Sicht Tim
Es vergingen 3 weitere Wochen in denen Manu im Krankenhaus lag. Stegi und ich besuchten ihn so oft wir konnten. Die Ärzte hatten leider nichts neues gefunden, konnten ihn nur weiter mit Medikamenten versorgen und beobachten wie sich sein Körper nach und nach abbaute. Stegi verzog sich immer öfter in unser Schlafzimmer, lag im Bett, hörte Musik oder stand stundenlang unter der Dusche. Ich versuchte für uns beide stark zu sein, doch so langsam wusste ich auch nicht mehr was ich noch machen konnte. Wir planten die Hochzeit weiter, versuchten es zumindest. Stegi hielt sich was das betraf sehr zurück, ließ mich entscheiden. Am liebsten hätten wir die Hochzeit verschoben aber Manu zwang uns, was das betraf keine Rücksicht auf ihn zu nehmen. Als wir ihn das letzte mal besucht hatten, bestand er darauf, dass wir im Sommer heiraten. Felix und Basti wohnten schon fast bei uns, halfen uns so gut sie konnten, gingen für uns einkaufen, besorgten uns die Anzüge für die Hochzeit und gaben sich alle Mühe uns abzulenken.
Es war Freitag, zwei Tage vor der Hochzeit. Ich stand in der Küche und kochte Tee, Felix und Basti saßen am Tisch und wir unterhielten uns. Plötzlich öffnete sich die Schlafzimmertür und Stegi kam raus. Seine Haare hingen ihm ins Gesicht, seine Augen waren rot und geschwollen. ,,Hey, willst du auch einen Tee?'', fragt ich vorsichtig. Er schüttelte den Kopf und ging ins Badezimmer. ,,Er tut mir so unendlich leid. Ich wünschte, wir könnten ihm irgendwie helfen'', meinte Sebastian und schaute mich an. Ich biss mir auf die Unterlippe und drehte mich um. In Gedanken kippte ich das gekochte Wasser in meine Tasse. So war zumindest der Plan, ich verschüttete es und es lief mir über die Hand und den Bauch. ,,AH FUCK!'', schrie ich und schlug die Tasse von der Theke. Felix wischte sofort das Wasser und die Scherben weg und Basti zog mich zur Badezimmertür. Stegi war wieder im Schlafzimmer verschwunden. Ich zerrte mir das nasse Shirt vom Oberkörper und stellte mich in Jogginghose unter die kalte Dusche. ,,Tim, soll ich dir irgendwie ein neues Shirt und ne neue Hose holen oder so?'' Ich schüttelte einfach den Kopf und sagte: ,,Kannst du mich einen Moment allein lassen?'' Er nickte und verließ das Badezimmer. Ich stemmte meine Hände an den kalten Fliesen und ließ den Kopf hängen, das kalte Wasser lief mir über die Haare und den Rücken. Das brennen auf meiner Haut ließ langsam nach und ich wischte meine nassen Haare zurück. Ich stellte die Dusche aus, warf die nassen Sachen ins Waschbecken, wickelte mir ein Handtuch um und ging ins Schlafzimmer um mir trockene Kleidung anzuziehen. Stegi hatte sich wieder auf dem Bett zusammengerollt und schaute mich an. Sein Blick wanderte zu meinem Bauch und er setzte sich schnell auf. Vorsichtig kam er auf mich zu und strich mit seinen kühlen Fingerspitzen über die rote Haut. ,,Was ist passiert?'', fragte er heiser. ,,Ich hab mir versehentlich heißes Wasser über den Bauch gekippt. Scheiß drauf'' Ich griff mir ein Shirt und wollte es überziehen, doch Stegi nahm es weg und küsste mich. Ich erwiderte den Kuss, löste mich dann aber. ,,Was wird das?'' Er sah mich mit Tränen in den Augen an und hauchte dann: ,,Bitte lass mich für einen kurzen Moment vergessen.'' Ich zog ihn dich an mich und küsste seinen Scheitel. Ich wollte ihm helfen aber Sex ist nicht die richtige Lösung. Wir müssen den Schmerz annehmen und akzeptieren damit er besser werden kann. Ich hob ihn hoch, legte uns aufs Bett und zog ihn dich an mich. ,,Ich kann das nicht Tim. Ich kann dich nicht heiraten, nicht so tun als wäre alles gut wenn es das offensichtlich nicht ist.'' Ich strich über seinen Rücken und flüsterte ihm immer wieder beruhigende Worte ins Ohr. Irgendwann ist er eingeschlafen und ich deckte ihn vorsichtig zu. Ich stand auf und verließ leise das Schlafzimmer. Felix und Basti saßen immernoch in der Küche und unterhielten sich angeregt. Als ich rein kam, verstummten sie sofort und setzten eine Unschuldsmiene auf. ,,Wie geht es dir?'', fragte Basti und zeigte auf meinen Bauch. ,,Geht schon.'' Felix schob mich auf einen Stuhl und drückte mir dann eine Tasse mit Tee in die Hand. ,,Danke'', sagte ich und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. ,,Ähm, also wir kommen ein wenig später zu eurer Hochzeit. Also zur Trauung sind wir aufjedenfall da, aber wir schaffen es nicht schon 1 Stunde vorher da zu sein. Wir müssen noch euer Hochzeitsgeschenk abholen.'' Ich sah Basti an und meinte dann: ,,Ihr müsst uns nichts schenken. Wir sind froh, dass ihr überhaupt da seid. Und danke, dass du dich zu mir stellst'', meinte ich an die beiden und anschließend an Basti gewandt. Er nickte und grinste mich an. Wir redeten noch etwas bis Felix beschloss uns etwas zu essen zu besorgen. Basti verabschiedete sich ebenfalls für eine Stunde und so saß ich nun allein in unserer Küche und schaute aus dem Fenster. Die Menschen unten auf der Straße hielten Händchen, lachten, waren glücklich. Sie wussten nicht, das hier getrauert wurde. Sie konnten es nicht wissen. Wie auch? Dennoch war ich sauer auf sie. Wie konnten sie es wagen? Wie konnten sie so glücklich sein und wir hier weinen. Ich wurde wütend, biss die Zähne zusammen. Mein Körper zwang mich in die Knie und ich saß mit dem Rücken an der Wand. Und ganz plötzlich kam all die Trauer und die Wut der letzen Monate. Erinnerungen daran wie wir glücklich in New York waren, lachten, Manu war gesund. Dann Erinnerungen an den kranken, blassen und abgemagerten Manu. Wie ich ihm half sich zu waschen, weil er es allein nicht mehr konnte. Wie ich nachts oft wach lag und ihm seine Medikamente brachte. Wie ich seinen Kopf auf meinem Schoß hatte. Ich weinte, schrie und raufte mir die Haare. Das Leben war ein Arschloch. Wie konnte es einem so herzensguten Menschen wie Manu die Möglichkeit nehmen, alt und glücklich zu werden? Eine Familie zu gründen? Mein Körper zitterte und bebte, ich weinte immer heftiger. Alles um mich rum blendete ich aus, da war nur noch ich, ich und die Dunkelheit.
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Stexpert - das ist nicht nur ein Name, sondern ein Lebensgefühl
FanfictionStexpert FF