Das ist nicht fair

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Es waren bereits 6 Monate vergangen und Leonie war ihre ersten Schritte gelaufen, was Elyas durch Dreharbeiten verpasst hatte und sich darüber sehr ärgerte. Die Vorbereitungen für Neuseeland liefen auf Hochtouren und Lena hatte dort schon eine Stelle. Und am frühen Morgen kam der stolze Papa mit seiner Prinzessin an der Hand ins Schlafzimmer gelaufen und sagte fröhlich: „Guten Morgen Süsse, ich bin abgedreht. Du hast frei. Was machen wir heute?" Lena hielt sich stöhnend die Hand vor die Augen und rieb sich die Schläfen: „Momentan gar nichts. Ich habe Kopfschmerzen. Lasst mich noch ein paar Stunden schlafen." Elyas setzte sich auf die Bettkante und strich gefühlvoll durch Lenas Haar und guckte sie besorgt an: „Schon wieder? Du hast in letzter Zeit ständig Migräne. Was ist denn los? Lass dich mal durchchecken. Hast du viel Stress auf der Arbeit?" Ganz langsam schüttelte sie ihren Kopf: „Nein, gar nicht." Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte: „Dann schlaf dich aus. Leonie und ich sind dann draussen im Garten und bauen Sandburgen. Es ist ganz tolles Wetter."

Es war fast Mittags als Lena endlich in der Küche erschien und sich etwas zum Essen im Kühlschrank suchte. Elyas kam mit Leonie zu ihr und sagte: „Wenn du noch ein bisschen warten kannst, dann gibt es gleich Mittag. Ich mache uns was Leckeres." Mit tiefen Augenringen schüttelte sie ihren Kopf: „Ich habe keinen grossen Hunger." Sie nahm sich ein Brötchen, die Schinkenpackung und die Margarine und griff nach dem Messer, was auf dem Küchentisch lag. Elyas beobachtete sie ganz genau und sah, wie sie dreimal daneben griff. Er schob das Messer 10 cm weiter nach links und endlich schaffte es Lena, es in die Hand zu nehmen. Geschockt fragte er sie: „Kannst du mir mal bitte sagen, was das war?" Sie rieb sich die Augen und zögerte: „Ich...ich weiss nicht. Es ist alles verschwommen." Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und drehte es zu ihm: „Guck mich an!" Lena versuchte sich zu konzentrieren, aber wusste nicht, welches der drei Gesichter sie fixieren sollte. Sie schluckte und entschied sich für das Mittlere. „Das bin nicht ich, das ist der Kühlschrank!" sagte Elyas fast böse. Schnell sprach er weiter: „Zieh dich an, wir fahren ins Krankenhaus." Beschämt guckte sie nach unten und antwortete mit einem leisen „OK."

Auf dem Weg zum Krankenhaus setzten sie Leonie bei Elyas Mutter ab. Als das Auto durch die schönen Strassen Münchens fuhr, guckte Lena aus dem Fenster und sah noch immer alles drei mal. Ein beklemmendes Gefühl stieg in ihr auf und sie atmete tief ein und aus. Ein grosser Klos setzte sich in ihrem Hals fest und ihre Zähne schlugen leise zitternd aufeinander. Ihre Gedanken kreisten: „Oh Gott, ich bin Ärztin und habe nicht mitbekommen, was in mir vorgeht? Habe das immer als Migräne abgestempelt? Habe ich im Studium geschlafen? Bitte, lass es das nicht sein! Ich bin doch erst 27. Das ist nicht fair!"

Im Krankenhaus wurde Lena von einem Herrn Doktor Hassmann untersucht. „Wie lange haben sie diese Kopfschmerzen schon?" fragte er während er ein Licht in ihre Augen schien. „Migräne habe ich schon mein ganzes Leben lang, aber in den letzten zwei Monaten schon sehr oft. Letzte Woche fast jeden Tag." antwortete Lena schnell. „Und die Schmerzen sind immer an der gleichen Stelle? Und keine Übelkeit? Und seit wann haben sie Sehstörungen?" ging die Fragerei weiter. Lena schluckte: „Ja, in den Schläfen und eigentlich genau hinter den Augen. Nein, übel ist mir nie und verschwommen ist meine Sicht erst seit heute." Der Arzt setzte eine ernste Miene auf und sagte: „Die Sehstörungen machen mir Sorgen. ... Schwester, bringen Sie sie bitte zum Röntgen und gleich danach zum CT." Elyas guckte Lena erschrocken an und sie starrte an die Wand neben ihm. Er wusste, dass sie etwas ahnte und er versuchte herauszufinden, wie schlimm es war.

Es dauerte lange, bis die Röntgenbilder und das CT endlich fertig waren und Elyas wartete alleine im Büro des Doktors mit nervös wippenden Beinen. Seine Hände wurden feucht und sein Herz schlug jede Sekunde schneller. Immer wieder rieb er sich durchs Gesicht und versuchte sich vorszustellen, was Lena haben könnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam erst Lena mit einer Schwester ins Zimmer und kurz danach der Arzt. Dieser heftete die Röntgenbilder an einen Lichtschrank und räusperte sich: „Leider habe ich keine guten Nachrichten."

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