Markus
Markus schwang sich nachdenklich auf sein Fahrrad. Er hatte immer mehr das Gefühl, dass Sanne etwas vor ihm verheimlichte. Aber was? Es schien mit ihrer Familie zusammenzuhängen. Und dazu dann noch ihr merkwürdiges Verhalten in der Schule, das so völlig anders als bei ihren Verabredungen war. Er konnte sich keinen Reim darauf machen und ihm war klar, dass er das ansprechen musste. Seit Tagen schon lag ihm dieses Gespräch schwer im Magen, mal mehr, mal weniger, und für heute hatte er es sich fest vorgenommen; es war Samstag und das war besser als zwischen Tür und Angel in der Woche.
Sie hatten eine Radtour zum Wannsee geplant, deshalb fuhr er jetzt zum Spar-Laden, von wo aus sie gemeinsam losfahren wollten. Das war auch so eine Sache, dachte Markus, Sanne wollte nie, dass er sie zu Hause abholte und er war ein Idiot, dass er dies immer mitmachte. Bis auf neulich Abend war er noch nie bei ihr zu Hause gewesen, und da hatte es wegen der späten Uhrzeit keiner mitbekommen und selbstredend war er noch in der Nacht wieder verschwunden. Denn dass Sanne nicht morgens ihrer Familie überraschend ihren Freund zum ersten Mal präsentieren wollte, konnte er natürlich verstehen.
Immer hatten sie sich bislang an der Bahn oder sonst einem Treffpunkt oder bei ihm zu Hause getroffen. „Freu dich doch, dann musst du dich nicht mit ihren Eltern unterhalten", hatte Stefan gesagt, aber allmählich war ihm das gar nicht mehr so recht, er hätte eigentlich ganz gern mal ihre Eltern und ihre Schwester, über die sie sich ziemlich ausschwieg, kennengelernt. Bei ihm zu Hause ging sie längst ein und aus, seine Mutter mochte Sanne und selbst Ines hielt sich inzwischen Sanne gegenüber mit Sticheleien zurück, was ein gutes Zeichen war.
Der Wind war frisch und blies ihm direkt entgegen, so dass Markus ordentlich in die Pedalen treten musste. Dann haben wir zumindest auf dem Rückweg Gegenwind, dachte er und hielt mit einer schwungvollen Vollbremsung direkt vor dem Spar-Laden, leider viel weniger aufsehenerregend, als es das mit dem Auto gewesen wäre. Nächstes Jahr würde er endlich den Führerschein machen können, dann würden sich die Botengänge für die Apotheke gelohnt haben.
Eine kräftige Windbö wirbelte eine leere Tüte vor sich her und trieb ihm einige Blätter entgegen. Von ihm in ihrer Flugbahn aufgehalten, taumelten sie zu Boden und wurden dann an seinen Füßen vorbei vom Wind Richtung Parkplatz geschoben. Markus fuhr sich kritisch über die Haare – Frisur war unbeschädigt – und schloss den Reißverschluss seiner Jacke. Die warmen Temperaturen waren definitiv vorbei.
Oder machte ihm das vor ihm liegende Gespräch zu schaffen? Er war entschlossen, ein paar Antworten einzufordern, auch wenn Sanne wieder versuchen würde auszuweichen. Seine grimmige Miene wich jedoch einem Lächeln, als er sie auf sich zu fahren sah, in so einer strahlenden Art und Weise, als leuchte sie von innen heraus.
Der Wind zerzauste ihr die Haare, als sie fröhlich vom Rad sprang und sich zu ihm beugte, um ihm einen Kuss zu geben. Eine Locke wurde ihr ins Gesicht gepustet und beide lachten leise, dann schob Markus die Haarsträhne zärtlich beiseite und endlich trafen sich ihre Lippen. Die Überlegungen von vorhin wurden zur Nebensache und sein Gehirn kannte nur noch einen Gedanken:
"Hast du nicht Lust, nächstes Wochenende bei mir zu übernachten?", murmelte er und knabberte zart an ihrem Ohrläppchen, während er mit der einen Hand ihre Locken zur Seite strich und mit der anderen das Fahrrad in der Balance hielt.
„Hört sich gut an", stimmte Sanne erfreut zu.
„Ohne die Räder als Anstandswauwau", ergänzte Markus.
Sie warfen einen Blick auf die Fahrräder zwischen sich und grinsten sich an.
Wieder fuhr eine kräftige Bö heran und ließ Sannes Haare hochfliegen.
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Herz in den Wolken
RomansaDas verflixte Liebesleben - ist in der geteilten Stadt Liebe über die Mauer hinweg möglich? Katharina stellt fest, dass das schwieriger ist als gedacht. Zumal der Zorn ihres Freundes Sascha über die Begrenzung seiner Freiheit ständig größer wird. Un...