3. Dezember, Susanne

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3. Dezember, Susanne

Sie wachte von den Sonnenstrahlen auf, die durch das Fenster lugten, drehte sich aber noch einmal auf die Seite und sann ihrem Traum nach, dessen Bruchstücke sich in Windeseile auflösten. Dann öffnete sie die Augen und musste zu ihrer Verwunderung feststellen, dass sich Kathi nicht in ihrem Zimmer befand, offenbar auch nicht hier gewesen war, denn die Couch war unbenutzt. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, denn wahrscheinlich hatte Kathi bei Sascha in ihrem alten Zimmer übernachtet. Was sie eigentlich nicht sollte, die Eltern hatten sich da klar ausgedrückt.

Susanne ließ sich zurück in die Kissen fallen und dachte zufrieden an die Pläne des heutigen Tages. Nachmittags wollte Markus auftauchen und dann wollten sie zu Viert zu McDonalds gehen und anschließend zu einem Fußballspiel. Das vor Ewigkeiten geplante gemeinsame Mittagessen mit den Eltern hatte endlich stattgefunden, sie waren von Markus angetan gewesen und hatten nie von der Lügengeschichte erfahren, die Susanne ihrem Freund aufgetischt hatte. Wie gut, dass alles ein gutes Ende gefunden hatte!

Mit einem wohligen Seufzen zog sie den kleinen Teddy, den Markus ihr geschenkt hatte, an sich und knuddelte ihn. Und mit Träumen und Dösen verging die Zeit; als ihr Magen mit einem lauten Knurren nach Frühstück verlangte, stand sie auf und sah in der Küche nach dem Rechten. Im Gegensatz zu der Feier vor einigen Monaten, bei der sich die Eltern so große Sorgen wegen ihres Nicht-nach-Hause-Kommens gemacht hatten, waren sie jetzt bei Kathi völlig tiefenentspannt, weil sie sie zusammen mit Sascha in Sicherheit wähnten. Einen großen Bruder hätte man haben müssen, dachte Susanne, was hätte man da für Freiräume gehabt...

Es war mittlerweile 11.oo Uhr geworden und weder von ihren Eltern, noch von Kathi und Sascha war etwas zu hören oder zu sehen und Susanne war wenig geneigt, sich mit einem Brot allein wieder in ihr Zimmer zu verziehen.

„Jetzt könnte sie wohl mal aufstehen", murmelte sie vor sich hin, ging daher hoch zu Kathis Zimmer und klopfte, doch es blieb völlig still. Susanne klopfte erneut, deutlich weniger zurückhaltend, und wartete, aber nicht einmal unterdrückte Worte oder Gekicher waren zu hören. Irritiert legte Susanne ihr Ohr an die Tür und lauschte, wobei sie sich ziemlich dämlich vorkam. Aber das Ticken der Wanduhr war alles, was sie zu hören bekam.

Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter, schob die Tür einen Spalt auf und lugte ins Zimmer hinein. Die Vorhänge waren offen und die Helligkeit im Zimmer offenbarte, dass hier keiner heute Nacht geschlafen hatte. Mehr verwundert als besorgt zog sich Susanne zurück und steuerte das Telefon an.

„Hallo", tönte es verschlafen aus dem Hörer, „Birgit Richter."

„Hi Biggi, hier ist Sanne..."

„Ich reiche mal weiter", unterbrach Biggi mit einem Gähnen und dann war Kathi am Telefon.

"Wieso seid ihr noch bei Biggi?", wollte Susanne verwundert wissen, und sah aus den Augenwinkeln einen ihrer Eltern durchs Wohnzimmer gehen.

„Ich", stellte Kathi richtig und fragte dann in einem überraschten Ton:

„Ist Sascha nicht da?"

Susanne schüttelte den Kopf und schob ein „Nee" hinterher.

Vorsorglich nahm sie Telefon und Kabel in die Hand und brachte damit so viel Abstand wie möglich zwischen sich und dem Wohnzimmer.

„Scheiße!" fluchte Kathi und es dauerte nicht lange, bis die Ereignisse von letzter Nacht aus ihr heraus sprudelten. Susanne hörte bestürzt zu.

„Er ist vielleicht zurück nach Hause?", mutmaßte sie.

„Nein, nein, bestimmt nicht", widersprach Kathi, „Wahrscheinlich bei seinem Freund Carsten."

Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt