Inzwischen waren Elyas und Leonie schon 4 Monate in Neuseeland und endlich hatte die Kleine ein paar mehr Wörter gelernt und zwar auf Englisch. Am Frühstückstisch konnte sie nach „Eggs, Bagels und Cereals" fragen und ständig rief sie nach ihrem „Teddybear". Elyas war so stolz auf sie und strahlte bei jedem neuen Wort über beide Ohren. Die Wochenende über verbrachte er viel Zeit mit ihr und sie erkundeten neue Spielplätze, Seen oder Flüsse, wo man Picknicks machen konnte. Fast immer kam Ava mit und genoss dieses Beisammensein. Für sie waren es Familienausflüge, die sie selber nie erleben durfte. Und jeden Abend verabschiedeten sie sich mit einer Umarmung und einem Kuss auf die Wange voneinander. Elyas fühlte sich in ihrer Gegenwart wie ein anderer Mensch, er war wieder glücklich und ausgelassen. Er spürte ihre Wärme und Liebe und fühlte sich geborgen, aber diese Gefühle konnte er nicht definieren. Ava hatte sich schon vor langer Zeit in Elyas verliebt, aber sie zeigte es ihm nicht, denn sie wusste, dass er sich so schnell nicht auf eine andere Frau einlassen würde. Aber fast jede Nacht träumte sie von ihm, wie er sie küssen, anfassen und liebkosen würde und dabei wurde ihr Herzschlag schneller und diese gewisse Kribbeln tauchte in ihrer Bauchgegend auf.
Es war an einem Samstagnachmittag als Elyas Ava fragte: „Würde es dir etwas ausmachen, heute Nacht auf Leonie aufzupassen. Der Produzent hat Geburtstag und macht eine Riesenparty und ich werde wohl etwas trinken und da wäre es mir lieber, wenn sie bei dir schläft." Ava lächelte: „Nein, kein Problem. Das mache ich gerne." In der Tat hatte sie kein Interesse an der Party teilzunehmen, nicht nach dem Vorfall mit Ben. Daher setzte sie sich am Abend mit Leonie auf dem Schoss auf das Sofa ihres Apartments, warf ‚König der Löwen' in den DVD-Player und teilte sich eine Schüssel getrocknete Früchte mit ihrem Schützling.
Am nächsten Morgen stand Ava so früh auf, dass sogar Leonie noch schlief. Die ganze Nacht hatte sie nicht gut schlafen können, sie hatte Albträume, die gleichen, die sie fast immer quälten. Sie rieb sich durchs Gesicht und seufzte. Sie machte sich fertig und als sie angezogen war, meldete sich auch Leonie zu Wort. Ava war erleichtert, endlich etwas tun zu können und nicht mehr in ihren dunklen Gedanken gefanden zu sein. Schnell nahm sie die Kleine aus ihrem Bett und zog sie an um mit ihr frühstücken zu gehen. Aber dann sagte sie: „Mist, ich habe dir gestern keine frischen Socken mitgenommen... Naja, nicht so schlimm. Wir schleichen uns einfach ganz leise bei dem Papa rein und holen dir welche. Der wird sicher noch tief und fest schlafen." Wie immer war Elyas Tür unverschlossen und vorsichtig betätigte Ava die Türklinke und ging auf Zehenspitzen in seine Wohnung. Bevor sie in das Kinderzimmer schlich, warf sie einen kurzen Blick zu Elyas Bett und plötzlich blieb ihr Herz stehen. Er lag dort nicht alleine, sondern neben ihm war eine dunkelhaarige Frau, die sich eng an ihn kuschelte. Es war als ob jemand ihr einen Eimer eiskaltes Wasser über ihren Kopf gekippt hatte. Sie guckte noch einmal genauer hin und erkannte das Gesicht der Frau: es war Dana, die Maskenbildnerin. Ava nahm einen tiefen Atemzug und ihre Sicht war durch die aufsteigenden Tränen so verschwommen, dass sie ausversehen gegen eine Stehlampe stiess und somit ein lautes Geräusch verursachte. Sofort wachte Elyas auf und guckte in ihre Richtung. Er riss die Augen auf und guckte sie erschrocken an. Schnell drehte sie sich um und lief ohne ein Wort zu sagen aus dem Apartment.
Beim Frühstück liefen ihre grosse Tränen über die Wangen und sie fühlte sich betrogen. Wie konnte er nur mit dieser Frau schlafen und sie so ignorieren. Was hatte diese dumme Tussi, was sie nicht hatte? Immer wieder strich sie die Tränen weg, aber als Elyas um die Ecke bog, sah er deutlich, dass etwas nicht stimmte. Sofort kam er zu ihr und sagte: „OK, du schleichst dich am Morgen ungefragt in meine Wohnung, siehst mich dann mit einer Frau und jetzt tust du so, als ob ich dir seit Jahren fremdgehe. Was ist hier los?" In Avas Kopf explodierte etwas und sie zitterte vor Emotionen. Sie guckte sich um und realisierte, dass mindestens 15 Leute des Filmteams die Szene bereits verfolgten. Daher stand sie einfach auf und lief davon, während sie Leonie in ihrem Kindersitz liess. Elyas kam ihr hinterher und im Gang fasste er an ihren Oberarm und riss sie herum: „Ich habe dich etwas gefragt: Was ist dein Problem?" Ihr Gesicht verzog sich zu einer weinenden Grimasse und sie schrie kaum verständlich: „Ist das der Grund, warum ich auf Leonie aufpassen sollte? Damit du mit dieser billigen Schlampe schlafen kannst? Die ist nicht gut für dich und erst recht nicht für deine Tochter!" Elyas Augen wurden zu bösen Schlitzen und er fauchte zurück: „Wer bist du denn, dass du mir sagen kannst, wer gut für mich ist? Mann, das war nur Sex, einfach nur Sex, verstehst du? Mal an was anderes denken und Spass haben. Und genau deswegen solltest du auf Leonie aufpassen. Und du bist nur mein Babysitter, du hast mir gar nichts zu sagen!" Ava schluchzte laut, hielt sich die Hand vor den Mund, nickte und sagte: „Und ich dachte, du wärst anders als die Anderen. Aber du bist am Ende doch nur ein schwanzgesteuerter Idiot, der einfach nichts merkt! Ich verstehe schon!" Schnell drehte sie sich um und rannte in ihr Apartment.