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"Taehyung, bist du verrückt? Vor mir ist es noch eher egal, aber vor den beiden? Und dazu noch ein Mensch?", schimpfte Jimin, sobald die Haustür zu war.

"Zur Hölle ja, ich weiß, dass es ein Fehler war, aber ich bin kein Meister in Selbstkontrolle. Nur weil Yoongi das kann, heißt das nicht, dass ich es auch kann, er hat schließlich 1325 verdammte Jahre mehr Erfahrung als ich", erwiderte ich zynisch.

Kopfschüttelnd nahm er sich ein Glas Wasser und setzte sich hin. "Trotzdem war es leichtsinnig."

"Tae, seit wann-", meldete sich Seokjin zu Wort, doch ich unterbrach ihn.

"Zwei Wochen. Ist 'ne lange Geschichte."

Jeongguk, der bis jetzt noch kein Wort gesagt hatte, mischte sich nun in das Gespräch ein. "Kann mir bitte wer erklären, was ich eben gesehen habe?"

Stimmt, er hatte ja von gar nichts eine Ahnung. Dem Ärmsten hatte ich quasi gerade seine Unschuld genommen, denn jeder, der von unserer Existenz wusste, lebte automatisch ein gefährlicheres Leben.
Leugnen konnte ich die Situation sowieso nicht, deswegen erklärte ich ihm einfach alles.

Interessiert hörten er und die anderen mir zu. Die Stimmung hier war ziemlich angespannt und es beunruhigte mich stark, aber damit musste ich jetzt wohl klarkommen, trotzdem reizte es mich nur noch mehr.

Was war mit mir überhaupt los? Normalerweise konnte mich nichts so schnell aus der Bahn werfen. Aber in dem Moment verspürte ich solch eine Wut, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Es war gruselig, ich hatte für einen winzigen Augenblick Angst vor mir selber. Aber war es wirklich so falsch, dass ich Namjoon umgebracht hatte? Verdammt ja, schließlich war es mein Job, die Stadt zu beschützen, doch das, was ich getan hatte, war genau das Gegenteil. Müsste ich dann nicht angewidert von mir selbst sein? Immerhin war ich eine Art Heuchler.

Ohne wirklich nachzudenken nahm ich das Leben eines Menschen, und ich bereute es keine einzige Sekunde. Mir war bewusst, dass das nicht richtig war, aber ich würde lügen, wenn ich mich entschuldigen würde.

"Taehyung", riss mich Seokjin aus den Gedanken. Erst jetzt bemerkte ich, wie sie mich von allen Seiten anstarrten. Ich fühlte mich unwohl, wie ein Tier, welches gerade in die Ecke gedrängt wird und dem der Ausweg versperrt wird. Vorsichtig ging ich einen Schritt zurück, obwohl ich wusste, dass keiner mir etwas antun würde.

Nein, ich tat es, weil ich Angst hatte, dass ich ihnen etwas antun würde.

Das war es also, was Yoongi meinte, als er mir anfangs nicht zu nahekommen wollte. Warum er sagte, dass ich in ständiger Gefahr lebte, solange er bei mir war. Ich hatte nie verstanden, warum er dieser Meinung war, doch jetzt machte alles Sinn. Er wusste manchmal nämlich selbst nicht, was er tat. Oder er konnte sich sein Verhalten selbst nicht erklären.

Er tat es nicht nur, um mich zu schützen, sondern auch um sich vor ihm selbst zu bewahren.

Bevor ich mich weiter in meinen Gedanken verlieren könnte, spürte ich, wie sich zwei Arme um mich schlagen. Es war Seokjin, der mich fest umarmte. "Warum...?", wollte ich wissen.

"Es hätte durchaus bessere Lösungen gegeben, aber irgendwie hast du mich... gerettet", wisperte er. Diese Ironie brachte mich zum Lachen. Vor wenigen Wochen war er es, der Unseresgleichen töten wollte, doch nun waren wir es, der ihn rettete. Zudem kam er nun auf mich zu, obwohl er wusste, was ich war.

Der Jäger stand auf der Seite seiner Beute und verteidigte sie.

Jeongguk seufzte. "Solange du mich oder meine Familie nicht umbringst, ist alles in Ordnung", murmelte er. "Ich tu einfach so, als hätte ich das Ganze nicht gesehen."

Erleichtert bedankte ich mich. Vor allem bei ihm hatte ich Angst, dass er sich nun komplett abwenden würde. Nicht nur, weil ich in verdammt gerne mochte, sondern auch, weil ich nicht wollte, dass ich mit der Aktion seine und Jimins Beziehung in irgendeiner Weise zerstört hatte. Immerhin wusste er von all dem bereits, deswegen hielt es sich jetzt auch mehr im Hintergrund. Von ihm wusste ich nämlich, dass ich auf ihn zählen konnte. Ich war wirklich froh, dass ich so tolle Freunde hatte, die trotz allem zu mir standen.

Die Situation wurde langsam ein wenig komisch, deshalb schlug ich vor, dass wir zusammen eine Runde Uno spielten. Alle schienen ziemlich begeistert und auch erleichtert zu sein, für sie war es auch ein wenig unangenehm.

Wir hatten ziemlich viel Spaß, und als Yoongi wieder zu uns dazu gestoßen ist, machten wir alle zusammen etwas zum Abendessen. Danach redeten wir viel über belanglose Dinge, und als es schon spät war, gingen Jin, Jimin und Jeongguk wieder nach Hause.

"Was hast du eigentlich mit Namjoon gemacht?", fragte ich Yoongi, als wir zu zweit gemütlich in unserem Bett lagen. Er kuschelte sich an mich und sein Kopf ruhte auf meiner Brust.

"Sagen wir so, ich habe uns in ein Krematorium geschmuggelt", erklärte er knapp.

Ich musste lachen. "Wie bist du darauf gekommen?"

"Keine Ahnung, das kam mir plötzlich in den Sinn. War doch komplizierter als ich dachte, aber so gibt es keine Leiche, den man plötzlich finden kann", meinte er grinsend.

Daraufhin sagte keiner mehr etwas, wir genossen einfach nur die Stille und unsere Zweisamkeit. Ich nutze die Gelegenheit, um Yoongi etwas zu zeigen, was ich in dieser Woche wiederentdeckt hatte. Es mochte für mich nichts Großes sein, doch für ihn schon. Damit wollte ich ihm einfach etwas zurückgeben.

Mit ein wenig Anstrengungen schaffte ich es, mein Herz wieder in Bewegung zu setzen.

Erschrocken sah er mich an. "Wie machst du das?"

Ich lächelte ihn an. "Mit meinen Gedanken."

Yoongi lächelte leicht und lauschte meinem Herzschlag, so, wie er es sonst immer gemacht hatte. Er sagte nichts, doch ich konnte fühlen, wie viel ihm das bedeutete und wie sehr es ihn beruhigte.

"Ich liebe dich", flüsterte er.

the end.

hunted || taegiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt