𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 46

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»Warum hast du so lang' gebraucht?« War das Erste, was Isabelle Dag fragte, als er das Haus betrat.

»War halt viel Verkehr. Und so lange war ich gar nicht weg.«

Er schob den Koffer ins Schlafzimmer, wo er begann diesen auszupacken. Isabelle stand am Türrahmen und betrachtete ihn. »Hast du sie blockiert?«

»Ich bin gerade erst reingekommen.« , äußerte er sich dazu.

Seine Frau kam zu ihm und hielt ihre Hand ausgestreckt vor ihm hin.

Mit einem fast unterdrückten Murren holte er sein Handy hervor und übergab es ihr. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie sie Carla blockierte und anschließend die Nummer, so wie den Chat löschte. Folgend ging sie in seine Bildergalerie und löschte auch dort alles, was mit dieser Frau zu tun hatte. »War das jetzt so schwer?«

Sie hatte keine Ahnung, wie schwer es für Dag war. Die komplette Situation, in welcher er sich befand. Dennoch schüttelte er den Kopf, statt die Wahrheit preiszugeben.

Isabelle ging wieder zur Türe, wo sie abermals stehenblieb. »Dir ist klar, das ich dich erst einmal nur dulden werde. Also verlang' nicht von mir die Beine für dich breit zu machen.«

Dag hörte auf, die Sachen einzuräumen, und sah sie verständnislos an. »Hab' ich irgendwas in der Richtung geäußert?«

»Nein. Aber ich will, das du weißt, dass zwischen uns lange nichts geschehen wird.«

»Hab's verstanden. Und mir ist das ...«

»Ich mein' nur. Du sollst verstehen, wieso und weshalb ich das nicht kann. Ich ekle mich vor dir. Das solltest du wissen.«

»Hab's verstanden.« , wiederholte er monoton und räumte alles weiter ein, ohne sie anzusehen.

»Gut. Bevor du nämlich wieder eine Ausrede findest, um fremdzuficken.«

Nun hörte er ein weiteres Mal auf und blickte sie an. »Was soll das jetzt? Ich bin doch hier. Müssen wir jetzt so beginnen, indem du mir am laufenden Band Vorwürfe machst?«

Isabelle gab ein verächtliches Aufschnaufen von sich. »Hast du etwa gedacht, ich vergesse das direkt?«

»Nein. Aber das hier ist nicht der richtige Weg.«

»Was wäre dir denn lieber? Soll ich das liebe Ehefrauchen spielen, das dir deine egoistische Ader verzeiht?«

»Mir ist klar, das es sehr sehr sehr viel harte Arbeit sein wird. Aber ich bin hier. Also hör doch ...«

»Ja. Du bist hier.« , sagte sie und ging.

Dag atmete tief ein und packte den Rest aus. Es kam ihm vor, wie in ein fremdes Hotel eingecheckt zu haben. Er fühlte sich kein bisschen heimisch. Das war sein Haus. Hier hatte er gelebt. Jahrelang. Dennoch ... es war so ein seltsames Gefühl. Er war im Grunde nicht lange weggewesen ... oder doch? War er vielleicht tief im Innern schon lange nicht mehr verankert gewesen?

Er blickte sich um, hin zu den Bildern, die Isabelle von Rio aufgestellt hatte. Eines nahm er in die Hand und betrachtete seinen Sohn.

Wie viel kann ein Mensch nur verlieren bis er vollkommen daran zugrunde geht?

Dag dachte darüber nach.

»Papa.« Nia betrat unerwartet das Schlafzimmer und er stellte den Bilderrahmen zurück. Sofort umarmte sie ihn. »Es tut mir leid wegen ... gestern. Ich wollt' wirklich nicht ...«

»Ja is' schon okay. Lass uns ... ein andermal darüber reden.«

»Ich bin so froh, das du wieder da bist.«

»Das ist die Hauptsache.« Er küsste ihre Stirn.

Nia blieb nicht lange in der Umarmung. »Ich treff' mich jetzt mit Robin.«

»Ja. Ehm ...« Er räusperte sich. »Mach das.« Mit Isabelle alleine zu Hause zu sein, war jetzt nicht etwas, auf was er sich total freuen würde.

Was würde es dann geben? Mehr Anschuldigungen? Vorwürfe? Auf jeden Fall nichts Gutes, dessen war er sich bewusst.

Nia lächelte. Das tat hingegen gut zu sehen. Besser als das Mürrische. Vorwurfsvolle. Vielleicht war es ja doch richtig, aus der Fantasie zu treten und in der Realität weiterzumachen.

Das Leben war nun mal nicht einfach.

Eine Fantasie war lediglich eine Flucht vor der Normalität.

Er musste lernen, es so zu sehen. Geflüchtet war er zu Genüge. Die Realität hatte ihn eingeholt. Und an der musste er arbeiten. Dass Isabelle fleißig mittätig sein würde, bezweifelte er.

Ihre Aussagen ihm gegenüber hatten genug gezeigt, was sie von ihm hielt.

Besonderes diese, dass es keinen Sex geben würde. Für wie triebgesteuert hielt sie ihn? Er hatte kein bisschen daran gedacht, jetzt mit Isabelle intim werden zu wollen. Das fühlte sich keineswegs ... richtig an.

Ihm dann zusätzlich das ... wie hatte sie es genannt? Fremdficken?! Ihm das auch noch vorzuhalten, als wäre es einzig deswegen geschehen, weil er keinen Sex mit ihr gehabt hatte.

Nein. Da hatten viel mehr Faktoren zu geführt. Intimität begann nicht nur bei der geschlechtlichen Beiwohnung.

In Carla hatte er jemanden gefunden, die gerne ihre Zeit mit ihm verbrachte. Ihm zuhörte. Mit ihm lachte. Ihm ein Gefühl geschenkt hatte, gewollt zu werden.

Er sah sich noch einmal um und trat dann in den Flur.

Ja, Nia war froh, dass er wieder hier war. Gewollt fühlte er sich dennoch nicht.

Dag schlurfte in die Küche. Isabelle saß am Esstisch und besah sich einige Akten. »Ehm ... ich geh' duschen, okay?!« Fragte er jetzt allen Ernstes um Erlaubnis?

Sie blickte auf. »Hast du sie etwa nochmal angefasst, als du da warst?«

»Ich will einfach so duschen. Ich habe nichts getan.« , wehrte er sich und spürte imaginär Carlas süße Lippen auf seinem.

»Du kannst mir nicht vorwerfen, so von dir zu denken.«

»Ja ich weiß.« , sprach er und ging in den Flur. »Ich ... bin im Badezimmer.«

Sie sagte nichts, sondern sah wieder auf ihre Akten.

Dag trat in den Raum und schloss die Türe hinter sich ab. Er sah in sein Spiegelbild. Die Augen waren dick. Hatte Isabelle bemerkt, dass er geheult hatte? Oder ... sah sie ihn gar nicht mehr so genau an?

Sein nächster Gang war zur Dusche, die er anstellte. Statt sich jedoch zu entkleiden und hineinzugehen, setzte er sich auf den Boden und holte sein Handy raus.

Er öffnete seinen versteckten Ordner und schaute auf Carla. Irgendwie war ihm klar gewesen, dass Isabelle all das von vorhin auch von ihm verlangen würde. Vorsichtshalber hatte er einige Bilder versteckt.

Selbst wenn er auf irgendeine Weise gewillt war, das hier durchzuziehen, konnte er nicht alles aufgeben.

Mit feuchten Augen sah er sich die Fotos an. Tage, die nicht wiederkehren würden. Ein Gesicht, das er wohl nie wieder real sehen würde.

Konnte.

Durfte.

Dass er sie jetzt schon schmerzlich vermisste, benötigte er sich nicht mal einzugestehen. Das hatte er bereits gespürt, als er sie das letzte Mal geküsst hatte.

Ich brauch dir nicht zu erklären wie schön das wär' so für immer BAND 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt