31. Juli, Susanne

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31. Juli, Susanne

Maike stand vor dem Freibad, hatte die Sporttasche am Arm hängen und sah mit einem etwas verloren wirkenden Gesichtsausdruck auf die Hecke, die das Freibad einfasste. Zügig fuhr Susanne auf sie zu und sprang direkt vor ihr vom Fahrrad. Maike zuckte zusammen und sah auf, aber statt nach einer Schrecksekunde zu lachen, bekam ihr Gesicht einen leicht vorwurfsvollen Ausdruck.

„Das wird aber auch Zeit!", seufzte sie und schob den Riemen ihrer Tasche auf die andere Schulterseite.

Erschrocken sah Susanne auf ihre Uhr. „Wieso, ist doch erst zwei Minuten nach 3.00 Uhr", verteidigte sie sich dann.

Maike rollte mit den Augen.

„Dass wir uns treffen, du Nuss! Seitdem du mit deinem Markus zusammen bist, hast du gar keine Zeit mehr."

Abrupt drehte sie sich um und trat ein paar Schritte auf das Kassenhäuschen zu, um zu bezahlen. Betroffen eilte Susanne ihrer Freundin hinterher.

„Tut mir leid", entschuldigte sie sich nach dem Bezahlen zerknirscht. „Das ist nicht bös gemeint."

Sie lächelte versonnen, seufzte kurz darauf und senkte schließlich schuldbewusst den Blick, als sie am Planschbecken vorbei zur Liegewiese hinüberschlenderten.

„Es ist nur... als hätte ich mein ganzes Leben auf ihn gewartet und jetzt kann ich gar nicht genug Zeit mit ihm verbringen", versuchte sie ihrer Freundin ihre Gefühle begreiflich zu machen. Denn immer wenn sie sich von Markus verabschiedete, konnte sie das nächste Treffen mit ihm kaum erwarten.

„Er hat dir ja mächtig den Kopf verdreht", kommentierte Maike, aber es klang versöhnlich. Sie suchten sich einen freien Platz in der Nähe des Volleyballfeldes und Sprungturmes und breiteten ihre Handtücher aus. Die Wärme kroch in Susannes Wangen, als sie zugab:

„Er ist total liebevoll und aufmerksam und auch lustig. Und wir mögen das Gleiche: Radfahren, Theater, in der Natur sein..."

Susanne genoss einfach jede Minute in seiner Gegenwart. Verlegen blickte sie in die Ferne, ohne wahrzunehmen, dass ein paar jüngere Schulkinder darum stritten, wer zuerst am Volleyballfeld gewesen war und nun dort spielen dürfe. Sie fühlte sich derzeit wie im siebten Himmel und alles andere trat dahinter zurück.

„Wir können einfach über alles reden...", schwärmte sie und verdrängte dabei bequemerweise, dass ein Thema stets unter Verschluss blieb. Sie warf ihrer Freundin einen kurzen Blick zu, aber diese hatte die Knie aufgestellt, die Arme nach hinten gestemmt und hörte mit einem milden Lächeln zu.

„Markus fotografiert total gern, und ich komme oft einfach mit und begleite ihn dabei", fuhr Susanne fort und dachte an den gestrigen gemeinsamen Ausflug in den Glienicker Park. Es war einfach schön, in seiner Nähe zu sein, auch wenn sie nicht so viel dabei redeten.

„Stell dir vor, er hat sogar Lust, mit mir im Herbst gemeinsam einen Tanzkurs zu besuchen", ergänzte Susanne und die Begeisterung hob ihre Mundwinkel noch mehr als sie es ohnehin schon waren.

„Ja, ja, die Liebe...", spöttelte Maike gutmütig und zog sich das T-Shirt über den Kopf. Dann zog sie die Sonnencreme hervor und schraubte sie auf. Susanne tauchte von ihren verliebten Momenten zurück in die Gegenwart und bot rasch an:

„Soll ich dich eincremen?"

Maike ließ ein zustimmendes Murmeln hören und während Susanne ihr die Sonnenmilch auf den Rücken schmierte, wies Maike mit dem Zeigefinger auf den Turm, an dem gerade das Fünfmeterbrett geöffnet worden war. Susanne sah hoch und gewahrte gerade noch, wie jemand elegant ohne viele Spritzer ins Wasser eintauchte.

„Der andere kann's auch", ergänzte Maike, deren Blick am Sprungturm kleben geblieben war.

Neugierig beobachtete Susanne, wie der nächste Junge sich vom Brett abstieß und einen Salto hinlegte. Wieder glitten ihre Gedanken zu Markus. Ob er das auch konnte? Sie sollten mal zusammen Schwimmen gehen...

„Seid ihr jetzt fest zusammen?", unterbrach Maike ihre Gedanken und drehte sich um.

„Nehme ich mal an..." gab sich Susanne zögerlich. Seit dem 5. Juli waren das jetzt fast dreieinhalb Wochen, da konnte man das wohl schon sagen. „Wir haben nicht darüber gesprochen."

„Mit dir oder mit Kathi?"

Maike war unerbittlich. Susanne ließ frustriert den Kopf in die Hände fallen und brachte daher dumpf heraus:

„Ich bin natürlich Kathi für ihn. Aber ich bin ich." Sie hob den Kopf wieder. „Weißt du, was ich meine?"

Maike legte den Kopf schief.

„Du meinst, du verhältst dich so, wie du bist und trägst nur einen anderen Namen?"

Susanne nickte, konkretisierte aber:

„Eigentlich trage ich noch nicht einmal einen anderen Namen. Ich habe ihn gebeten, mich „Sanne" zu nennen. Nach meinem zweiten Namen."

Um Maikes Mundwinkel zuckte es, als sie versuchte, ernst zu bleiben. „Ich dachte, dein Zweitname wäre Magdalena..."

„Egal". Susanne wischte den Einwand mit einer Hand beiseite. „Alles läuft perfekt. Ich höre meinen Namen, muss mich nicht verstellen – nur wenn es um Lehrer oder Französisch geht. Ich bin sicher, er mag mich."

„Dann kannst du ihm ja reinen Wein einschenken", schlug Maike vor und setze sich in einen Schneidersitz.

„Ja, aber jetzt noch nicht...", wiegelte Susanne ab und krauste die Nase „Das Fundament muss noch fester werden. Dann wird er mir auch die Notlüge schließlich verzeihen."

Herausfordernd sah sie ihre Freundin an, damit die es ja nicht wagte, etwas dagegen zu sagen.

Maike schüttelte dennoch den Kopf und prophezeite:

„Glaub mir, du wirst es irgendwann noch bereuen."

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