10. April, Markus

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10. April , Markus

„Markus, wartest du mal einen Augenblick?"

Er hielt mit dem Einpacken seiner Unterlagen inne und sah überrascht auf. Frau Manier lächelte ihm zu und verstaute ihre Unterlagen in ihrer Aktentasche, während sich der Klassenraum leerte. Markus setzte sich auf den Tisch und spielte mit einer Packung Kaugummi in seinen Händen. Was mochte sie von ihm wollen?

„Je voudrais te parler quelques minutes."

Noch immer lächelnd ging Frau Manier durch den Raum und schloss die Tür. Markus warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Warum wollte sie mit ihm reden? Er hätte besser gleichablehnen sollen, jetzt war es zu spät. Ein wenig nervös und gleichzeitig mit dem Wunsch, ein wenig zu provozieren, steckte er sich ein Kaugummi in den Mund.

Frau Manier war vor ihm stehen geblieben und lehnte sich an den Nachbartisch. Sie war eine mütterliche Person, schon etwas älter, deren blondes Haar mit grauen Strähnen durchsetzt war. Markus mochte sie eigentlich ganz gerne, aber jetzt war er auf der Hut.

„Alors, tu t'es déjà installé?", ", wollte Frau Manier im Plauderton wissen.

Markus merkte, wie er sich ohne es zu wollen durch das auf Französisch geführte Gespräch ein wenig entspannte. Trotz allem, was passiert war, hing er an Frankreich und durch die letzten acht Jahre, die er dort gelebt hatte, war ihm das Französische zur zweiten Muttersprache geworden. wie er sich dadurch, ohne es zu wollen, ein wenig entspannte. Hatte er sich gut in Berlin eingelebt? Er wollte mit den Schultern zucken, beließ es dann jedoch bei einem neutralen „Hm."

Frau Manier blickte ihn aufmerksam an und ignorierte seine hin und wieder mahlenden Kiefer.

„Den anderen Lehrern ist aufgefallen, dass du dich nie am Unterricht beteiligst." Dass das nur in Französisch anders war, erwähnte sie nicht. „Und wir haben bemerkt, dass du dich in den Pausen immer für dich hältst..."

Sie stoppte und gab ihm Gelegenheit, das zu kommentieren, doch Markus tat ihr den Gefallen nicht. Schweigend sah er zum Fenster hinüber, durch das von draußen das erste Grün einer Buche leuchtete.

„Hast du Ärger mit anderen Schülern?"

Natürlich, das musste ja kommen. Markus sah auf den Boden und schüttelte den Kopf. Er hatte einfach keine Lust, sich mit den verschiedenen Schulfächern zu beschäftigen, mit Klassenkameraden abzuhängen und das missratene Wetter zu ertragen. War ja nicht so, dass sie freiwillig nach Berlin gezogen waren. Das Schweigen dehnte sich aus.

Frau Maniers Stimme wurde sanfter, als sie fortfuhr:

„Deine bisherigen Noten in Bordeaux waren hervorragend. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass du Probleme mit den Unterrichtsthemen hast."

Wo sie recht hat, hat sie recht, dachte Markus mit einer Portion Sarkasmus und wippte ungeduldig mit den Beinen hin und her.

„Du lebst allein bei deiner Mutter, nicht wahr?"

Markus verzog das Gesicht und stöhnte innerlich. Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er versuchte, ihre Worte auszublenden, so wie er es im Unterricht der anderen Lehrer tat. Doch ob es an der französischen Sprache lag oder an etwas anderem, es gelang ihm jetzt nicht, und so bekam er Frau Maniers nachfolgende Worte mit.

„Das ist bestimmt keine leichte Zeit für dich. Aber wenn du die Schule links liegen lässt und dein Abi damit in Gefahr bringst, tust du dir keinen Gefallen damit. Wenn du schon nicht an deine Zukunft denken möchtest, dann versuch doch einfach, die Schule als Ablenkung zu nutzen."

Markus hielt mit dem Kauen inne und sah verstohlen zu seiner Lehrerin hinüber. Ihr Lächeln war einem ernsthaften Blick gewichen, die Hände hatte sie zu beiden Seiten auf dem Tisch abgestützt und sie blickte ihn unverwandt an. Es stimmte, seine mündlichen Noten waren in allen Fächern außer Französisch im Keller; wenn er so weiter machte, konnte er froh sein, wenn es überall für eine Vier im Zeugnis reichte.

„Versuch mal, mehr mitzumachen, okay?"

Markus gab ein Brummen von sich, das man mit etwas Wohlwollen als Zustimmung interpretieren konnte. Frau Manier seufzte leise und entließ ihn in die Pause. Kurz bevor er aus der Tür war, hielt sie ihn dann aber doch noch mal mit einem Satz auf:

„In der Theater-AG ist die Besetzung des Mercucio in Romeo und Julia ausgefallen." Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht. „Das sind einige Kampfszenen mit dem Degen. Wäre das nicht vielleicht etwas für dich?"

Was für ein Scheiß, dachte Markus, es klang, als würde er sich gern prügeln. Allerdings hatte er in Frankreich auch im Schultheater gespielt, das wusste sie vielleicht. „On verra", gab er unverbindlich zurück und verdrückte sich schließlich schnell in den Flur, ihren nachdenklichen Blick noch im Rücken spürend.

* mal sehen

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Schön, dass ihr weitergelesen habt.

Haltet ihr es eigentlich für unrealistisch, wie sich Frau Manier verhält? Kommt sie besorgt oder eher unangenehm neugierig rüber?

Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt