27. September, Susanne

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27. September, Susanne

Beim Klingeln des Telefons schreckte Susanne hoch, denn sie war über ihrem Buch eingeschlafen. Sie linste auf die Uhr neben ihrem Bett, die in ihren Leuchtziffern 22.09 Uhr anzeigte, konstatierte, dass es noch nicht Nacht war und setzte sich auf, um sich ausgiebig zu recken und zu strecken. Es war noch genügend Zeit, weiter im Buch zu schmökern, aber erst einmal machte sie sich auf den Weg ins Bad, damit sie sich anschließend schön gemütlich ins Bett kuscheln konnte.

Gerade als sie die Tür zum Flur öffnete, sah ihr Vater vom Flur aus zu ihr hoch und hielt ihr auffordernd den Telefonhörer entgegen. „Markus", erläuterte er knapp, warf noch einen beredten Blick auf seine Uhr, und verschwand wieder im Wohnzimmer.

„Markus!" Susanne begann unweigerlich zu strahlen, was sich bis auf ihre Stimme auswirkte, die warm und erfreut durch den Hörer klang.

„Hi!", drang es an ihr Ohr und obwohl es nur ein Wort war, bemerkte Susanne sofort, dass ihr Freund merkwürdig bedrückt klang.

Sie zog das Telefonkabel so weit es ging weg vom Wohnzimmer und in den Flur und ließ sich im Schneidersitz auf den Boden sinken, bevor sie fragte:

„Was ist passiert?"

Die Antwort war ein Fluchen.

"Verdammt, ich kapier den Mist nicht. Warum habe ich bloß Bio als Leistungsfach gewählt?!" Frustriert fuhr er fort: „Ich musste einfach raus."

Aus der Ferne war die Sirene eines Einsatzfahrzeuges zu hören.

„Wo bist du?" wollte Susanne leicht alarmiert wissen.

„In einer Telefonzelle – bei dir um die Ecke..."

Susanne schluckte und fuhr sich impulsiv durch die Haare. Das war natürlich die unausgesprochene Frage, ob er vorbei kommen könnte. Wie gut, dass er nicht geklingelt hatte, ging es ihr durch den Kopf, bevor sie sich besann und ihr klar wurde, dass sich Markus wohl kaum ohne guten Grund auf den Weg gemacht hätte. Es war viel zu spät, um ihn offiziell hereinzubitten, aber das war ihr nur lieb so – kam sie doch auf diese Weise um ein Treffen mit ihren Eltern herum. Außerdem klang Markus nicht so, als würde er im Moment großen Wert darauf legen.

„Es regnet noch, oder? Willst du vielleicht vorbeikommen?", bot sie daher an.

„Gern", seufzte Markus und man hörte ihm die Erleichterung an.

„Aber ich kann dich nicht an der Tür hereinlassen", warnte Susanne, „Meine Eltern würden bei Besuch um diese Zeit ausflippen. Du musst dich irgendwie reinschleichen."

Ein Lachen saß ihr in der Kehle, als sie sich den Ablauf visuell vorstellte, doch sie beherrschte sich und fuhr fort: „Mein Zimmer ist rechts von der Eingangstür um die Ecke. Geh einfach auf's Grundstück und dann steht da ein Baum, von dem kommt man mit ein bisschen Mühe rüber in mein Zimmer, im ersten Stock."

„Okay, weil du es bist", schnaufte Markus amüsiert. „Brauche ich eine Kletterausrüstung?"

„Mut und Glück und eine helfende Hand", versetzte Susanne lächelnd, während sich eine gewissen Aufregung ihrer bemächtigte. „Aber warte noch fünf Minuten, bis du losgehst! Ich muss hier vorher noch etwas erledigen."

Nach dem Telefonat sprang sie auf und schlüpfte in Kathis Zimmer, in dem ihre Schwester ebenfalls noch wach war und gemütlich mit einem Buch in der Hand im Bett lag. Kathi sah sofort auf, nahm Susannes Gesichtsausdruck wahr und fragte daher verwundert: „Ist was?"

Susanne setzte sich auf die Bettkante. „Hör zu, ich will nur, dass du Bescheid weißt. Ich kriege gleich Besuch und schließe deshalb die Zimmertür ab. Falls Mama oder Papa hochkommen und das merken, sag Ihnen einfach, dass ich wohl eingeschlafen bin. Bis morgen fällt mir dann schon eine Geschichte ein."

Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt