Ava war gerade fertig genäht und verbunden, als eine Schwester ins Zimmer gelaufen kam und fragte: „Sind sie mit dem gutaussehenden dunkelhaarigen Mann hier? Er ist gerade umgekippt!" Avas Herz stockte für einen Moment, riss ihre Augen auf und sprang sofort von der Liege um der Schwester zu folgen. Im Wartezimmer knieten bereits ein Arzt und zwei Schwestern neben Elyas und legten ihm einen Zugang um ihm Ringerlösung zu geben. Ava liess sich neben ihn fallen, hielt seine Hand und rief seinen Namen. Seine Augen zitterten und für einen Moment öffneten sie sich und er sprach stöhnend: „Das Mädchen! Die Kleine!" Ava rief panisch: „Elyas, was? Du machst keinen Sinn? Welches Mädchen?" Er keuchte und hustete und sprach ganz leise: „Leonie... die mit dem Bienenstich!" Danach fielen seine Augen wieder zu und sein Kopf rollte zur Seite. Ava wurde weggeschubst, damit der Arzt Platz hatte um Elyas zu behandeln und sie guckte sich fragend um. Eine Schwester meinte: „Da ist gerade ein 18-Monate altes Mädchen von ihren Eltern eingeliefert worden, die eine allergische Reaktion auf Bienen hat. Meint er sie?" Ava erinnerte sich sofort an Leonies Allergie und rief: „Wo ist sie?" Die Schwester guckte sie erschrocken an: „Warum?" Nun wurde Ava böse, sie spürte eine heisse Wut in ihr aufsteigen und schrie: „Wo ist sie? Ich will sie sehen!"
Elyas fühlte kalten Schweiss überall auf seiner Haut und er schnappte nach Luft, als er langsam aufwachte. Er spürte einen Brechreiz aufsteigen und schluckte mehrmals um ihn zu unterdrücken. Er atmete laut und tief und spürte, wie Ava nach seiner Hand griff. Er umfasste sie und schien daran Halt zu finden. Er öffnete seine Augen, aber alles drehte sich und er bekam kein klares Bild. Avas Hand strich vorsichtig durch sein Gesicht und ihre Stimme war leicht und fröhlich: „Hey Baby, entspann dich! Die sagen, du hast dich gestern unterkühlt oder so. Keine Ahnung, wie, aber du hast recht hohes Fieber, aber alles ist unter Kontrolle. Und wir sind hier und passen auf dich auf!" Elyas war so schwach, dass sein Kopf hin und herwippte, aber er wiederholte die Worte in seinem Kopf: „Wir sind hier!... Wer ist ‚wir'?" Plötzlich erklang eine Kinderstimme und rief glücklich: „Papa!" Sein Herz schlug auf einmal doppelt so schnell, denn das war definitiv Leonie. Er kämpfte mit seinen Augen und versuchte etwas zu erkennen. Er rieb sich panisch durchs Gesicht und griff mehrmals ins Leere, bis er endlich eine kleine Kinderhand erwischte. Noch immer konnte er nicht klar sehen, aber er fragte keuchend: „Ist das wirklich Leonie? Süsse, bist du das? Mein Prinzessin, bist du zurück?" Die Kleine krabbelte auf Elyas Bett und umarmte ihn. Er vernahm ihren Geruch, die zierlichen Armen und die lockigen Haaren und war sich sicher, dass es seine Tochter war. Und Ava sagte: „Du hattest Recht, das Mädchen mit dem Bienenstich war Leonie. Sie haben ihr sofort ein Gegenmittel gegeben und alles ist OK. Ihr geht es super. Sie ist topfit!" Elyas stotterte: „Aber...d ie Eltern... ich meinte, das Paar... sie haben gesagt, es war ihre Tochter.... warum? Haben die nicht gesehen, dass wir sie gesucht haben? Warum war sie so lange bei ihnen?" Ava steckte ihre Finger zwischen die von Elyas und küsste zärtlich seine Hand. Inzwischen konnte er endlich deutlich sehen und erblickte Avas leicht skeptischen Blick. Dann sagte sie vorsichtig: „Naja, also, was ich von der Polizei weiss, ist Folgendes: Sie haben Leonie kurz nach dem Überfall im Wald gefunden und sie mitgenommen, weil sie nicht wussten, wohin sie gehörte. Aber... dieses Paar hatte sich schon seit langem Kinder gewünscht und konnte selbst keine haben. Sie dachten, sie wäre eine Art Wunder. Die Frau hat sich sofort in sie verliebt und auch als sie die Vermisstenanzeigen sahen, wollte sie Leonie nicht wieder hergeben. Sie haben sie einfach behalten und sich sehr gut um sie gekümmert. Sie wollten nichts Böses. Sie konnten ja nicht wissen, wie sehr wir gelitten haben. Naja, jetzt werden sie angezeigt wegen Kindesentführung." Elyas schüttelte ungläubig den Kopf: „Aber sie ist doch meine Tochter, sie gehört zu mir. Warum haben sie sie behalten? Das geht doch nicht!" Ava lächelte und weinte zugleich: „Ich weiss, ich weiss, das war nicht richtig. Sie waren halt so verzweifelt. Aber jetzt ist sie zurück, bei uns, für immer!" Inzwischen war Leonie unter die Decke von Elyas geschlüpft und kuschelte sich an seinen warmen Oberkörper. Er guckte in ihr fröhlich strahlendes Gesicht und Tränen der Freude liefen über seine Wangen. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass sie wieder bei ihm war und seine Augen rutschen nervös hin und her. Ava griff in sein dunkles volles Haar und hielt ihn so fest: „Hey, ganz ruhig. Es ist doch alles wieder gut!" Ihr Gesicht näherte sich dem Seinen und langsam berührten sich ihre Lippen. Sie küssten sich, lange, zärtlich, leidenschaftlich, gierig und liebevoll zugleich.