Was ist passiert?

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Es war 6.00 Uhr morgens, als der Wecker klingelte und ein totmüder Elyas sich stöhnend im Bett herumdrehte. Die bereits einjährige Anika lag auf seinen Füssen und streckte sich als sie merkte, dass Lena gähnend und langsam aus dem Bett kroch. Anika spitzte die Ohren und setzte sich hin und wartete auf die folgenden Worte: „Komm, wir gehen Gassi!" Sofort sprang die weiss-graue Hündin mit langen Beinen und sportlichen Körper aus dem Bett und setzte sich artig vor die Tür, wo sie auf Lena mit der Leine wartete. Diese zog sich schnell eine Jogginghose über und befestigte mit noch halbeschlossenen Augen die pinke Leine an Anikas Halsband. Inzwischen zeigte sich deutlich, dass die Hündin doch kein Mischling war, sondern eher ein sehr athletischer Pitbull, der anscheinend illegal in einem Kellergewölbe gezüchtet worden war. Aber entgegen aller bösen Gerüchte über Kampfhunde, war Anika eine freundliche, soziable, sehr intelligente und artige Hündin. Immer wartete sie auf das Kommando „Komm" um aufzustehen und bei Fuss mit Lena die Treppe hinunterzulaufen.

Nur Minuten später klingelte es Sturm und Elyas öffnete langsam die Augen und versuchte sich zu orientieren. „Och Mann, hat die etwa den Schlüssel vergessen?" sagte er leise vor sich hin und quälte sich aus dem Bett. Er war gestern bis 23.00 Uhr am Set gewesen und konnte erst spät einschlafen; mehr als 5 Stunden Schlaf hatte er definitiv nicht bekommen und schon 7.00 Uhr kam das Auto um ihn wieder abzuholen und zum Dreh zu bringen. Als er endlich an der Tür angekommen war, drückte er den Knopf der Gegensprechanlage und sagte mit einer sarkastischen, aber süssen Stimme: „Na Süsse, Schlüssel vergessen?" Elyas konnte Lena nicht böse sein, zu sehr liebte er sie und genoss es, jede freie Sekunde seines Lebens mit ihr zu verbringen. Gerade als er auf den Knopf drücken wollte, um die Tür zu öffnen, kam neben dem Rauschen eine unbekannte Männerstimme zu Wort: „Ähm, entschuldigen Sie, Herr.. ähm, ihre Frau oder Freundin ist hier gerade umgekippt. Können Sie bitte schnell runterkommen?" Elyas Herz blieb vor Schreck stehen und stotterte in das Mikrofon: „Ich komme sofort!" Er atmete schnell und suchte nach seiner Jeans, die er überziehen konnte. Nur Sekunden später stolperte er mit nacktem Oberkörper und besorgten Gesichtsausdruck die Treppe herunter.

Als er die Tür nach draussen aufriss, standen ein Pärchen und noch eine weitere Frau um Lena herum, die blass an der Hauswand sass. Anika sass winselnd und nervös daneben und stupste immer wieder mit der Schnauze an Lenas Arm. „Lena, was ist denn los? Was ist passiert?" frage Elyas panisch. Sie guckte ihn mit unruhigen Augen an, atmete tief ein und sagte leise: „Keine Ahnung, mein Kreislauf ist zusammengebrochen, einfach so... Aber es geht gleich wieder!" Sie versuchte sich aufzurappeln, aber ihr wurde schwindelig und liess sich wieder nach hinten fallen. „Sollen wir einen Krankenwagen rufen?" fragte der Mann. „Nein, nein, ich bin selber Ärztin, ich brauche nur einen Moment!" rief Lena sofort und schaffte es beim zweiten Versuch aufzustehen, aber wankte hin und her. Elyas griff sofort nach ihr und gab ihr Halt. Er nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich, während er zu den Helfern sagte: „Vielen Dank, dass sie ihr geholfen haben. Wir fahren gleich ins Krankenhaus. Wenn ich irgendwas für sie tun kann..." Alle schüttelten sofort den Kopf: „Nein, nein, gern geschehen! Passen Sie gut auf sie auf!" Elyas nickte und lächelte leicht: „Das mache ich, versprochen!"

Elyas half Lena die Treppe nach oben und setzte sie auf das Sofa, legte ihre Beine hoch und brachte ihr einen frisch gepressten Orangensaft. Sie trank in langsamen Schlucken und hörte genau auf ihr Herz. Alles schien ganz normal und nur Minuten später kam die Farbe zurück in ihr Gesicht. Elyas spürte noch immer diesen drückenden Schmerz in seinem Brustkorb und fragte besorgt, während er vorsichtig durch Lenas Gesicht strich: „Geht's wieder?" Sie nickte und lächelte ihn an. Er küsste sie sanft und legte seinen Kopf auf ihre Schulter: „Mann, du hast mir wirklich einen Schrecken eingejagt! Du bist doch sonst nie krank! Ich bringe dich nachher gleich zu einem Arzt!" Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und guckte in seinen dunklen Augen und sprach beruhigend: „Quatsch, das passiert halt! Mir geht es wieder super. Vielleicht habe ich gestern zu wenig getrunken oder es ist der Stress. Mach dir keine Sorgen!" Er drückte sie fest an sich und noch immer zitterte er innerlich: „Nein, echt, ich sage denen Bescheid, dass ich später ans Set komme und fahre dich zum Arzt." Lena wurde unruhig und sagte: „Jetzt hör auf! Ich muss eh gleich ins Krankenhaus um zu arbeiten. Ich kann mich ja dort kurz durchchecken lassen. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass es nichts ist, WIRKLICH!" Elyas versuchte sich ein Lächeln aufzuzwingen und sagte dann: „Versprochen, dass du dich untersuchen lässt? ... Aber ich fahre dich! Ist doch egal, wenn ich ein bisschen später ans Set komme!" Nichts im Leben war Elyas wichtiger als Lena; ein Leben ohne sie war für ihn inzwischen unvorstellbar.

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