6. April, Fortsetzung

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„Können wir euch helfen?", fragte Carsten die Mädchen aufgekratzt und bedachte alle drei nacheinander mit einem strahlenden Lächeln.

„Das wäre klasse!" Das Mädchen mit dem Pferdeschwanz lächelte erfreut zurück und wedelte mit einem Stadtplan. „Kannst du uns sagen, wo wir gerade sind?"

Während Carsten sich hilfsbereit über das Papier beugte, wanderte mein Blick zu dem blonden Lockenkopf und ich versuchte, mir unauffällig durchs Haar zu fahren, um meiner Frisur den letzten Schliff zu verpassen. In dem Moment hob die Blonde den Kopf und sah mich an, ein amüsiertes Lächeln auf ihrem Gesicht. Soviel zu unauffällig. Ertappt schoss mir das Blut ins Gesicht und verlegen ließ ich meine Hand wieder sinken. Um abzulenken fiel mir dann nichts Schlaueres ein als zu fragen: „Ihr seid nicht von hier?"

Die Mädchen, die nicht mit dem Stadtplan beschäftigt waren, schüttelten schweigend den Kopf und sahen sich dann kurz verstohlen an. Für einen Moment entstand ein leicht unangenehmes Schweigen, während Carsten und das dritte Mädchen sich tief über den Plan beugten. Gerade als ich mich anschickte, endlich nachzufragen, woher sie denn kämen, traf mich ein Regentropfen. Auch die anderen bemerkten es, alle Blicke wandten sich nach oben zu einem Himmel, der sich inzwischen wieder unter dicken grauen Wolken verborgen hielt. Es sah nicht so aus, als ob es bald wieder aufreißen würde, im Gegenteil.

„Lust auf etwas zu trinken?", fragte Carsten und zwinkerte in die Runde. Auf ihn war wie immer Verlass.

„Gern", antworteten zwei der Mädchen wie aus einem Munde, während die Blonde mir einen fragenden Blick zuwarf.

„Wir könnten zu Rudi's Eck gehen", schlug ich vor, froh darüber, dass mir endlich ein konstruktiver Gesprächsbeitrag eingefallen war. Verdammt, ich war doch sonst nicht so wortkarg.

„Na dann los!" bestimmte Carsten und übernahm die Führung. Inzwischen war der Regen kräftiger geworden, so dass die Mädchen zum Schutz ihre Kapuzen überzogen. Und dann lag endlich das Rudi's vor uns. Carsten ließ den Mädchen in einer übertriebenen Geste den Vortritt beim Eintreten. Ich fand es albern, aber eines der Mädchen lachte. Im Rudi's war es nicht schick, aber gemütlich und warm. Tische und Bänke waren aus rustikalem Holz, die Wände waren mit dunkelbraunem Holz verkleidet und über und über mit Fussballdevotionalen behängt, so dass die Kneipe mehr einem Vereinshaus glich. Vielleicht war es nicht das Richtige gewesen, doch nun war es zu spät.

„Da drüben ist etwas frei", empfahl Rainer, der sich suchend umgeblickt hatte und als Größter den entsprechenden Überblick hatte. Wir schoben uns alle auf die Bänke, wir Jungen auf der einen, die Mädchen auf der anderen Seite.

„Das war ja gerade noch rechtzeitig", seufzte die mit dem Pferdeschwanz und wies in Richtung Fenster, durch das man schemenhaft die Wassermassen erahnen konnte, die nun vom Himmel stürzten.

„Sechs Brausen, bitte!", orderte Carsten bei der rasch aufgetauchten Bedienung, ohne sich die Mühe zu machen, die Mädchen nach ihren Wünschen zu fragen.

Währenddessen hatten die Mädchen die Köpfe zusammengesteckt und flüsterten miteinander. Ich unterzog sie dabei einer genauen Betrachtung. Zu den Jeans trugen sie schicke Oberteile mit coolen Sprüchen, hatten also entweder Westverwandtschaft oder gute Beziehungen.

Nicht ganz überraschend übernahm Carsten die Gesprächsführung und stellte sich vor. „Und das sind Rainer...", er nickte zu ihm hin, „...und Alexander. Der steht kurz vor seinem Abschluss auf der EOS" (*).

Na klasse, das machte mich entweder zum Intelligenzbolzen oder zum Opportunisten. Ich warf Carsten daher einen mörderischen Blick zu. Die Mädchen quittierten diese Information jedoch nur mit einem höflichen Lächeln.

Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt