Katharina
Das war's dann wohl, dachte ich resigniert. Schade. Dieser Alexander gefiel mir echt gut. Seine Erzählungen hatten mich fasziniert, so dass ich am liebsten sofort in ein Boot gestiegen wäre, dabei interessierte mich sonst eigentlich nur Handball. Und er sah nicht schlecht aus, mit seinem dunkelbraunen Haar, das ihm mit langen Ponyfransen bis in die Stirn fiel. Wie es sich wohl anfühlen würde, mit der Hand hindurch zu fahren? Ein blöder Gedanke, den ich gleich wieder verwarf. Ich ließ meinen Blick zu lange auf ihm ruhen, als dass es noch beiläufig gewirkt hätte, aber er hatte den Blick abgewandt und bemerkte es nicht.
Biggis unfreiwillige Enthüllung hatte leider die entspannte Stimmung unterbrochen und es tat mir leid, dass wir den Jungen etwas vorgespielt hatten. Mir war die ganze Zeit klar gewesen, dass es nicht mehr als der Anflug eines Flirts war, der enden würde, sobald wir in die S-Bahn zur Friedrichsstraße stiegen, aber irgendwie traf es mich jetzt, wenn ich daran dachte, dass nicht weitergehen konnte, was so schön begonnen hatte... Warum musste ich nur den tollsten Typen ausgerechnet in der DDR treffen?
Ich versank in Gedanken, während die anderen das Gespräch nach kurzer Pause wieder aufnahmen. Mein Blick ruhte immer noch auf Alexander, als wollte ich mir alles von ihm einprägen. Deshalb bekam ich es sofort mit, als er sich wieder zum Tisch zurückdrehte. Einen Augenblick lang sahen wir uns an. Unwillkürlich begann mein Herz schneller zu schlagen und trotz der Aufregung zwang ich mich zu einem Lächeln, das Alexander aber leider nicht erwiderte. Vielleicht hatte ich mich getäuscht... Das versetzte mir einen Stich. Verlegen strich ich mein Haar hinters Ohr und versuchte, mich damit zu trösten, dass er aus der DDR war und es mir deshalb mehr als egal sein konnte, wenn er sich nicht für mich interessierte. Aber irgendwie funktionierte das nicht.
Ich seufzte leise, aber nicht leise genug. Alexander hatte es offenbar gehört und sah auf. Ich merkte, dass seine Augen von einem warmen Braun waren und dann realisierte ich, dass er etwas gefragt hatte:„Alles in Ordnung?" Ich traute meiner Stimme nicht und nickte daher bloß, obwohl mein Mund voller ungesagter Gedanken war. Wieder trafen sich für einen Moment unsere Blicke, und gleichzeitig sahen wir beide schnell wieder weg. Trotz des Gefühlsaufruhrs, den er in mir verursachte, versuchte ich ihn mit einem Geht nicht zu etikettieren und bemühte mich daher, der Unterhaltung der anderen zuzuhören. Biggi erläuterte gerade ausführlich unser Schulsystem und ein Thema gab das nächste, so dass wir einen kurzweiligen Restnachmittag erlebten. Alexander aber war still geworden. So wie ich, obwohl mich Biggi mehrfach auffordernd knuffte.
Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie er der Unterhaltung folgte und gelegentlich zu mir hinüber sah, wenn er dachte, ich merke es nicht. Als es für uns Zeit geworden war, zum Grenzübergang zurückzukehren, brachten uns die drei Jungen noch bis zur Friedrichsstraße. Rainer und Carsten winkten fröhlich und ich lächelte unverbindlich zurück. Meine Gedanken waren ganz woanders und ich haderte damit, wie unfair das Leben doch sein konnte. Da spürte ich eine leichte Berührung an der Schulter. Mit einem schwer zu deutenden Blick sah Alexander mich einen Moment an, dann drückte er mir ein Stück Papier in die Hand, murmelte „Tschüss", drehte sich um und ging, ohne mir noch einen weiteren Blick zu gönnen. Überrumpelt sah ich auf den Zettel in meiner Hand.
„Jetzt aber schnell", rief Nicki, leichte Panik in ihrer Stimme und zog Biggi und mich in das Grenzabfertigungsgebäude, in dem unser Lehrer mit einem bedeutsamen Blick auf die Uhr schon ungeduldig wartete.
„Na endlich", maulte Heiko, „Wir warten hier schon eine Ewigkeit auf euch. Habt ihr euch verlaufen?"
Biggi streckte ihm frech die Zunge heraus und erwiderte lässig: „Im Gegenteil, wir haben Einheimische interviewt, das dauert natürlich."
Einige der Klassenkameraden grinsten, andere schauten gelangweilt und unser Lehrer überging das Geplänkel und scheuchte uns voran.
„Man könnte meinen, es wäre bereits kurz vor Mitternacht", kommentierte ich leise und meine Freundinnen kicherten. Den Zettel steckte ich in meine Hosentasche, obwohl ich vor Neugier brannte. Was mochte Alexander geschrieben haben? Ich hielt durch, bis ich mich in Zehlendorf von den anderen verabschiedet hatte. Dann zog ich das Papier hervor, faltete es ungeduldig auf und las:
Komm am 23.4 um 12.00 Uhr noch einmal zur Friedrichsstraße. Ich würde mich freuen! Alexander
Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Er wollte mich wiedersehen. Ich vergaß, dass mitten durch unsere Stadt eine Mauer verlief, die sein Zuhause von meinem trennte, und stieß einen ausgelassen Jubelschrei aus.
--------------------------------------------------------
Hallo, schön, dass ihr die ersten Kapitel gelesen habt. Ich würde mich freuen zu hören, was ihr von dem Anfang haltet. Könnt ihr nachempfinden, wie es Alexander und Katharina geht?
Liebe Grüße von Sunflower
DU LIEST GERADE
Herz in den Wolken
RomantizmDas verflixte Liebesleben - ist in der geteilten Stadt Liebe über die Mauer hinweg möglich? Katharina stellt fest, dass das schwieriger ist als gedacht. Zumal der Zorn ihres Freundes Sascha über die Begrenzung seiner Freiheit ständig größer wird. Un...