10. Dezember, Sascha

18 7 17
                                    

Kathis Eltern hatten das Haus zu einem ausgiebigen Brunch verlassen und wir waren daher diesen Morgen nur zu dritt. Da sich Kathi heute nicht bei mir blicken ließ, schlüpfte ich schließlich unter die Dusche und ging dann in die Küche, aus der mir schon der verheißungsvolle Duft nach Kaffee entgegenwehte. Die Mädchen saßen am Tisch und drehten sich bei meiner Ankunft gleichzeitig zu mir um. Ich vergaß, welchen Spruch ich auf den Lippen gehabt hatte, so überraschend traf mich der absolut gleiche Look der beiden.

Sie trugen das gleiche Shirt, die gleiche Frisur und hatten einen identischen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Vage erinnerte ich mich an meine kürzlich großspurig gemachte Äußerung, ich würde sie auseinander halten können, die ich sogleich verfluchte. Kathi mit ihren verrückten Ideen!

Ich hatte im Augenblick absolut keine Ahnung, wer von den beiden Kathi und wer Susanne war. Während Susanne normalerweise eine Hochsteckfrisur oder einen Pferdeschwanz vorzog, liebte es Kathi, ihre Haare offen oder gelegentlich in einem geflochtenen Zopf zu tragen, nicht wegen meiner Anwesenheit, sondern aus Neigung. Heute jedoch trugen beide die Haare offen.

„Morgen, Sascha", kam es von den Schwestern, leicht zeitversetzt.

„Ist das jetzt ein Test?"

Die Zwillinge kicherten und eine fügte hinzu:

„Du hast neulich gesagt, du würdest uns auseinander halten können."

Ich warf ihr einen scharfen Blick zu. War das Kathi? Doch nichts in ihrem Gesicht gab mir einen Hinweis, um wen es sich handelte. Verdammt, es musste einen wahrnehmbaren Unterschied in ihrem Äußeren geben, ihre Eltern konnten sie schließlich auch auseinander halten. Warum hatte ich Kathi nur nie danach gefragt?!

Ich zog unwillkürlich eine Grimasse, denn das konnte peinlich werden....Nichtdestotrotz war ich keiner, der sich vor einer Herausforderung drückte. Ich ließ mich daher auf einen Stuhl fallen und diktierte entschlossen eine Bedingung:

„Okay. Von mir aus. Aber ich brauche 15 Minuten. Besser 20. Und einen Kaffee."

„Kriegst du."

Der Zwilling, der mir am nächsten saß – sie saßen heute auch nicht auf den üblichen Plätzen – schenkte mir Kaffee ein, während der andere einen Einwand hervor brachte:

„Es gibt eine Regel: du fragst uns nichts, was nur die eine wissen kann."

Darauf war ich noch gar nicht gekommen. Vielleicht sollte ich dafür mal gucken, welche Unterwäsche sie trugen? Aber diesen Gedanken behielt ich sicherheitshalber für mich.

Gespannt wartete ich darauf, ob sich Kathi damit verriet, dass sie mir den Zucker für den Kaffee reichte, da sie wusste, dass ich ihn gerne süß trank. Nicht nur einmal hatte sie gescherzt, dass ich süß genug sei. Doch leider tat sie mir jetzt nicht den Gefallen.

Mein Blick flog daher von einer Schwester zur anderen, auf der Suche nach einer Geste oder Mimik, die sie verriet. Doch die Unterschiede waren nur Nuancen. Wie konnten sich zwei Menschen nur so ähnlich sein? Wir plauderten über Belanglosigkeiten und immerhin hatten die Mädchen den Anstand, sich nicht über meine intensiven Blicke lustig zu machen.

Und die Uhr lief...Ratlos stützte ich die Ellenbogen auf den Tisch und legte einen Moment das Kinn in die Hände. Himmel, es musste doch eine Möglichkeit geben!

„Wie viel Zeit habe ich noch?" wollte ich wissen.

Das Mädchen, das gerade beim Brotkasten stand, sah auf die Küchenuhr. Selbst die Armbanduhren hatten sie abgenommen. Mist!

„Zwei Minuten", flötete es und konnte sich ein leichtes Grinsen nun nicht verkneifen. Konnte das Kathi sein? Die Wahrscheinlichkeit betrug leider nur 50%... Da kam mir ein Geistesblitz, wie ich die Erfolgsaussichten nach oben treiben konnte. Oder mir Ärger einhandeln würde...

Ruckartig stand ich auf, ging ein paar Schritte auf eine der Schwestern zu und zog sie abrupt an mich, um sie leidenschaftlich zu küssen. Ihre Reaktion war verhalten, aber sie schubste mich nicht fort, was leider keine eindeutigen Rückschlüsse zuließ. Aber dennoch hatte ich etwas bemerkt...

Ich betrachtete beide Mädchen noch einmal aufmerksam.

„Zeit ist um", verkündete der noch am Tisch sitzende Zwilling und beide blickten mich erwartungsvoll an.

Ich nahm die Hand der neben mir stehenden Schwester, lächelte sie an und entschied:

„Du bist Kathi."

Sanne am Tisch applaudierte und kommentierte beeindruckt:

„Nicht schlecht!"

Lachend fiel mir Kathi um den Hals und wollte wissen:

„Wie hast du das erraten? Ich habe mich so zurückgehalten."

„Dein Mund ja, aber der Rest deines Körper nicht."

Ich zwinkerte ihr zu und war zufrieden darüber, dass ich meine unüberlegt gemachte Aussage in letzter Minute bewiesen hatte.


Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt