Es tut mir leid, ich kann nichts für ihn tun.

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Sicht Stegi

Als ich wach wurde, lag ich auf Tims Brust auf dem Sofa. Mein Körper zitterte, ich schaute runter. Ich war noch immer nur in ein Handtuch und eine Wolldecke gewickelt. Vorsichtig, um Tim nicht zu wecken, stand ich auf und ging ins Schlafzimmer. Dort zog ich mir einen Hoodie von Tim über und eine schlichte schwarze Jogginghose. Mein Blick glitt durch das Zimmer und ich sah auf meinen Nachttisch. Dort stand ein Bild von Tim, Felix, Sebastian, Manu und mir. Es war im Central Park geschossen worden. Wir lachten, Felix war auf Sebastians Rücken, Manu stand neben den beiden und hatte eine Hand auf Bastis Schulter liegen. Tim und ich standen neben Manu. Mir kamen die Tränen. Das Bild ist zwar erst vor einigen Wochen entstanden, doch es kommt mir vor, als wären Jahre vergangen. Ich hielt das Bild in meinen Händen, Tränen tropften auf das Glas des Rahmens und plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und ich hörte Manu flüstern: ,,Alles wird gut, Stegi. Ich werde immer bei dir sein'' Als ich mich umdrehte, war ich nach wie vor allein im Zimmer. Ich schluchzte und wischte mir die Tränen von den Wangen. Ich setzte mich auf das Bett, griff nach einem Fotoalbum, welches ich unter das Bett geschoben hatte und öffnete es. Manu hatte es mir einmal zu meinem Geburtstag geschenkt. Es waren Bilder von uns darin. Welche von unserem Abschluss, welche als wir im Urlaub waren und welche von uns mit unseren Mütter. Mit jeder Seite die ich umblätterte, weinte ich mehr. Am Ende vom Album klebte ein Brief. Den kannte ich noch nicht. Er musste ihn nachträglich reingelegt haben. Ich klappte ihn auf und erkannt seine Handschrift. 

Mein liebster Stegi,

wie glücklich ich doch bin, dich kennen gelernt zu haben. Wir haben so viel durchgemacht. Wir hatten Höhen und Tiefen, aber wir waren immer zusammen. Wenn du diesen Brief hier gefunden hast, bin ich wahrscheinlich wieder krank. Ich hab ihn dir reingelegt, als du letzte Nacht geschlafen hast. Ich wollte noch so vieles mit euch erleben. Doch nun wird uns einfach die Chance dazu genommen. Ich wollte auf euer Hochzeit dabei sein, eure Kinder kennenlernen, mit euch zusammen in den Urlaub fahren und alt werden. Vor allem alt werden. So wie es aussieht wird daraus nichts. Aber das ist okay, weißt du. Ich hatte ein glückliches Leben. Dank meiner Familie, dank Felix, dank Basti, dank Tim und vor allem dank dir. Ich habe dich immer geliebt und werde es auch immer tun. Du bedeutest mir so viel. Ich kann es nicht in Worte fassen. Und ich liebe Tim. Er hat so viel für mich getan. Bis zum Schluss, seid ihr alles, was ich habe und brauche. Stegi, ich werde euch niemals vergessen. 

Manuel.

Ich las den Brief immer wieder, drückte ihn an meine Brust und spürte den Herzschmerz. Es tat so furchtbar weh. Ich saß stundenlang einfach da, den Brief in meiner Hand, den Blick auf die Wörter gerichtet und mir liefen Tränen über die Wangen. Irgendwann betrat Tim das Zimmer, sah mich an und setzte sich neben mich. Er sprach nicht, saß einfach da und drückte mich an sich. Nach einer Weile nahm er mir den Brief aus der Hand und las ihn. Auch ihm liefen Tränen über das Gesicht, er hielt eine Hand vor seinen Mund und las die Zeilen immer und immer wieder. Als er fertig war, schluchzte er laut auf und schaute mich an. ,,Wir schaffen das. Zusammen schaffen wir das. Und Manu wird es auch wieder besser gehen'' Es war nur ein Flüstern. Fast schon ein Hauchen. Ich sah ihn an, mein Blick war leer. Ich konnte nichts fühlen, da war nichts außer dieser unendlichen Trauer. ,,Sollen wir ihn besuchen?'', fragte Tim und hielt mir seine Hand hin. Ich nahm sie und wir zogen uns Jacke und Schuhe an, gingen zu seinem Auto und fuhren zum Krankenhaus. Dort angekommen, fragte Tim nach Manus Zimmer und wir wurden in den dritten Stock geschickt. Tim lief neben mir, hielt meine Hand und führte mich zu Manus Zimmer. Angekommen öffneten wir die Tür. Manu lag in einem Bett, die Wände waren weiß und es roch nach Desinfektionsmittel. Um Manu standen eine Menge Geräte. Sie piepten, erhielten ihn am Leben. Er war blass, sah tot aus. Seine Augenlider waren geschlossen, seine Brust hob und senkte sich leicht und seine Haare hingen ihm ins Gesicht. 

Sicht Tim

Stegi setzte sich an sein Bett, nahm seine Hand und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Es brach mir das Herz, zu sehen wie sehr die beiden leiden mussten. Stegi musterte Manu ganz genau, versuchte sich jedes Detail einzuprägen. Ich konnte das nicht mit ansehen also verließ ich das Zimmer. Auf dem Flur traf ich auf den Arzt von Manu und er erklärte mir, dass Manus eine Niere gestern versagt hat. ,,Es tut mir leid, ich kann nichts für ihn tun.''

Stexpert - das ist nicht nur ein Name, sondern ein LebensgefühlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt