Der Kaffeefleck

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   Lexy hatte mich nicht zurückgerufen. Ich frag mich, was in letzter Zeit mit ihr los war. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass sie nicht, beziehungsweise erst Stunden später auf meine Nachricht antwortet. Normalerweise würde ich in so einem Fall einfach zu ihr fahren und sie fragen. Doch leider war ich in Italien und sie in Deutschland.

   Leider war das falsche Wort. Ich hatte Glück, dass ich in Italien sein durfte. Ich hatte heute einen fantastischen Tag vor mir.

   Trotz dieses Wissens hatte ich schlechte Laune als ich aufstand. Ich hatte miserabel geschlafen. Außer Lexy kannte ich niemand anderen, welcher Formel 1 schaute, deshalb hatte ich auch niemand anderen, mit denen ich die gute Nachricht hatte teilen können. Das hatte mich deprimiert.

   Ich lag noch lange im Bett und hatte über alles Mögliche nachgedacht. Lexy, Ron, der Paddock Pass, Carlos. Ja, sogar über Carlos. Ich hatte mir vorgestellt, wie es aussehen würde, wenn wir uns heute treffen würden. Doch das war so unwahrscheinlich, dass ich über meine eigenen Gedanken gelacht hatte.

   Ich hatte auf den Wetterbericht für heute geschaut und gesehen, dass es unglaublich warm werden sollte. Immerhin war es auch Mitte Juli. Das weiße Sommerkleid und der Blazer, welche ich Lexy als zweites Outfit für gestern Abend vorgeschlagen hatte, erschien mir als die perfekte Wahl für heute. Schnell hatte ich noch ein leichtes Makeup aufgetragen und meinen Haaren dezente Wellen verpasst. Jetzt sah man mir die schlechte Laune zumindest nicht direkt an.

   Ich lief die kurze Strecke zur Ferrari Fabrik. Auf dem Weg hatte ich mir einen Eiskaffee gekauft, welcher mich angenehm runterkühlte.

   Je näher ich der Fabrik kam, desto mehr Leuten begegnete ich. Ebenso erhöhte sich auch die Anzahl an Ferrari Merch, welchen die Leute trugen.

   Na toll. Ich hatte ganz vergessen, dass der komplette Bereich von Ferrari Fans belagert sein würde.

   Ich bog um eine Ecke und kam damit auf die Straße, in der sich der Eingang zur Fabrik befand. Um Himmels Willen. Ich blieb stehen. Da standen so viele Menschen! Da konnte ich nicht durch. Ich hasste Menschenmengen.

   Ich ging langsam näher. Das sind hunderte von Menschen. Vielleicht gab es einen Seiteneingang? In der Beschreibung, wie wir hier hinkamen, stand aber nichts von einem anderen Eingang. Ich hatte nur diese eine Wegbeschreibung von Giovanni bekommen.

   Okay Kiera, du schaffst das. Du musst nur einmal dadurch. Ganz ruhig. Du weißt, dass die nur Carlos und Charles sehen wollen. Mehr nicht. Es wird nichts passieren, wenn du da jetzt durchgehst.

   Mein Herz schlug schneller und meine Hände wurden schwitzig. Ich atmete mehrere Male tief ein und aus, bis ich bereit genug fühlte.

   Dann mal los.

   „Scusi. Scusi." Ich versuchte mich so vorsichtig wie möglich durch die Leute zu drängen. „Scusi." Ich schob ein Mädchen beiseite. Doch ein weiteres versperrte mir sofort wieder den Weg. Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. „Scusi." Dann drückte ich sie ein bisschen zur Seite. Sie sagte irgendetwas auf Italienisch zu mir, was ich natürlich nicht verstand.

    Die einzigen Wörter, die ich kannte, waren ‚Danke' und ‚Entschuldigung', so wie ‚Guten Morgen' und ‚Tschüss'. Das wars dann aber auch.

   Entschuldigend lächelte ich das Mädchen an, während ich mir weiter meinen Weg bahnte. Mit jedem weiteren Körper, welcher meinen berührte, würde ich nervöser. Das waren einfach zu viele Leute.

   Plötzlich stieß mich jemand von der Seite so heftig an, dass mein Kaffee über den Rand meines Bechers schwappte. Ich keuchte auf, als ich ihn direkt auf mein Kleid verschüttete. „Verdammt!", fluchte ich. Doch der Kaffeefleck auf meinem weißen Kleid war gerade mein geringstes Problem.

   Die Panik, nun gepaart mit Frustration, überkam mich.

   Ich hob meinen Kopf und schaute nach vorne. Ich war mitten in der Menge. Wieder zurück konnte ich nicht, dafür war ich schon zu weit gekommen.

   Mein panischer Blick kreuzte den eines Security Mannes, welcher vor den Toren der Fabrik stand. Anscheinend sah er die Dringlichkeit in meinem Blick. Er machte einen Schritt nach vorne und rief der Menge etwas auf Italienisch zu. Daraufhin drehten sich alle zu mir um und schauten mich an.

   Super, das half meiner Panik total. Jetzt konnte mir jeder dabei zusehen, wie ich innerlich durchdrehte.

   Doch dann wurde der Druck um meinen Körper herum weniger und die Leute machten mir Platz.

   Ich konnte kurz aufatmen. Trotzdem musste ich noch weiter durch die Leute. Jetzt ging es aber wesentlich einfacher. Statt mich die ganze Zeit entschuldigen zu müssen, bedankte ich mich jetzt bei den Leuten.

   Dann stand ich endlich direkt vor der Security.

   „Ciao.", begrüßte ich ihn. „Grazie.", war das zweite Wort, welches ich direkt danach sagte. „Ich habe hier einen Lehrgang. ‚How to run a business in the automotive sector'.", informierte ich ihn auf Englisch.

   Der Mann nickte und sprach kurz in seinen Kopf, den er im Ohr hatte. Nach kurzer Zeit nickte er. „Sie können rein.", erklärte er mir mit ausdrucksloser Stimme. Dann öffnete sich das Tor für einen Moment und ich konnte hindurchschlüpfen. „Grazie!", rief ich dem Mann erneut zu, als ich auf dem Gelände war.

   Jetzt konnte ich endlich durchatmen. Mein Körper fühlte sich nicht mehr so gequetscht wie eben noch.

   Ich sah an mir herunter. Sofort stach mir der Fleck ins Auge. „Warum?" Die Frage war wohl an das Schicksal gerichtet. „Warum heute? Warum habe ich heute etwas weißes angezogen?"

   Ich holte ein Taschentuch aus meiner Jackentasche und rubbelte damit über den Fleck. Das brachte jedoch rein gar nichts.

   Frustriert steckte ich das Tuch wieder weg und trank meinen Kaffee leer. Ich musste sofort eine Toilette finden und versuchen, den Fleck auszuspülen.

   Ich trat in das Gebäude. Die Empfangshalle war natürlich in rot gehalten. An den Wänden hingen Bilder von diversen Fahrzeugen. Formel 1 Wagen aus unterschiedlichen Zeiten, aber auch normale Ferraris konnte auf ihnen erkennen.

   Normale Ferraris. Ferraris waren keineswegs normal. Sie waren fantastisch. Was nicht fantastisch war, war der Fleck, welcher mit jeder Sekunde, in der ich ihn nicht auswusch, eintrocknete.

   Ich ging zu der Dame, welche am Empfang stand und gerade etwas in ihren Computer eintippte.

   „Entschuldigen Sie bitte? Wo finde ich die Toiletten?" Mit verzerrtem Gesicht deutete ich auf mein Kleid.

   Die Frau hob ihren Blick und ihr Mund formte sich zu einem ‚O' als sie mich ansah. „Direkt hier links den Flur runter."

   Ich nickte dankend und machte mich auf den Weg.

   Die Toiletten hatte ich schnell gefunden und hatte mich gleich daran gemacht mein Kleid zu waschen.

   Ich machte es nass und gab dann Seife auf den Fleck. Den Stoff rieb ich dann so fest aneinander, dass Schaum entstand.

   Bitte geh raus, betete ich den Fleck an.

   Ich musste mehrere Runden machen, bis der Fleck überhaupt verblasste.

   Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war schon zwei Minuten nach acht. Ich würde viel zu spät kommen. Der Fleck war nicht mal ansatzweise rausgewaschen, doch ich hatte keine andere Wahl als es so zu lassen.

   Nachdem ich den Fön für die Hände als Wäschetrockner zweckentfremdet hatte, begutachtete ich mich in Spiegel.

   Wenn ich genau dort, wo der Fleck war, eine Falte in mein Kleid machte, fiel er kaum auf. Man musste schon echt lange hinsehen, um ihm zu bemerken.

   Erneut schaute ich auf die Uhr. Acht Uhr zehn. Verdammt, ich musste los.

   Ich stürmte aus der Toilette und richtete währenddessen mein Kleid. Weil ich dabei nicht nach vorne sah, wäre ich fast mit jemandem zusammengestoßen.

A longer Bathroom Break - Carlos Sainz x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt