Den Tatort erkannte ich sofort wieder. Er lag direkt auf Yoongis Weg und den See konnte man von hier aus auch sehen, wenn man im richtigen Winkel stand. Hoffentlich bemerkte niemand etwas Ungewöhnliches, wie zum Beispiel blutleere Tierkadaver im Gebüsch.
Die Spurensicherung war auch schon vor Ort und arbeitete fleißig. Jeongguk und ich schlüpften durch das Absperrband hindurch und gingen näher an die Leiche heran.
Es war kein schöner Anblick. Eine junge Frau, Anfang bis Mitte zwanzig, lag mit drei klaffenden Wunden am Kopf auf dem Waldboden. Unter ihr hatte sich eine Blutlache gebildet, die größtenteils vom Boden aufgesaugt wurde. Ihr Mantel lag etwas weiter entfernt und ihre Bluse war gewaltsam geöffnet worden, jedenfalls fehlten zwei Knöpfe. Ein Fingernagel war ihr abgebrochen, das passierte wahrscheinlich, als sie sich wehrte.
"Hatte sie einen Ausweis oder dergleichen dabei?", fragte ich einen Mann mittleren Alters.
"Sie hatte lediglich ihr Handy, ihre Schlüssel und zehntausend Won dabei. Nicht einmal ihr Portemonnaie haben wir gefunden, aber einen Diebstahl schließen wir aus", erklärte er.
"Nein, ansonsten wäre das andere Zeug auch weg", murmelte ich vor mich hin.
Schon bald wurde der tote Körper abgeholt. Namjoon war dabei und meinte nur knapp, dass er mir heute Abend einen groben Bericht zukommen lassen würde. Mit einem kalten Blick nickte ich und befragte weiter die anderen. Meine Stimmung war nun im Keller und meine Notizen wurden immer unleserlicher. Heute war wirklich ein mieser Tag.
Ungefähr eine Stunde waren wir da und inspizierten alles sehr genau, bevor wir wieder zurückfuhren. "Ab und zu bist du schon ziemlich gruselig", meinte Jeongguk beiläufig.
Fragend sah ich ihn an. "Naja eigentlich bist du immer ziemlich gut drauf, außer ein Fall stresst dich gerade. Aber als der eine Mann vorhin auftauchte... Wenn Blicke töten könnten, dann wäre er mindestens fünfmal gestorben", sagte er.
Nichtssagend fuhr ich weiter und konzentrierte mich auf die Straße. Nach einer Weile brach er wieder die Stille. "Du hast sicher nichts gefrühstückt, oder?", wollte er wissen.
"Nein, mach ich auch nicht oft", meinte ich leicht gereizt. Ich wollte ihm gegenüber gar nicht so genervt sein, er hat mir schließlich nichts getan, aber das eben brachte mich zu sehr aus dem Konzept.
"Gut, dann gehen wir nachher erst zur Bäckerei und dann arbeiten wir weiter. Das macht erstens bessere Laune und zweitens kann man mit leerem Magen nicht denken", schlug er glücklich vor. Wie machte er das bloß? In all den Jahren, die ich ihn nun kannte, war er noch nie schlecht drauf.
Seufzend gab ich mich geschlagen. "Ist gut."
Jeongguk war ein süßer Junge. Er war sozusagen das Baby bei uns, trotzdem war er sehr scharfsinnig und intelligent, er war keinem in irgendetwas unterlegen. Wie bereits erwähnt hatte er auch ständig gute Laune, man konnte neben ihm nicht anders als auch gut drauf zu sein. Das bewunderte ich so an ihm, denn egal wie stressig es bei uns zu ging, er brachte alle zum Lachen und lockerte die Stimmung wieder auf.
Anstatt dass ich zurück zur Station fuhr, machte ich einen Halt bei der Bäckerei, so wie er es wollte. Es war dieselbe wie die, bei der ich war, als ich zum ersten Mal mit Yoongi gesprochen hatte. Irgendwie absurd, wie schnell die Zeit doch verging.
Wir bestellten beide dasselbe und ich lud Jeongguk ein, als Entschuldigung, dass ihn vorhin so angefahren hatte. Danach fuhren wir wieder zurück und ich verkroch mich wieder in meinem Büro. Es gab eine Menge Papierkram zu erledigen. Das war vor allem anstrengend, weil es keine Hinweise zur Identität des Opfers gab. Dies änderte sich zum Glück aber schnell, da Jeongguk noch einmal hochkam und meinte, es gäbe eine Vermisstenanzeige, die auf die Beschreibung der Verstorbenen passen würde.
Die Schwester kontaktierte uns panisch, als sie nicht zum vereinbarten Treffen erschien und sich den ganzen Tag lang nicht gemeldet hatte. Ich sagte ihm, er solle sie zu mir bringen, und keine fünf Minuten später saß sie auch schon gegenüber von mir.
"Guten Tag, Kim Taehyung. Sie sind?", stellte ich mich vor.
"Hwang Yerin", sagte sie weinerlich.
"Und Sie sagten, Ihre kleine Schwester wäre heute nicht zu einem Treffen gekommen und hätte sich auch nicht gemeldet?"
Sie nickte leicht. "Das passt gar nicht zu ihr, normalerweise hätte sie mir Bescheid gegeben, wenn ihr etwas dazwischengekommen wäre."
"Wie heißt sie und wie alt ist sie?"
"Hwang Yeji. Sie ist einundzwanzig Jahre alt."
"Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?"
"Gestern Abend. Sie hat auf meine kleine Tochter aufgepasst, da ich einen Termin im Krankenhaus hatte", erklärte sie.
"Haben Sie zufällig ein Foto von ihrer Schwester dabei?"
Yerin holte ihr Handy aus ihrer Tasche und zeigte mir ein Bild. Es zeigte sie mit einer jungen Frau. "Das ist das Aktuellste, das ich habe."
Es bestand kein Zweifel, sie war es. Ich hasste solche Momente. Ich liebte meine Arbeit zwar, vor allem, weil ich den Opfern und Angehörigen zumindest die Gerechtigkeit geben konnte, die sie verdienten, aber jemanden beizubringen, dass man die Leiche eines Angehörigen gefunden hatte, war das Schlimmste. Schonend erklärte ich ihr, dass wir ihre Leiche heute Morgen am Waldrand gefunden hatten. Sofort brach sie in Tränen aus und ich konnte nichts anderes tun, als zu versuchen sie aufzubauen und sie zu trösten. Trotzdem musste ich sie noch einmal wegen Yeji befragen, so leid es mir auch tat.
Wir redeten lange und ich notierte mir alles Wichtige, was auch nur irgendwie zu der Lösung des Falls beitragen konnte. Um circa drei Uhr nachmittags verließ sie mich wieder und ich widmete mich den restlichen Dokumenten, die ich ausfüllen musste.Ich war lange dran, an pünktlich aufzuhören war gar nicht zu denken, deswegen gab ich Yoongi kurz Bescheid, dass es heute später werden würde.
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hunted || taegi
Fanfiction"Es war schon fast zu ruhig. Normalerweise hörte ich immer irgendwelche Tiere oder Insekten auf dem Weg, doch diesmal war keine Spur davon zu entdecken. Mein Bauchgefühl sagte mir auch, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte nicht sagen, was fals...