Chefsache

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   Nach erholsamen 9 Stunden Schlaf war ich mit guter Laune aufgewacht. Dadurch, dass ich am Vortag alles vorbereitet hatte, war ich viel zu früh auf der Arbeit, was mir aber nichts ausmachte. Ich mochte meinen Job und ich wurde für jede Minute bezahlt, die ich hier verbrachte.

   Ich saß in meinem Büro. Mein PC war zwar an, doch ich arbeitete noch nicht. Es war kurz vor halb 8. Tatsächlich war ich die erste in den Büroräumen gewesen. Die Einzigen, die mit mir hier waren, waren die Reinigungskräfte und die Mechaniker in der Werkstatt.

   Nachdem ich einen kurzen Plausch mit Svetlana gehalten hatte, welche für mein Büro zuständig ist, weshalb ich immer extra freundlich zu ihr war, hatte ich mir in der Küche Kaffee gekocht und ihn anschließend in meinen Ferraribecher gekippt.

   Nun saß ich zurückgelehnt auf meinem Bürostuhl und starrte diesen Becher an.

   Es war eigentlich nur ein Becher, doch die Person, von der dieser Becher stammte, war besonders.

   Ich nahm mein Handy in die Hand, weil mir etwas ausgefallen war. Ich hatte noch nie nachgeschaut, was Carlos als Profilbild bei WhatsApp hatte. Also öffnete ich die App und schaute nach.

   Na klar. Es war ein Bild von ihm und seinem Hund Piñon. Das Bild hatte er auch auf seinem Instagram hochgeladen.

   Plötzlich kam ein Pop Up.

   Lexy: Wann?

   Oh mann. Sie klang noch sehr sauer. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, wenn sie so einsilbig schrieb. Wir mussten das dringendst klären.

   Ich: 17 Uhr? Ich mache eher Feierabend.

   Ich schrieb ihr sofort zurück. Sie hatte eh gesehen, dass ich online war.

  Die Antwort war nur ein Daumen hoch. Verdammt. Mir wäre es lieber, wenn wir uns heute schon sehen würden. Warum genau hatte ich nochmal Mittwoch vorgeschlagen? Vielleicht war es besser so. So konnte ich mir noch überlegen, was ich sagen wollte.

   Ich reagierte nicht mehr auf den Daumen. Stattdessen legte ich das Handy weg, nahm einen Schluck aus meinem Becher und konzentrierte mich so gut es ging auf die Arbeit.

   

   Es klopfte an meiner Tür.

   „Herein!"

   Sie schwang auf und mein Chef strahlte mir entgegen.

   „Frau Schultze! Schön sie wiederzusehen!"

   Ich stand von meinem Stuhl auf und lächelte Herrn Hertz ebenfalls an. „Die Freude ist ganz meinerseits.", erwiderte ich.

   „Ach komm, lügen Sie mich doch nicht an. Ich an ihrer Stelle wäre auch lieber in Italien geblieben." Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf einen der beiden Sessel vor meinem Tisch. Nachdem er sich gesetzt hatte, setzte ich mich ebenfalls wieder hin.

   „Vielleicht haben Sie recht.", gab ich zu und schmunzelte.

   „Kann ich verstehen. Ich hoffe, Sie hatten eine schöne Zeit?" Er knöpfte seine Anzugjacke auf, welche fast platzte angesichts seines Bauchumfangs.

   Herr Hertz war ein kleiner, runder Mann mit Halbglatze und einem weißen Schnäuzer. Jeden Tag trug er denselben Anzug.

   Ich nickte. „Ich hatte eine sehr schöne Zeit. Ich habe einige Freunde bei dem Rennen getroffen."

   „Ich sehe, Sie haben auch Beute gemacht." Mein Chef deutete auf meinen Becher.

   Ich lachte. „Mehr oder weniger. Das war ein Geburtstagsgeschenk von einem Freund."

   Mein Chef hob die Augenbrauen und schürzte die Lippen. „Von einem Freund?" Dabei betonte er die Wörter besonders.

   Ich nickte erneut. „Ja, ein Freund." Ich nahm den Becher in die Hand und sah ihn glücklich an.

   „Na, so wie Sie lächeln sehen Sie ihn aber als mehr als das.", erfasste mein Chef.

   Ich sah von dem Becher auf und schüttelte den Kopf. „Oh nein, so ist das nicht. Ich bewundere ihn nur sehr und bin froh, dass wir Freunde sind." Oder so ähnlich. Ich wusste nicht, was Carlos und ich waren. Bekannte, würde ich es eher nennen.

   „So So. Wann werden Sie ihn wiedersehen?" Mein Chef beugte sich interessiert über meinen Tisch.

   Ich zuckte mit den Schultern. „Das ist eine gute Frage. Er ist gerade in Aserbaidschan. Aber gestern haben wir telefoniert." Plötzlich stockte ich. Warum erzählte ich ihm das?

   Ich stellte den Becher zur Seite und faltete meine Hände. „Naja. Wir schauen einfach mal was wird. Herr Hertz, Sie sind ja nicht hier, um mit mir über mein Privatleben zu sprechen."

   Ich öffnete die PowerPoint die ich vorbereitet hatte.

  „Nein, da haben Sie recht Frau Schultze. Doch einen kurzen privaten Plausch zu seinen Mitarbeitern sollten man niemals unterschätzen. Merken Sie sich das!" Ich nickte, dankbar um seinen Tipp.

   

   Ich drehte meinen Bildschirm zu meinem Chef und stellte ihm meine kurze Präsentation vor. Am Ende lächelte mich mein Chef wieder an.


   „Es freut mich, dass Sie von dem Lehrgang so viel profitieren konnten! Zu meiner Zeit hatte Giovannis Vater den Lehrgang noch geleitet. Schön zu sehen, dass er in seine Fußstapfen getreten ist. Ich kannte ihn noch als kleinen Dötz." Er kicherte und ich lächelte ebenfalls.

   „Wie lief es denn zwischen Ihnen und Herrn Schwarze? Konnte der kleine Ausflug die Wogen ein wenig glätten?"

   Ich gefror zu Eis und mein Herz schlug schneller. Sollte ich ehrlich zu ihm sein? Ich würde ihm auf keinen Fall von Freitagabend erzählen.

   „Es war kompliziert.", fing ich an. „Zu Beginn war alles wie immer." Damit meinte ich die Feindseligkeit. Mein Chef schien das zu verstehen, da er nickte. „Doch am letzten Tag saßen wir zusammen in einer Bar und da haben sich einige Missverständnisse aufgeklärt."

   Das war keine Lüge. Es hatte mich schockiert zu hören, dass Schwarze wirklich dachte, ich würde ihn feuern, sobald ich das hier übernehmen würde. Dadurch konnte ich verstehen, weshalb er so abweisend zu mir war. Wir haben uns zwar noch nie gut verstanden, doch die Existenzängste, die er in den letzten Wochen gespürt haben musste, konnte ich mir nicht vorstellen.

   „Das freut mich zu hören. Vielleicht sollten Sie ein Gespräch unter vier Augen mit ihm suchen?"

   Ich verzog meinen Mund bei seinem Vorschlag.

   „Hören Sie Frau Schultze. Als Führungskraft und Vorgesetzter muss man auch manchmal unangenehme Gespräche führen. Das muss man auch können."

   Ich nickte langsam. Er hatte ja Recht. Vermutlich sollte ich das tun.

   „In Ordnung. Ich werde mit ihm reden.", versprach ich.

   Mein Chef nickte und stand auf. „Sie machen das sehr gut Frau Schultze."

   Freude durchfuhr mich und ich stand ebenfalls auf. Wer hörte so etwas nicht gerne von seinem Chef?

   „Danke Herr Hertz.", sagte ich aufrichtig. Er nickte und verließ damit mein Büro.

   In der Sekunde, in der die Tür ins Schloss fiel, verfasste ich eine Mail an Schwarze.

   Guten Morgen Herr Schwarze, gerne würde ich Sie am Donnerstag in mein Büro bitten, damit wir über die Geschehnisse der letzten Woche reden können. Auch würde ich gerne mit Ihnen unsere weitere berufliche Zusammenarbeit besprechen.

   Zufrieden mit meiner Mail schickte ich sie ab. Jetzt konnte ich mich nicht mehr davor drücken. Doch mein Chef hatte recht, ich musste mit ihm reden. Da führte kein Weg dran vorbei.

   Nachdem ich die Mail gesendet hatte, setzte ich mich an die Arbeit.



Huhu. Wer hätte nicht gerne einen solchen Chef wie Herrn Hertz? Einfach ein Traum!

A longer Bathroom Break - Carlos Sainz x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt