Das Angebot

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Die beiden Professoren redeten nicht lange um den heißen Brei herum. Lupin erklärte, er hätte sich gezwungen gefühlt, Dumbledore von meinem Irrwicht in Kenntnis zu setzen.

„Du fragst dich bestimmt, weshalb wir dich erst so spät um ein Gespräch bitte", meinte Lupin. „Nun, ich wollte Sie erst ein wenig beobachten und habe auch ein paar Kleinigkeiten mit Mister Potter zu besprechen gehabt. Ich hoffe, ich habe Sie jetzt nicht unnötig in Besorgnis gesetzt."

„Nein", sagte ich und wappnete mich für ein ungemütliches Gespräch.
„Nun Alecto, Sie scheinen noch sehr an Ihrem Vater zu hängen, richtig?", begann Dumbledore sanft.
„Das geht Sie nichts an", meinte ich trotzig und ging in eine abwehrende Körperhaltung.

Dumbledore und Lupin sahen sich kurz an, dann lehnte sie Dumbledore lächelnd vor und sprach weiter: „Dies ist gut so, ein Kind sollte seine Eltern nicht einfach so vergessen. Du hast viel durchgemacht Alecto und keiner wirft dir vor, dem Vater und der Mutter hinterherzutrauern."

„Auf was wollen Sie hinaus?" Harry war bestimmt nicht so unfreundlich geworden, obwohl er vielleicht ebenfalls auf seine Eltern angesprochen worden war. Ich verzog das Gesicht, als mir auffiel, dass ich mich gerade eben mit Vaters Mörder verglichen hatte.
Ohne ihn würde ich hier erst gar nicht sitzen müssen ...

„Vermutlich können Sie sich nicht mehr erinnern, aber ich arbeitete seinerzeit beim Orden des Phoenix", meinte Lupin mit weicher Stimme. Die Männer behandelten mich, als wäre ich ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen könnte.

„Ich erinnere mich sehr wohl daran. Damit Sie es genau wissen, ich kann mich eigentlich an den ganzen Tag noch recht gut erinnern. An Alice und Frank, Nevilles Eltern, Shacklebolt und viele mehr. Sie waren an diesem Tag und dem nächsten besonders ruhig und traurig, Professor Lupin." Der letzte Satz war mir einfach so herausgerutscht. Wenn Emm hören würde, wie ich gerade mit einem Professor gesprochen hätte, würde sie bestimmt ausflippen.

Die Männer sahen sich kurz an, dann nickte Lupin unmerklich und Dumbledore klärte in vorsichtiger Tonlage: „Professor Lupin war sehr gut mit Harrys Eltern, Lily und James befreundet, die in dieser Nacht verstorben waren. Am Tag der Versammlung hatte Professor Lupin ebenfalls mit dem Verlust seiner Freunde Alice und Frank Longbottom zu kämpfen."
„Oh." Was sollte ich darauf antworten? Dass es mir leid tat, dass Lily und James von meinem Vater ermordet wurden? Dass ich mich freute, dass Harry dabei meinen Vater umgebracht hatte und so nicht sterben musste?

Ein unwohles Gefühl breitete sich in meiner Magengrube aus. Zornestränen wollten sich den Weg nach oben bahnen, aber ich schob alles weit nach hinten und setzte eine emotionslose Maske auf. So gut es eben ging. Keinesfalls durfte ich jetzt die beiseite geschobenen Emotionen der letzten Monate herauslassen.

„Sie müssen sich keine Vorwürfe machen", meinte Dumbledore. Er sah mit leicht besorgtem Gesicht zu mir herab. „Niemand gibt Ihnen die Schuld."
„Und deswegen weiß auch so gut wie keiner von meiner Existenz, schon klar." Wieso klang meine Stimme jetzt so, wie die eines trotzigen Kleinkinds?
„Alecto, das ist etwas anderes. Natürlich gibt es auch intolerante Menschen, die Schuldige suchen, aber die meisten Menschen würden Ihnen keine Schuld geben", meinte Lupin.

„Was erwarten Sie sich von diesem Gespräch?" Meine Stimme klang schon fester. Ich straffte die Schultern und atmete den Frust mit einem festen Atemzug hinaus.
„Wir möchten Ihnen ein Angebot machen", meinte Dumbledore. „Ich habe leider nicht allzuviel Zeit, aber Professor Lupin könnte sich immer wieder eine Stunde Zeit nehmen, um Ihnen all Ihre Fragen zu beantworten."
„Was für Fragen?"
„Alle die Sie haben", sagte Lupin. „Ich werde versuchen, alle zu beantworten und könnte Ihnen auch noch privaten Verteidigungsunterricht geben."

Die beiden Männer sahen mich freundlich an. Ich konnte nicht wirklich glauben, dass sie dieses Angebot ernst meinten. Oder zumindest war ich mir sicher, dass das ganze einen Haken hatte. Niemals würde sich Professor Lupin ohne irgendwelchen geheimen Anweisungen von Dumbledore Zeit nehmen, der Tochter seines Erzfeindes Einzelunterricht zu geben.

„Du könntest es dir auch für's erste einmal nur anschauen und darfst natürlich jederzeit aussteigen", versuchte Lupin die Sache noch schöner zu reden.
„Weiß Emm davon?"
„Nein, aber ich würde Emmeline in Kenntnis setzen, würden Sie das Angebot annehmen."
Natürlich würde Dumbledore Emm alles brühwarm erzählen. So, wie sie bestimmt auch jeden Streit, jedes verweigerte Frühstück und alle Toilettengänge von mir weitererzählt hatte.
„Ich stimme zu, wenn ich jederzeit abbrechen kann und nur das machen muss, was ich wirklich möchte."
„Natürlich." Auf Lupins Gesicht hatte sich ein breites Lächeln gebildet. Dumbledore nickte zustimmend, er schien ebenfalls erleichtert zu sein. Was auch immer er sich aus diesen Gesprächen erhoffte.

Die Sache mit den Jungs ließ mich auch den restlichen Tag nicht los, und so ging ich ganz spontan auf Draco zu, als er mit Crabbe und Goyle aus der großen Halle marschierte. Er bemerkte mich erst, als ich ihm auf die Schulter klopfte.
„Oh, Alecto."
„Sollen wir vorgehen, Malfoy", fragte Goyle stellvertretend für Blaise, Pansy und Millicent. Alle waren in der Eingangshalle stehen geblieben und blockierten den nächsten Schülern den Ausgang. Besonders Pansy sah mich von Kopf bis Fuß intensiv an. 
„Ja, geht einfach los", meinte Draco und verscheuchte seine Freunde mit einer Handbewegung, als wären sie lästige Fliegen. Er war immer schon so höflich gewesen.

„Was willst du?", fragte mich Draco mit zusammengezogenen Augenbrauen. Wir setzten uns auf eine steinerne Bank, etwas abseits des Gedränges. Draco schien nicht sonderlich begeistert, mit mir hier zu sein.
„Hat uns Pansy dieses Mal sicher nicht wieder verfolgt?", fragte ich grinsend. Draco verzog keine Miene, ich verdrehte die Augen.
Dann eben gleich zum Punkt: „Ich wollte mit dir reden, nachdem du seit den Sommerferien einen riesigen Bogen um mich machst."

Ich weiß nicht, woher dieser Mut kam. Vielleicht, weil ich endlich verstanden hatte, dass ich so nicht weitermachen konnte. Nicht mit all diesen unbeantworteten Fragen.
Draco schwieg längere Zeit, dann rutschte er noch ein Stück weg und sagte: „Meine Eltern haben es herausgefunden."
Eine grelle Mädchenstimme lachte bis zu uns hinüber. Eine schwere Holztür knallte irgendwo zu. Mir blieb die Luft im Hals stecken, während Draco betreten zu Boden schaute. Er zeichnete Kreise mit den teuren schwarzen Lackschuhen. Die Sohle quietschte unangenehm laut über den Steinboden.

„Was-" würde es noch etwas bringen, die Unwissende zu spielen? Sollte ich zu Dumbledore? Würden mich die Malfoys jetzt verraten? Oder gleich in der Nacht aufsuchen, und mich umbringen? Was sollte ich um Merlins Willen tun?
Meine Finger suchten zitternd meinen Zauberstab.
„Ich muss jetzt gehen", meinte Draco und stand eilig auf. „Du kannst von Glück reden, dass wir dein Geheimnis gelüftet haben und niemand anderes."
Als er um die Ecke bog, sah ich Dracos schmerzverzerrtes Gesicht.

Die Tochter des dunklen Lords (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt