Nicht schlecht!

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Zwei Monate später stieg Elyas mit einer müden und mürrischen Leonie aus dem Flugzeug in Wellington, Neuseeland und wurde am Ausgang von einem Fahrer mit neuseeländischen Dialekt begrüsst. Die Fahrt dauerte über 2 Stunden und führte ins Innere des Landes. Leonie sass auf Elyas Schoss und schlief langsam ein während sie sich an seine Schulter kuschelte. Er starrte mit müden Augen aus dem Fenster und genoss die schöne Landschaft. Die Berge, Flüsse und Seen waren so bezaubernd, magisch und anders als in Europa, dass es ihm ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Und gelächelt hatte Elyas schon sehr lange nicht mehr. Der Schmerz und die Schwere, die auf seinem Herz gelastet hatte, schien sich ein wenig zu lösen und er atmete tief durch.

Als sie endlich ankamen, war auch Elyas eingeschlafen und wurde durch eine sanfte Frauenstimme auf Englisch geweckt: „Hello... aufwachen. Ihr seid angekommen." Elyas guckte sich orientierungslos um und blickte in das Gesicht einer jungen blonden Frau mit gelockten Haaren und grossen blauen Augen. Er rieb sich die Augen und lächelte leicht. „Ich bin übrigens Ava, die Babysitterin. Ich kann die Kleine gleich nehmen, wenn du dich noch ein bisschen hinlegen willst. Du bist Elyas, oder?" sprach sie weiter. Er nickte und rutschte langsam aus dem Auto wobei Leonie aufwachte und sofort zu wimmern anfing. Er guckte etwas skeptisch zu Ava und sagte: „Die hat heute wirklich schlechte Laune. 24 Stunden Flug und die Zeitumstellung hat sie echt fertig gemacht." Ava lächelte: „Nicht so schlimm.... Komm mal zu mir, Swaetheart!" Elyas gab ihr seine weinende Tochter und Ava wiegte sie langsam hin und her. Sofort guckte Leonie die unbekannte Frau an und hörte auf zu weinen, nur ein Schluckauf blieb. „OK, das ist komisch. Sie mag fremde Leute eigentlich nicht besonders und normalerweise bin ich derjenige, der sie beruhigen kann." sagte Elyas überrascht. Ava grinste: „Ich habe den Job aus einem guten Grund bekommen." Dann stockte sie für einen Moment und sagte mit leichtem Akzent auf Deutsch: „Ich spreche auch Deutsch. Ich habe es in der Uni gelernt." Er zückte die Augenbrauen und sprach: „Nicht schlecht!" In diesem Moment wurde er von einem Produktionsassistenten angesprochen, der ihm sein Apartment und den ganzen Wohnkomplex zeigen wollte.

Das ganze Filmteam wurde am Rand einer Kleinstadt in einer grossen Siedlung untergebracht. Jedes Gebäude bestand aus mehreren Wohnungen unterschiedlicher Grösse und überall gab es eine Lobby und eine grosse Küche, wo mehrere Köche jeden Tag für die Filmcrew kochen würden. Ava machte es sich mit Leonie auf dem Sofa der Lobby bequem und fragte einen Koch nach ein paar Früchten für die Kleine. Der Produktionsassistenz führte Elyas zu seinem geräumigen und modernen Apartment, welches aus einer Art Studio und einem zweiten Schlafzimmer für seine Tochter bestand. Es war im Erdgeschoss und hatte riesige Fenster, welche man aufziehen konnte um zu einer Terrasse zu kommen, von wo man eine Aussicht auf eine grüne Wiese hatte, die im Hintergrund von einem Wald abgeschlossen wurde. Der Produktionsassitent fragte: „Ist das OK? Wenn du irgendwas für dich oder deine Tochter brauchst, musst du nur Bescheid sagen. Ava wohnt übrigens gleich nebenan. Sie ist sehr flexibel in ihren Arbeitszeiten und kann sich auch mal nachts um Leonie kümmern. Sie wird von uns sehr gut bezahlt, also mach dir keine Sorgen. Und wenn es irgendwelche Probleme mit ihr gibt, dann sind wir auch die Ansprechpartner. Aber wir haben sie sehr sorgfältig ausgesucht. Sie hat Abschlüsse in Kindererziehung und hat vorher sehr lange in einem Kindergarten gearbeitet." Elyas war so müde, dass er sich sehr auf die Rede konzentrieren musste und sagte: „Nein, es ist alles perfekt, danke!"

In der Tat hatte sich Elyas ein paar Stunden hingelegt, während Ava sich mit Leonie beschäftigte. Es war bereits früher Abend als er wieder aufstand und sich noch halbverschlafen zur Lobby schleppte. Draussen war es noch hell und er sah, wie die Babysitterin mit seiner Tochter auf der Wiese spazieren ging und dabei zärtlich ihre Hand hielt. Er setzte sich an die Bar und bestellte sich einen Whiskey. Zwei Schauspieler, die er sonst nur aus Hollywoodfilmen kannte, gesellten sich zu ihm. Ben fragte: „Du bist Elyas?" Dieser nickte nur und begrüsste ihn mit einem Handschlag. Daraufhin tat Tom das Gleiche. „Und das ist deine Babysitterin? Die ist aber heiss!" sagte Ben. Tom konterte sofort: „Ist die nicht ein bisschen jung? Aber die hat schon was! Guck mal die Titten, einfach perfekt!" Elyas zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, wie alt sie ist. Aber sie scheint gut mit meiner Tochter klar zu kommen... Und selbst wenn ich nicht gerade vor 2 Monaten meine Frau verloren hätte, wäre sie nicht mein Typ. Sie sieht schon nett aus, aber irgendwie fehlt das was." Ben guckte ihn fragend und entrüstet an. Und Elyas überlegte laut: „Ich weiss nicht. Irgendwie strahlen ihre Augen nicht!" Ben sagte lachend: „Du bist aber wählerisch. Na gut, mehr Chancen für mich! Wir haben hier nämlich zu viele Männer am Set und kaum Frauen." Und es stimmte, Avas Augen strahlten in der Tat nicht. Aber das war nicht der Grund, dass Elyas nicht interessiert war. Er war einfach nicht bereit, noch lange nicht und er wollte nicht weiter darüber reden.

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