Sag mir, dass du nichts für mich fühlst

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Es war 3 Uhr nachts, als Lu den sturzbetrunkenen Elyas die Treppe zu seiner Wohnung hochzog und ihn dann in sein Bett legte. Elyas lallte kaum verständlich: „Jetzt weiss ich, warum die kleine Schlampe nicht mit mir ausgehen wollte. Die fickt meinen kleinen Bruder!" Lu war noch ziemlich nüchtern und rollte mit seinen Augen, aber legte dann seine Hand auf Elyas Schulter: „Tu bitte nichts Unüberlegtes, OK? Er kann nichts dafür." Elyas lachte nur, schloss seine Augen und schlief fast augenblicklich ein.

Am nächsten Tag erwachte Elyas mit stechenden Kopfschmerzen und als er sich langsam aufsetzte, spürte er einen Brechreiz aufsteigen. Schnell rannte er ins Bad und übergab sich mehrmals. Als er über der Kloschüssel hing, stiegen abermals Tränen in seine Augen und er war verzweifelter denn je. Lu hatte Recht: Es war nicht Josephs Schuld. Jedem Anderen hätte er eine runtergehauen, aber Joseph würde ihn nie mit Absicht verletzen. Lena hätte es ihm sagen sollen. Oder... konnte es sein, dass sie es gar nicht wusste? Joseph spielte sich nie als Bruder des so bekannten Elyas auf. Ihm war das sogar unangenehm, wenn er nur deswegen angesprochen wurde. Ähnlich sahen sie sich ja auch nicht. Umso länger er darüber nachdachte, war er sogar sicher, dass Lena nicht wusste, dass Joseph und Elyas Brüder waren. Einerseits beruhigte ihn diese Ansicht, andererseits löste das nicht seine Probleme.

Nach einer langen heissen Dusche setzte sich Elyas mit einer Flasche Mineralwasser aufs Sofa und massierte seine Schläfen in der Hoffnung, dass die Kopfschmerzen aufhören würden. Aber der Presslufthammer in seiner Stirn wollte auch nach drei Aspirin nicht verschwinden. Körperlich und seelisch leidend starrte er auf seinen Flatscreen-TV und tippte nervös auf seinem Handy herum. Sollte er es den Beiden sagen? Würde es etwas ändern? Insgeheim hoffte er, dass Joseph ihm kampflos Lena überlassen würde, wenn er die Wahrheit wüsste. Oder besass Elyas einfach nur zu viel Fantasie?

Am späten Nachmittag fühlte sich Elyas endlich gut genug, um feste Nahrung zu sich zu nehmen und nachdem er ein paar Rühreier und Toastbrot im Magen hatte, verliess er seine Wohnung um einen Spaziergang zu machen. Er setzte seine Kopfhörer auf und drehte die Lautstärke so hoch, dass die Kopfschmerzen zurückkommen wollten. Er ging langsam durch die Strassen seines geliebten Münchens und fühlte sich matt und zittrig. Jedes Mal wenn er ein Pärchen sah, das glücklich Händchen hielt oder sich küsste, schien sich ein heisses Messer in seine Brust zu bohren. Warum konnte er das nicht haben?

Ein paar Minuten später stand er plötzlich vor Lenas Wohnung und konnte sich noch nicht einmal erinnern, wie er hierher gekommen war. Ihre Wohnung war mindestens eine Stunde zu Fuss von seiner entfernt. War er wirklich schon so lange unterwegs gewesen? Genau in diesem Moment kam eine ältere Frau aus der Tür zum Hausflur und er sprang schnell die 2 Stufen hoch um für sie die Tür aufzuhalten. Sie bedankte sich mit: „Vielen Dank! Ich wusste gar nicht, dass es heute noch junge Männer gibt, die so höflich sind." Er nickte und sagte: „Gern geschehen!" Die alte Frau war schon lange um die Ecke gebogen, aber noch immer stand Elyas in der offenen Tür. Er überlegte lange, aber er wollte Lena einfach sehen, er musste sie sehen. Deswegen ging er in den Hausflur und in den 3. Stock zu ihrer Wohnung.

Lange stand er vor ihrer Tür, bis er endlich entschied zu klingeln. Sofort hörte er ihre Schritte und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er war sich sicher, dass sie zuerst durch den Spion geguckt hatte, aber dann doch die Tür nur einen Spalt weit öffnete. „Was willst du hier?" fragte sie genervt. Elyas drückte vorsichtig die Tür auf und ging in die Wohnung. Er guckte sie mit seinen funkelnden Augen an und fragte: „Was hat er, was ich nicht habe?" Sie riss die Augen auf und atmete tief vor Schock ein. Sie stotterte: „Wo.. woher weisst du das?" Er schluckte: „Ich weiss es halt. Sags mir, was hat er, was ich nicht habe? Was mache ich falsch? Warum lässt du dich nicht auf mich ein?" Als er diese Worte sprach, umfasste er ihre Oberarme. Zuerst zuckte sie zusammen und spürte Angst in sich aufsteigen, aber dann bemerkte sie, dass seine Berührung ganz sanft war und dass er sogar mit seinen Daumen leicht über ihre Oberarme strich. Sie guckte zur Seite und meinte: „Elyas, ich kann das nicht so sagen. Es ist einfach passiert. Es tut mir Leid. Ich konnte es dir noch nicht einmal beichten, weil ich dich nicht verletzen wollte." Seine rechte Hand verliess ihren Arm und er umfasste ihr Kinn und schob ihren Kopf so, dass sie ihn angucken musste. Sie starrte in seine dunklen traurigen Augen und atmete schwer. Unkontrolllierbare Hitze stieg in ihr auf und vernebelte ihre Sinne. Elyas sprach ganz leise: „Sag mir, dass du nichts für mich fühlst und dann gehe ich." Lena hatte ein flaues Gefühl im Magen und brachte kein Wort raus. Ihr Kopf war nur Zentimeter von seinem entfernt und sie vernahm seinen so antörnenden Geruch. Seine Lippen näherten sich den ihren und ihre Herzen schlugen in einen rasenden Takt. Sie atmete in schnellen Zügen und plötzlich verschmolzen Elyas und Lena zu einem leidenschaftlichen langen Kuss. Elyas drückte sie gegen die Wand und strich ihre Haare nach hinten. Er liebkoste ihren Hals und Dekollté und zog ihr T-Shirt aus. Sie riss ihm die Lederjacke vom Körper und öffnete gierig die Gürtelschnalle seiner Jeans. Nur Sekunden später befanden sie sich schwitzend und in einem rhtmischen Takt bewegend in ihrem Bett. Immer wieder wurden Elyas Bewegungen langsamer um ihre heissen Lippen zu spüren und um dann wieder etwas wilder den Rhytmus vorzugeben, bis sie stöhnend gemeinsam einen intensiven Orgasmus erlebten.

HoffnungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt