Sicht Stegi
Ich öffnete meine Augen und sah, dass ich im Bett lag. Langsam setzte ich mich auf, schaute auf die Uhr und sprang aus dem Bett. Ich riss die Schlafzimmertür auf und fand die anderen lachend im Wohnzimmer. Nur Manu fehlte. ,,Wo ist Manu?'', fragte ich und Tim deutete auf die Zimmertür. ,,Ich fahr jetzt mit ihm seine Sachen holen'', meinte ich und Tim klopfte auf seinen Schoß. ,,Die hab ich schon mit ihm geholt als du geschlafen hast.'' Ich setzte mich auf seine Beine und er legte die Arme um mich und drückte mich an sich. ,,Das hättest du nicht machen müssen. Ich wollte das tun.'' Tim küsste meine Wange und ich lehnte mich an seine Brust. ,,Geht es dir besser?'', flüsterte er mir ins Ohr, so dass nur ich es hören konnte. Leicht nickte ich und er küsste meinen Nacken. Manu kam aus seinem Zimmer und setzte sich neben uns auf das Sofa. Er sah echt fertig aus, war furchtbar blass und seine Haut wirkte fast durchsichtig. ,,Geht es dir gut?'', fragte ich ihn und er nickte einfach schwach. ,,Morgen früh muss ich zum Arzt.'' ,,Ich fahre dich und ich bleibe die ganze Zeit bei dir, wenn du das willst'', schlug ich vor und er sah mich dankbar an.
Die nächsten Wochen vergingen schleppend. Manu musste jede Woche zum Arzt, wurde schwächer. Tim und ich wechselten uns mit dem Fahren ab, versuchten ihm den Rücken zu stärken. Das klappte mal mehr, mal weniger. Es ging ihm immer schlechter, er hatte dunkle Ringe unter den Augen und seine Haut war blau angelaufen. Ich konnte es nur schwer ertragen, ihn so zu sehen. Tim nahm mir immer öfter die Arbeit ab und kümmerte sich um Manu. Er half ihm sich zu waschen, kochte ihm essen, unterhielt sich einfach mit ihm. Doch ich wusste auch, dass es für Tim auch nicht leicht war. Doch er tat es mir zur Liebe. Manu blieb immer öfter einfach im Bett liegen. Schlief fast den ganzen Tag. Die Medikamente schwächten ihn und er übergab sich nur noch. Es war mitten in der Nacht, Tim neben mir schlief und ich starrte auf den Wecker. Die Stunden vergingen, doch ich konnte nicht schlafen. Zu groß war meine Sorge um Manu. Plötzlich hörte ich ein lautes Krachen und ich sprang aus dem Bett, Tim hinter mir her und wir stürmten in Manus Zimmer. Er lag auf dem Boden, seine Kleidung war bedeckt mit Blut und Erbrochenem. ,,Manu! Manu, hörst du mich?'', rief Tim und warf sich neben ihm auf den Boden. Ich stand da, konnte mich nicht bewegen. ,,Ruf einen Krankenwagen! Sofort!'' Tim schrie nun mich an, nahm vorsichtig Manus Kopf und legte ihn sich in den Schoß. Ich rannte ins Schlafzimmer, nahm mein Handy und wählte den Notruf.
Sicht Tim
Manus Kopf lag in meinem Schoß, Blut klebte in seinem Mundwinkel und auf seiner Stirn stand kalter Schweiß. Ich strich immer wieder vorsichtig über sein knochiges Gesicht, sprach ruhig auf ihn ein. ,,Manu, wenn du mich hörst, halte noch ein wenig durch. Gleich kommt Hilfe.'' Ich sah hoch und Stegi stand im Türrahmen. Es klingelte an der Tür und er rannte hin, öffnete sie und sofort tauchten Sanitäter auf, untersuchten Manu und Stegi erklärte ihnen die Situation. Sie nahmen ihn mit in den Krankenwagen und schon waren sie verschwunden. Ich holte einen Lappen und wischte das Erbrochene Blut weg. Es roch ekelhaft süß im Raum und ich öffnete das Fenster. Dann schaute ich an mir runter, meine Boxershorts und mein Shirt waren ebenfalls dreckig geworden. Ich ging ins Badezimmer und warf die Sachen in einen Wäschekorb. Dann stellte ich mich unter die Dusche, versuchte Manus Blut von meinen Händen zu waschen. Mir liefen Tränen über das Gesicht. Vorsichtig öffnete sich die Badezimmertür und Stegi kam rein. Ohne ein weiteres Wort zog er sich ebenfalls aus und stellte sich hinter mich in die Dusche. Er schlang seine Arme um mich und spendete mir Trost. Ich weinte und merkte, dass auch sein Körper bebte. Dann hörte ich ein lautes Schluchzen und drehte mich um. Stegi sah mich an, sackte zusammen und weinte. Ich hockte mich vor ihn und zog ihn an meine Brust. ,,Er wird sterben. Er hat nicht mehr lange'', sagte Stegi. Es war keine Frage, eher eine Feststellung und ich konnte ihm nicht widersprechen. Er hatte recht. Ich hob Stegi hoch, wickelte ihn in ein Handtuch und setzte ihn dann auf das Sofa. Ich zog mir schnell etwas an und machte ihm dann einen heißen Kakao mit Sahne. Die warme Tasse drückte ich ihm in die Hand und er klammerte sich an ihr fest, als wäre sie die letzte Hoffnung die Manu blieb. ,,Wir fahren ihn nachher besuchen. Aber jetzt ruh dich erstmal aus.'' Ich setzte mich neben ihn, zog ihn an mich und er legte seinen Kopf an meine Brust. Wenige Sekunden später war er eingeschlafen. Ich nahm die Tasse und stellte sie auf den Tisch. Immer wieder strich ich seine blonden Haare zurück, wickelte das Handtuch fester um ihn und nahm eine Wolldecke dazu. Vorsichtig legte ich sie über ihn und strich über seinen Rücken. In meinen Gedanken war ich bei Manu. Ich wollte das alles nicht. Nicht für Stegi und erst recht nicht für Manu. Das kann ein Mensch doch nicht allein ertragen und Manu muss sich ziemlich allein fühlen. Irgendwann bin ich dann auch eingeschlafen und träumte davon, wie Manu, Stegi, Felix, Basti und ich glücklich lachend am Strand saßen und alles wäre gut. Die Welt wäre in Ordnung.
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