Sicht Stegi
Ein paar Tage nachdem wir Felix im Park getroffen haben, kam ich vom einkaufen nach Hause, öffnete den Briefkasten, nahm die Post und ging hoch in unsere Wohnung. ,,Ich bin wieder da!'', rief ich und stellte die Einkaufstüten in die Küche. ,,Liebling?'' Es kam keine Antwort, also ging ich nachsehen. Manu lag auf dem Sofa und schlief. Lächelnd deckte ich ihn zu und schaltete den Fernseher aus. Dann ging ich wieder in die Küche. Erneut nahm ich den Stapel Post in die Hand, ging durch, legte die Rechnungen weg und behielt einen roten Briefumschlag in der Hand. Eine Augenbraue nach oben gezogen, drehte ich den Umschlag hin und her und sah dann ein einzelnes Wort. Mein Name. Es stand nur mein Name drauf, kein Absender, nichts anderes. Nur mein Name. ,,Stegi?'', rief Manu und schnell legte ich den Brief wieder auf den Tisch und ging zu Manu ins Wohnzimmer. ,,Seit wann bist du wieder da?'', fragte er während er sich die Augen rieb. ,,Nicht lang. Bin eben erst nach Hause gekommen. Ich wollte dich aber nicht wecken'', sagte ich und setzte mich neben ihn. Er lehnte sich gegen mich, gähnte herzhaft und ich strich ihm die dunklen Haare aus der Stirn. ,,Hast du nicht. Was essen wir heute?'', meinte Manu. Ich lachte und fragte, ob er denn echt immer nur an Essen denkt und er kicherte und nickte. ,,Wir könnten essen gehen wenn du willst. Und wenn du dich dazu im Stande fühlst'', schlug ich vor und er stimmte zu. ,,Dann zieh dich an und wir fahren gleich los'', ordnete ich an und er stand sofort auf. Nach einer halben Stunde in der Manu duschen war, seine Haare geföhnt und sich angezogen hatte, standen wir vor meinem Auto und ich klopfte meine Hosentaschen ab. ,,Mist, ich hab den Schlüssel oben vergessen. Warte hier, ich bin gleich wieder da!'' Schnell rannte ich die Treppe wieder hoch, schloss die Tür auf und griff mir den Autoschlüssel vom Küchentisch. Erneut blieb mein Blick an dem roten Umschlag kleben. Schnell versteckte ich ihn in meinem Arbeitszimmer und rannte die Treppe wieder runter. Ich wusste nicht, wieso ich ihn vor Manu versteckte,aber ich hatte Angst, er würde das falsch verstehen. ,,Das ging schnell'', lachte er und stieg ins Auto. Wir fuhren los und ich parkte vor einem wunderschönen Italienischen Restaurant. ,,Wow das sieht ja richtig schön aus. Wieso denn sowas schickes?'', fragte Manu und nahm meine Hand. ,,Ich will mit dir feiern, dass es dir wieder so gut geht.'' Ich zog ihn hinter mir her und wir wurden zu einem Tisch am Fenster gebracht. ,,Was darf ich ihnen zu trinken bringen?'', fragte die Kellnerin und ich bestellte eine Flasche Wein. Lächelnd nickte sie und ging davon. ,,Ein schickes Restaurant, Wein ... was verheimlichst du mir?'' ,,Nichts. Wirklich'' Ich lächelte ihn an und er nahm meine Hand. Die Kellnerin kam wieder, schenkte uns Wein ein und nahm unsere Essensbestellung auf und verschwand dann wieder. ,,Kann ich dich nochmal was wegen dem Internat fragen?'' Ich nickte und legte mir die Serviette auf den Schoß. ,,Was ist dir damals passiert?'' Er musterte mich und ich schluckte einmal. ,,Es gab da einen Jungen, Patrick, wir waren Freunde, bis ich ihm sagte, dass ich pansexuell bin und er hat das nicht verstanden. Also hat er sich mit ein paar Leuten zusammen getan und mich gequält, verprügelt und beleidigt. Irgendwann reichte es mir und ich habe ihn geschlagen. Dann wurde ich von der Schule geworfen'', beendete ich und sah Manu an. Er riss erschrocken die Augen auf und tätschelte dann liebevoll meine Hand. ,,Das tut mir so leid! Wäre ich damals da gewesen, hätte ich alles getan, um dich zu schützen'', erklärte er mir und ich fügte hinzu: ,,Das haben Felix, Sebastian und Tim auch versucht. Es brachte nichts. Patrick hat Felix in den Arm geritzt und Tim versucht, gegen mich aufzubringen. Es klappte fast und ich landete im Krankenhaus. Ich bin von einer Brücke in einen Fluss gestürzt.'' Manu lief eine Träne über die Wange, ich wischte sie weg und küsste dann seine Hand. ,,Das ist furchtbar!'' ,,Das ist Vergangenheit!'', antwortete ich. Unser Essen kam und ich sah zu wie Manu in seinem Essen stocherte. ,,Schmeckt es dir nicht?'', wollte ich wissen doch er sah hoch. ,,Das ist es nicht. Nur wenn ich daran denke was dir angetan wurde, vergeht mir echt der Appetit.'' Manu legte seine Gabel weg und ich schluckte den Bissen runter den ich mir eben in den Mund geschoben hatte. ,,Denk jetzt nicht darüber nach. Iss und wir reden über etwas anderes. Ich will nicht das der Abend so traurig endet''. Ich drückte Manus Hand und er begann zu essen. Nach dem essen bezahlte ich und wir gingen vor die Tür. ,,Lass uns noch etwas spazieren gehen. Ich will noch nicht heim.'' Ich zog Manu vom Auto weg und wir schlenderten durch die Straßen. ,,Ich wünschte ich hätte dich früher kennengelernt'', hauchte Manu und ich schaute ihn an und lächelte. Manu küsste mich und ich drückte ihn an mich. Kaum haben sich unsere Lippen berührt und meine Augen waren geschlossen, kamen mir Bilder von Tim vor die Augen. Erschrocken riss ich mich los und Manu schaute mich verwundert an. ,,Was ist los?'' Ich stotterte und suchte nach einer Antwort, fand aber keine. Manu winkte ab, nahm meine Hand und führte mich zu unserem Auto. Während wir heim fuhren, lächelte er mich immer wieder und heftete seinen Blick wieder auf die Straße. Vor unserer Wohnung angekommen, schloss ich auf und ging in die Küche. ,,Willst du einen Tee?'', fragte ich und er nickte. ,,Es tut mir leid. Ich .. keine Ahnung was los war. Manu ich liebe dich!'' Er kam lächelnd auf mich zu, legte seine Arme um meine Hüfte und legte seinen Kopf auf meine Brust. ,,Schon okay, ich bin nicht böse auf dich.'' Womit hatte ich ihn verdient? Er war immer so liebevoll und zuvorkommend. Ich könnte ihn niemals, niemals verletzten. Er war einfach perfekt.