62 | brave

94 8 14
                                    

Während ich das nasse Hemd über den Heizkörper legte, setzte sich Yoongi schon einmal hin. Ich lobte ihn noch einmal für seinen Mut und seine Selbstbeherrschung. Er konnte wirklich stolz auf sich sein, wenn man bedenkt, dass er mich vor einer Woche fast verspeist hat, weil ich mir in den Arm geschnitten habe. Eben lag ein halb verblutetes Mädchen auf der Straße, ein weiterer Mann hatte eine Platzwunde am Kopf und mehrere Schnitte am Körper und trotzdem blieb er an Ort und Stelle.

"Naja, das Mädchen hatte 0 und der Typ B positiv, beides ekelhaft", meinte er.

"Das ist dennoch eine bemerkenswerte Leistung."

"Danke", murmelte er. "War auch ziemlich anstrengend, wenn ich ehrlich bin."

"Glaube ich dir sofort", sagte ich und lächelte ihn leicht an. Ja, er konnte wirklich auf sich stolz sein.

Aus einer Schublade kramte ich einen Block und fing an, ein paar Fragen zu stellen. "Tut mir leid, das muss ich machen. Routine eben, außerdem erspart das eine Menge Zeit", entschuldigte ich mich. Verständnisvoll winkte er ab und beantwortete bereitwillig meine Fragen.

"Kannst du mir sagen, was genau du gesehen hast?"

"Nicht viel mehr als du. Das Auto, das nicht gerade sondern in Schlangenlinien fuhr. Und das Mädchen. Sie lief komplett alleine und war auf dem Weg zur Schule, jedenfalls hatte sie ihren Schulranzen dabei. Ziemlich früh wenn der Unterricht doch erst um acht beginnt, wenn du mich fragst. Naja, der Mistkerl hat dann auf Vollgas gedrückt und sie überfahren. Ich habe ihn lachen gehört, dann fuhr er gegen die Laterne. Er wollte erst zu Fuß wegrennen, aber dann verlor er das Bewusstsein", erzählte er.

"Hast du gesehen, ob es noch weitere Zeugen gibt?"

"Bis auf die, die auf der Straße waren, gibt es nur eine weitere. In dem Gebäude auf der Seite wo das Fahrzeug zum Stehen gekommen ist, da war im dritten Stock eine Frau, die zugesehen hatte."

Säuberlich notierte ich alles. "Gibt es sonst noch etwas nennenswertes, was du beobachtet hast?", hakte ich nach.

"Nein, das war alles", meinte er und schüttelte den Kopf.

"Gut, danke. Ich werde das Jimin auf den Tisch legen, dann sollte sich das eigentlich erledigt haben. Vielleicht hat er trotzdem noch Fragen an dich, deswegen schreib ich deine Nummer noch auf, wenn das für dich okay ist. Dir gib ich seine, damit du weißt, wenn er dich anruft."

Er stimmte zu und sagte sie mir auf, damit ich nicht nachschauen musste. Jimins Nummer konnte ich mittlerweile auswendig, ich musste sie einfach schon viel zu oft nachschlagen. Vorsichtshalber machte ich eine Sicherheitskopie von dem Protokoll und packte es in einen Ordner, schließlich wusste man ja nie.

Ich verschwand kurz in seinem Büro und legte den Zettel wie gesagt auf seinen Schreibtisch. Gerade als ich wieder in meines gehen wollte, kam mir Jeongguk entgegen. "Ah, Taehyung, zu dir wollte ich sowieso gerade", meinte er verlegen und kratzte sich am Kopf.

"Was ist los?", wollte ich wissen.

"Es wurde ein Mord gemeldet."

Seufzend schüttelte ich den Kopf. Die ganze Ruhe der letzten Tage war mit einem Schlag weg. Haben die sich alle abgesprochen oder warum passierte das alles heute? War Welt-lasst-uns-wen-umbringen-Tag und ich hatte es nicht mitgekriegt? Mit einer Handbewegung deutete ich ihm, dass er mir folgen soll.

"Keine Sorge, wir waren eh gerade fertig", sagte ich, als ich Jeongguks verwirrten Blick sah, schließlich war Yoongi immer noch da. "Gibt's irgendwelche Details, die ich wissen sollte?"

"Am Waldrand wurde die Leiche einer jungen Frau gefunden. Drei Schusswunden am Kopf, Zeichen einer Vergewaltigung gibt es anscheinend auch", erklärte er knapp.

"Na dann. Hol deine Jacke, wir fahren", befahl ich ihm. Mit einem "Ich warte unten" verschwand er aus der Tür und ich widmete mich meinem Freund, während ich meine Sachen zusammenpackte.

"Tut mir leid, heute ist wohl ein mieser Tag. Erst das Mädchen, jetzt das..."

"Alles gut", meinte er verständnisvoll. Gemeinsam gingen wir die Treppen hinunter. Yoongi drückte mir einen Kuss auf die Lippen und ging dann auch gleich nach Hause. Immerhin hatte er nun Zeit um sich ein wenig von dem Schock zu erholen.

Grinsend kam Jeongguk auf mich zu und wir liefen zusammen zum Auto. "Dein Freund?"

"Nein, er küsst mich nur zum Spaß", antwortete ich sarkastisch und brachte ihn somit zum Lachen.

hunted || taegiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt