Am Abend war Lena immernoch im Krankenhaus und setzte sich nach dem Abendbrot noch ein bisschen mit den Kleinen ins Spielzimmer und richtete ein Barbiehaus mit einem 6-jährigen Mädchen ein. Plötzlich klopfte es an der Tür und sie drehte sich um und sagte mit erstauntem Blick: „Elyas! Was machst du denn hier? Du solltest im Bett bleiben!" Elyas grinste: „Mir war langweilig und da dachte ich, ich baue mal eine Legoburg mit den Kleinen oder so." Sie guckte ihn fragend an: „Hast du keine Schmerzen?" Er kniete sich ganz langsam auf den Boden und versuchte sein schmerzverzehrtes Gesicht zu verstecken, indem er in die andere Richtung guckte und meinte: „Nö!" Lena nickte und musste sich das Lachen verkneifen. Natürlich war er nur wegen ihr hier und das wusste sie auch, aber sie fand es süss und die Kinder freuten sich über Elyas und versammelten sich um ihn und schleppten sofort die Legosteine an.
Als der Sandmann im Fernseher des Spielezimmers lief, setzten sich alle Kinder sofort auf das Sofa oder die Sitzkissen und starrten gespannt auf den Bildschirm. Auch Elyas setzte sich aufs Sofa und Lena daneben auf die Sofalehne. „Ich habe mir früher immer die Augen zugehalten, als der Sand verstreut wurde, weil ich Angst hatte, dass ich müde werde." flüsterte Lena Elyas ins Ohr. Er lächelte sie an und strich vorsichtig mit seinen Fingern über ihren Handrücken. Gänsehaut verbreitete sich auf ihrer Haut und ihr Herz schlug so stark, dass sie Angst hatte, dass er es hören konnte.
Plötzlich hörten sie laute Geräusche und Stimmengewirr im Gang. Elyas wollte gerade aufstehen und nachgucken, als er realisierte, dass er durch seine Schmerzen an der Hüfte wie gelähmt war. Daher guckte er zu Lena, die gerade aufgestanden war und meinte: „OK, du gehst gucken!" Elyas fühlte sich hilflos, denn eigentlich sollte er ja als Mann in solchen Situationen derjenige sein, der guckt, ob alles OK war. Aber in dem Moment, wo sie gerade am Türrahmen stand und in den Gang guckte, kamen drei Männer mit Pistolen und Skimasken in den Raum gestürmt und fassten Lena hart an den Arm und zogen sie in die Mitte des Raumes. Elyas sprang vor Schreck auf und der Adrenalinschub schaffte es, seine Schmerzen zu unterdrücken. „Hey, was soll das?" rief er und bemerkte erst dann, dass 2 der Männer genau auf ihn zielten und der Dritte Lena als Geisel benutzte. Der Grösste der Männer schrie ihn an: „Setzt dich hin und halt die Klappe!" Aber Elyas blieb kerzengerade stehen und guckte in Lena schmerzverzehrtes und panisches Gesicht und er sagte laut: „Lass sie los!" Die Kinder realisierten sofort die Gefahr und versteckten sich in der Ecke des Spielzimmers und machten keinen Laut. Elyas Herz schlug ihm bis zum Hals, aber er wollte etwas machen um Lena zu helfen, daher ging er langsam auf die drei Männer zu. „Du sollst dich hinsetzen. Checkst du nicht, dass wir Waffen haben? Wir schiessen! Geh zurück!" schrie der Mann erneut. Aber Elyas hörte nichts, er sah nur noch Lena, die er befreien musste. Aber einer der Männer schien zu bemerken, dass Elyas sich nur unter grossen Schmerzen bewegen konnte und rannte schnell auf ihn zu und stiess ihn zu Boden. Er fiel genau auf seine Hüfte und beim Aufprall verspürte er einen derart starken Schmerz, dass es ihm den Atem raubte. Er stiess einen Schrei auf und versuchte sich umzudrehen, aber seine Beine gaben nach. Er vernahm wie durch einen Nebel, wie Lena ebenfalls einen Schrei ausstiess, aber alles um ihn herum drehte sich und ihm wurde übel. Lena riss sich vom dem Mann los und kniete sich neben Elyas und nahm seinen Kopf in ihre Hand: „Hey, ganz ruhig. Atme ganz tief durch!" Elyas griff nach ihrer Hand und wurde kreidebleich. Inzwischen hatten die Männer die Tür des Spielzimmers geschlossen und einer stand als Wache davor. Der Grösste sprach laut: „Kann ich euch jetzt endlich erklären, warum wir hier sind?... Gut! Also, mein Kind hat Leukämie und wir warten schon seit Wochen auf einen Knochenmarkspender und da diese Station gerade so oft in den Medien war, dachten wir, wir nutzen die Medienpräsenz mal aus um etwas schneller einen Spender zu finden. Sobald sich ein passender Spender gefunden hat, könnt ihr alle wieder gehen. Ihr braucht auch nicht versuchen, wegzulaufen. Naja, der auf dem Boden wird eh nicht weit kommen. Draussen auf dem Gang sind noch 3 weitere Männer und stellen gerade sicher, dass die ganze Station frei von irgendwelchen Superhelden ist." Während Lena versuchte, Elyas auf das Sofa zu helfen, guckte sie den Mann mit aufgerissenen Augen an und sagte: „Das ist total verrückt! Das können Sie nicht machen. Wie stellen Sie sich das vor? Sie werden in den Knast wandern und das war's. Sie werden nichts weiter erreichen." Die Augen des Manner verwandelten sich zu kleinen wütenden Schlitzen und sagte: „Und wenn ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen werde, ich will einen Spender für meine Tochter. Ich werde ihr Leben retten!" Dann tippte einer der jüngeren Männer auf die Schulter des Anführers und zeigte auf Elyas: „Ist das nicht der Schauspieler? Der, der hierfür Werbung gemacht hat um Spenden zu sammeln!? Das ist doch richtig praktisch. Mit dem hier geht es gleich noch schneller!" Elyas legte die Hand über seine Gesicht und formte seine Lippen zu einem „Fuck!". Auch Lena guckte ihn besorgt an, denn beide wussten, dass er damit gerade zur Hauptzielscheibe geworden ist und dass die Presse sich schon auf eine Riesenstory freute.
