20. Dezember, Kathi

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Kathi

„Da ist die, die mich in gefährlicher Wildnis allein zurückgelassen hat!", begann ich dramatisch, als ich ins Zimmer trat und Susi lesend im Bett erspähte.

Sie warf mir nur einen kurzen Blick zu und konterte ungerührt:

„Immerhin lebst du noch."

„Ja, aber nur fast."

Ich ließ mich auf ihr Bett plumpsen und sie rutschte willig zur Seite, um mir Platz zu machen. „Ich wäre fast gestorben vor Peinlichkeit."

Jetzt hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Sie klappte ihr Buch zu und wollte wissen:

„Wieso? Was ist passiert?"

„Unsere Jungs..." stöhnte ich theatralisch und fasste mir in einer Verzweiflungsgeste an den Kopf, „...haben es faustdick hinter den Ohren."

„Dann hat einer von ihnen es von dir, denn ich bin immer ganz brav", gab Susi schelmisch lächelnd zurück und brachte sich in eine sitzende Position.

„Ja, ganz bestimmt."

Ich zog die Worte ironisch in die Länge.

„Jetzt erzähl schon", verlangte Susi ungeduldig und ich zog die Beine in einen Schneidersitz und begann mit meiner Schilderung: „Ich habe die Revanche für unser Zwillingsratespiel neulich erhalten...".

„Da hat es Gott sei Dank die Richtige getroffen, denn es war deine Idee gewesen", mokierte sich Susi lächelnd.

„Bist du jetzt mal ruhig!", schimpfte ich, ohne wirklich böse zu sein, und Susis Hand fuhr zum Mund, aber an ihren Augen sah ich, dass sie immer noch lächelte.

Und dann berichtete ich, angefangen von Saschas Einladung zu einem Candlelight Dinner mit angekündigter Überraschung und den leckersten Spaghetti der Welt – „...wir haben sogar ganz stilvoll Sekt dazu getrunken..." – bis zum weiteren Verlauf des Abends.

„Sascha hat mir die Augen verbunden, mich vorgewarnt, dass er völlig leise sein würde, denn ich sollte mich mal nur auf andere Sinne konzentrieren und dann ging's eine Runde durch den Garten, zurück ins Haus durch den Flur und dann wurde ich die Treppe hochgetragen..."

Ich dachte daran, wie ich mich anfangs gewundert hatte, dass Sascha mich so unerwartet vorsichtig berührt hatte, als wisse er selbst nicht, warum er sich zu dieser Idee entschieden hatte und wie cool es gewesen war, wie eine Prinzessin die Treppe hochgetragen zu werden.

„Praktisch, dass Mama und Papa nicht da waren", warf Susi zwischendrin ein.

Ich nickte, wie ich jetzt wusste, hatte Sascha auch bewusst diesen Tag gewählt und Markus hatte Susi nahegelegt, heute ihre Freundin zu besuchen.

„Dann wurde ich sanft auf ein Bett gedrückt und erhielt eine 1a-Nackenmassage."

Ich sah meine Schwester bedeutungsvoll an.

„Oh nein!"

Lachend vergrub Susi ihr Gesicht in den Händen. Sie hatte begriffen, worauf es hinaus lief.

„Kann man den Masseur eigentlich für weitere Termin buchen?" wollte ich trocken wissen.

Susi nahm die Hände vom Gesicht:

„An die Meistbietende", flachste sie und ihr Lächeln vertiefte sich.

Meine Finger spielten jetzt unruhig mit dem Zipfel der Decke und ich konzentrierte mich auf eine dieser blauen Rosen, die die Bettwäsche zierten, während ich Susis Blick auf mir spürte. Ich holte tief Luft:

„Dann habe ich gesagt, ein Zopfband wäre gut, ich wollte mir die Haare damit aus dem Nacken schieben. Mein Masseur stand auf und die Zeit habe ich genutzt, meine Bluse aufzuknöpfen, damit der Nacken freier ist..."

Dass ich sie sogar ausgezogen hatte, verschwieg ich wohlweißlich.

Susi quiekte dennoch:

„Aber du hattest...?"

„Klar hatte ich einen BH an."

Ich hatte daraufhin ein unterdrücktes Räuspern gehört und in dem Moment war mir klar geworden, wer sich im Raum befand und dass ich reingelegt worden war. Empört hatte ich mir das Tuch von den Augen gezogen, die Hände in die Hüften gestemmt, mich nach Sascha umgesehen und vorwurfsvoll gerufen:

"Sascha Brenner, du bist furchtbar!".

Sekunden später war er bei mir gewesen, hatte mich in die Arme gezogen und mir ein freches Rache ist süß ins Ohr geraunt.

„Sascha hat mich dann schwören lassen, von nun auf jegliche Täuschungen ihm oder Markus gegenüber zu verzichten", schloss ich lachend meine Erzählung.

Susi sah mich überrascht an.

„Und darauf hast DU dich eingelassen?"

Ein freches Grinsen überzog mein Gesicht, als ich langsam zugab:

„Natürlich nicht! Ich habe hinter seinem Rücken die Finger gekreuzt."


Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt