73 | gonna be alright

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Ich glaube, ich wäre noch besser damit klargekommen, wenn er Taehyung einfach getötet hätte. Aber jetzt musste er ebenfalls durch dieses endlose Leid und ich konnte es nicht einmal beenden. Mir war schon immer klar, dass ich schwach war, aber das überstieg alles.

Also blieb mir nicht mehr übrig, als zu warten und zu hoffen, dass er sich nicht diesem ekelhaften Pack anschloss. Und dann musste ich für ihn da sein.

Auch wenn es schon mehrere Jahrhunderte her war, ich wusste noch genau, wie die erste Zeit nach der Verwandlung war. Das waren die anstrengendsten Jahre, die ich je durchlebt hatte. Man musste alles neu lernen, am Anfang kann man nicht einmal wirklich Nahrung zu sich nehmen. Es ist, als würde man die ersten Lebensjahre eines Menschen und die Pubertät zusammenmischen, und mehr als jemanden zu Unterstützen konnte man da nicht.

Aber für die nächsten paar Stunden war ich erst einmal an dieses Bett gefesselt. Wäre Yeo nicht nach circa einer Stunde zu mir gekommen und hätte sich auf mir zusammengerollt, dann wäre ich innerlich total am Ende. In mir wütete förmlich ein Sturm, der von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde, doch irgendwie schaffte es dieser kleine Kater, das Chaos so weit zu senken, dass ich nicht ganz den Verstand verlor.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich, wie jemand an der Haustür klopfte. "Taehyung? Yoongi?", rief Jimin. Wie spät war es wohl? Ich hatte sämtliches Zeitgefühl verloren, aber ich wusste, dass ich bald wieder aufwachen konnte.

Da ich ihm nicht antworten konnte, versuchte er, die Tür zu öffnen. Sie war zugesperrt, doch scheinbar hatte er einen Ersatzschlüssel, mit dem er schlussendlich doch in die Wohnung gelang. Er musste mich wohl gleich gesehen haben, denn er kam direkt in das Schlafzimmer gerannt und beugte sich über mich.

"Ich habe absolut keine Ahnung, aber irgendwie glaube ich nicht, dass Vampire für gewöhnlich schlafen", murmelte er vor sich hin.

"Warte noch zehn Minuten und ich erkläre dir alles."

Jimin zuckte zusammen und sein Herz setzte einmal kurz aus. "Bitte geh aus meinem Kopf raus, das ist gruselig." Er verließ das Zimmer und holte sich ein Glas Wasser aus der Küche, bevor er sich auf die Couch setzte und ungeduldig wartete. Zum Glück dauerte es nicht mehr lange, bis ich die Augen wieder öffnen konnte.

Vorsichtig nahm ich Yeo und setzte ihn auf dem Boden ab, bevor ich versuchte, aufzustehen. Es ging einigermaßen, ich war zwar noch etwas benommen, aber nach einem kurzen Spaziergang im Wald sollte ich wieder bei vollen Kräften sein.

"Ach du heilige Scheiße", fluchte er. "Was ist denn mit dir passiert?"

Seufzend setzte ich mich neben ihn und rieb meine Stirn, bevor ich anfing, ihm alles zu erklären. Am liebsten hätte ich geweint, doch das brachte mich nicht weiter, also riss ich mich zusammen und bat ihn um Hilfe. "Ich muss dahin, wo ich verwandelt wurde, aber ich habe diesen Ort seit damals nie wieder besucht. Es ist irgendwo im Südosten, glaube ich...", versuchte ich zu erklären.

"Das könnte gefühlt alles sein. Kannst du mir beschreiben, wie es damals ausgesehen hatte?"

"Es war ein kleines, hügeliges Dorf. Um zum Meer zu gelangen, musste man etwas länger reisen, aber bis hier nach Seoul war man länger unterwegs. Der Rest ist unbrauchbar, da das alles schon über tausend Jahre her ist."

Etwas verstört sah er mich an. "Ich hätte nicht gedacht, dass du so alt bist."

"Die meisten schätzen mich jünger", meinte ich bloß sarkastisch.

Jimin lachte nur und schüttelte den Kopf. "Naja egal. Ich habe zwar absolut keinen Plan, aber irgendwie hört sich das für mich nach Daegu an und da wir sonst keinen Anhaltspunkt haben, würde ich vorschlagen, dass wir da jetzt hinfahren. Tae meint jedenfalls immer, er wäre schneller am Strand als wieder hier in Seoul."

Bevor wir die Wohnung verließen, gab ich Yeo noch seine Medizin und erklärte ihm noch ein paar andere Dinge, da ich nicht wusste, bis wann ich wieder zurück sein würde. Außerdem zog ich mir noch etwas Frisches an und kramte dabei meine Tasche aus dem Schrank, in der ich sämtliche mehr oder weniger antike Zutaten sammelte.

Auch wenn uns nicht viel Zeit blieb, bat ich Jimin, einen kurzen Halt beim Wald zu machen. Obwohl ich geschlafen hatte, fühlte ich mich noch ein wenig schlapp und ich wollte diesmal auf keinen Fall unvorbereitet und schwach in einen Kampf ziehen. Ich brauchte nicht lange, fünf Minuten vielleicht, aber danach ging es mir deutlich besser als zuvor.

Auf dem Weg suchte ich nach dem Rezept für das Heilmittel. Tatsächlich war es möglich, jemanden in den ersten vierundzwanzig Stunden zu entgiften, sodass es nie zur vollständigen Verwandlung kommt. Grundsätzlich war es ziemlich einfach, aber wenn man auch nur eine falsche Zutat verwendete, könnte das den Tod bedeuten, deswegen ging ich lieber auf Nummer sicher.
Glücklicherweise fand ich die Seite relativ schnell und konnte das Gemisch fertig stellen, bevor wir in Daegu ankamen.

Aber dort erwartete uns schon die nächste Herausforderung. Diese Stadt war riesig.

"Gibt es hier einen Wald?", fragte ich Jimin, in der Hoffnung, er würde sich hier auskennen.

"Es gibt meines Wissens nach drei oder vier kleine Waldteile, alle sind aber am Rand der Stadt", antwortete er.

"Wir müssen in Richtung Meer. Ich habe in der Nähe eines Waldes gewohnt und der Weg von zu Hause aus bis zum Meer war nicht so weit wie vom Marktplatz aus."

Er überlegte kurz und nickte dann. "Dann hoffen wir einfach mal, dass ich richtig liege", murmelte er und fuhr weiter.

Nach einer knappen halben Stunde kamen wir auch schon am besagten Ort an. Wir mussten hier richtig sein, denn es schien alles so vertraut, auch wenn sich meine Erinnerung komplett von dem, was ich sah, unterschied.

In der Ferne erblickte ich eine alte, verlassene Hütte. Das musste es sein. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch packte ich Jimin an der Hand und zog ihn mit. "Wenn ich sage renn, dann bitte tu es einfach, okay?" Hastig nickte er, sagte aber kein Wort mehr. Er schien ziemlich Angst zu haben.

Aber jetzt würde alles wieder gut werden. Wir hatten das Heilmittel und noch genügend Zeit übrig. Es würde alles gut werden.

hunted || taegiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt