, Ausdruck zu verleihen, musste auf sie furchtbar irritierend wirken.
Gerade, weil sie so vollkommen anders war als ich. Lilyanna konnte man jeden ihrer Gedanken an der Nasenspitze ablesen. Sie ging äußerst ehrlich mit ihrem Gefühle um. Ihre Offenheit sich selbst und der Welt gegenüber war fast schon beneidenswert.
Als sie endlich nickte, ahnte ich, dass ich sie in diesem Moment für mich gewonnen hatte. Sie vertraute mir, auch wenn ihr das Risiko nicht wirklich gefiel. Vielleicht verstand sie auch, dass es für uns und unsere Kinder immer ein gewisses Risiko geben würde, doch dem würde ich mich immer und stets im Weg stellen, um die Zukunft meines Landes zu sichern.
Für einen Augenblick verirrten sich einige Worte meines Vaters in meinen Verstand, denen ich eigentlich keine Beachtung schenken sollte. Seit er stückweise sein Gedächtnis einzubüßen hatte, waren seine Aussagen meist von Verwirrtheit geprägt, aber irgendwie suchte ich dennoch immer eine Bedeutung darin. Vielleicht weil ich den halt vermisste, den er mir als Kind gegeben hatte. Ich legte jedes seiner Worte auf einer Goldwage, um sie in ihrer Bedeutung zu ermessen, Eugen hatte mich schon vor Jahren davor gewarnt. Aber es ging nicht anders. Er war mein Vater und ich respektierte seine Erfahrung. Viel mehr als ich es ich mit den Prophezeiungen der Götter tat.
Ich zweifelte die Macht der Götter nicht an, verstand nur nicht, warum sie ausgerechnet mir dieses Ausmaß an Macht aufbürden mussten. Mir fiel es schwer es für einen Segen zu halten, wenn ich daran dachte, was ich damit bereits alles zerstört hatte. Vielleicht zweifelte ich deshalb so sehr an ihnen. An mein Vater aber ich nie gezweifelt.
'Du bist das Reich, aber lass nicht zu, dass das Reich zum Schluss alles beherrscht. Du bist auch nur ein Mann', hatte er vor einigen Monaten einmal gesagt und auf einmal glaubte ich es zu verstehen.
Diese Kinder und Lilyanna zu schützen sollte nicht nur aus der Motivation heraus geschehen, weil ich sie für mein Land brauchte. Ich sollte sie auch beschützen wollen, weil sie meine Familie sein würden und sie lieben müsste. Doch ich wusste nicht, ob ich zu solchen Gefühlen überhaupt fähig war und ob es überhaupt einen Unterschied machen würde. Auch das hatte ich der sogenannten 'Gabe' der Götter zu verdanken. Ich würde mit einem vollständigen Herzen ein besserer Vater und Ehemann sein. Ganz sicher.
Lilyanna holte mich wieder aus diesen Wuterfüllten Gedanken indem sie nach einen meinen weißen Haarsträhnen griff und sie auf eine Art und Weise durch ihre Finger gleiten ließ, wie es auch einmal bei ihr getan hatte. Kurz bevor ich den Drang letzte Nacht erlegen war, sie zu küssen.
Ich hatte unsere erste gemeinsame Nacht eigentlich nicht in diesen ungastlichen Zimmer vollziehen wollen, aber an dem Abend hatte ich einfach den Wunsch verspürte sie zu meinem Eigentum zu machen. Und ich hatte es getan. Ich habe ihren Körper genossen und dafür gesorgt, dass sie mich würde heiraten müssen, wenn sie nicht ruiniert sein wollte. Es war ein Akt der Inbesitznahme gewesen, der notwendig gewesen war, damit ich endlich nicht mehr das Gefühl hatte, dass sie mir wieder entwischen könnte.
Die Götter wussten: Sie könnte es und ich war es leid sie nicht aus den Augen lassen zu können. Ich hatte sie schon einmal verloren, weil ich mir ihrer zu sicher gewesen war.
"Deine Haare waren schwarz als du aus der Höhle kamst", wechselte Lilyanna das Thema und ich dachte kurz darüber nach, sie mit dem Rücken einfach in die Matratze zu drücken und ihr auch noch die letzten Schichten dieses Kleides auszuziehen.
Ich wusste selbst nicht, woher dieser Drang kam. Ich hatte sie ja schon da wo ich sie haben wollte, aber die Aussicht sie noch einmal so zu berühren war sehr verführerisch.
"Sie werden von der Magie weiß gefärbt, gelange ich ans Ende meiner Kräfte, werden sie wieder schwarz", sagte ich ohne den Willen überhaupt drumherum zu reden. Sie hatte die Antworten verdient. Sie vertraute mir und das wollte ich nicht wieder kaputt machen.
"Was ist ein magisches Herz und wie kann es in mir sein?" fragte sie direkt weiter, wohl bewusst in der Hoffnung ich würde ihr endlich antworten.
Ich setzte mich neben ihr auf das Bett und Schatten nahm es, als Aufforderung seinen Kopf in meinen Schoß abzulegen und sich selbst mit auf die Matratze zu drängen. Ich wollte ihn schon zornig herunterschicken, ließ es aber. Lilyanna schien es zu gefallen, die Tiere so nahe bei sich zu haben. Und dieses eine Mal würde ich es ihnen durchgehen lassen.
"Es ist das Zentrum der magischen Energie, jeder Mensch hat es theoretisch, aber nicht alle können darauf zugreifen. Als ich ein Kind war, war ich unkontrollierbar mächtig und man entfernte den Großteil davon aus mir. Ein Prozess, der vor mir nur ein einziges Mal durchgeführt wurde und selbst diese Geschichten hielt die Zitadelle für einen Mythos. Aber es gelang Eugen, diese Prozedur zu rekonstruieren und einzusetzen. Man sperrte das Stück meines Herzens in ein magisches Gefäß." Ich tätschelte Schattens Kopf, der daraufhin begann sich zu drehen und mir seinen Bauch zu zeigen. Sein großer Körper rollte dabei fast von der Matratze. Vielleicht wurde aus dieser Bestie doch so etwas wie ein Haustier.
Dann aber sprach ich weite. Ich musste es Lilyanna erklären, sie verdiente es zu wissen, was mit ihr vermutlich passiert war.
"Das magische Herz wollte zurück zu mir, also musste es weit weg gebracht werden. Dahin wo es sicher war, aber auch nicht so weit weg, dass ich es nicht irgendwann wieder erreichen könnte. Eugen meinte, wenn ich alt genug wäre, mit meinen Kräften umzugehen, würde ich seine Nähe beherrschen können und es wäre dann auch eine wertvolle Energiequelle für mich. Also beschlossen wir es, es in den Eisdiamanten zu verbergen und es in die Sommerlande zu schicken. Zu dir. Im festen Glauben, dass wenn du vor deiner Hochzeit mit mir in die Winterlande reisen würdest, würdest du ihn wieder mitbringen", erklärte ich und sah wie Lilyannas Augen immer größer wurden, sie den Mund öffnete und dann schnell wieder schloss. Als wollte sie etwas sagen, aber ihre Gedanken rotierten noch. Ich wusste selbst nicht, wie mein magisches Herz seinen Weg in Lilyannas Körper gefunden hatte, ich hatte noch nie davon gehört, dass Menschen als magische Gefäße fungieren könnten. Ein Rätsel, das wir vielleicht lösen könnten, wenn sie mir erzählte, was sie in ihrer Heimat mit den Diamanten getan hatte.
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Auf Patreon ist diese Geschichte bereits bis Kapitel 88 (auf Wattpad zu lesen ab 14. 10.22) lesbar und wird dort stetig vorgesetzt.
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romance(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...