7. Dezember, Kathi

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Wir saßen in Saschas, das heißt in meinem alten Zimmer auf dem Bett und hörten Musik. Ich hatte mich an Saschas Brust gekuschelt und träumte vor mich hin, während er mit meinen Haaren spielte. Einen Moment lang hielt er inne und gähnte vernehmlich. Es war bereits nach Mitternacht, aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen, aufzustehen und ins andere Zimmer zu gehen. Es war hier viel zu gemütlich und am liebsten wäre ich einfach in Saschas Armen in den Schlaf gesunken. Allerdings hatten meine Eltern darauf bestanden, dass ich mit Sascha kein Zimmer teilte, während er bei uns wohnte, und ich wollte die gelegentlichen Regelbrüche eigentlich nicht überstrapazieren.

Mit leicht schlechtem Gewissen dachte ich außerdem daran, dass ich zurzeit die Schule vernachlässigte und fragte mich, was davon das nächste Zeugnis dokumentieren würde – wenn ich nicht aufpasste, war Ärger mit den Eltern vorprogrammiert. Als mir Sascha jedoch sanft den Nacken massierte, verbannte ich alle störenden Gedanken auf später.

„Das tut gut", flüsterte ich und schloss entspannt die Augen. Bald spürte ich, wie die Müdigkeit mich zu überwältigen drohte. Gleich würde ich aufstehen...

Als ich den Kopf hob, um auf die Uhr zu sehen, war es 3.47 Uhr. Ich war wohl doch eingeschlafen. Neben mir hörte ich Sascha gleichmäßig atmen. Er lag so entspannt auf dem Rücken, wie es nur jemand konnte, der keinen Grübeleien nachhing. Zufrieden betrachtete ich die Umrisse seines Körpers, die sich umso deutlicher abzeichneten, je mehr sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.

Ich fühlte mich ausgeschlafen und kein bisschen mehr müde. Eigentlich war es ein unglaubliches Glück, dass Sascha und ich zusammen waren, nach all den schwierigen Monaten, in denen wir uns nur selten hatten sehen können. Vorsichtig beugte ich mich über ihn und zog die Decke heran, die sich teilweise auf den Boden verabschiedet hatte. Dabei konnte ich nicht widerstehen, ihm kurz durch die Haare zu streichen.

Offenbar hatte er nur einen leichten Schlaf, denn er drehte sich mit einem Ruck auf die Seite und öffnete die Augen. Sein etwas desorientierter Blick blieb schließlich an mir hängen und er lächelte versonnen.

„Schon morgens?", kam es dann schläfrig.

„Nein. Schlaf weiter", schlug ich vor, obwohl es mir jetzt lieber gewesen wäre, wenn er genauso wach wäre wie ich.

Sascha schenkte mir erneut ein Lächeln und legte seine Hand auf meine, bevor er die Augen wieder schloss. Ich sollte ihn schlafen lassen, dachte ich, aber konnte mich nicht beherrschen. Mit zarten Fingern strich ich über seine Schulter, die unter der Decke hervor lugte, bis hin zu seinem Schlüsselbein. Am flachen Atem merkte ich, dass Sascha noch nicht wieder eingeschlafen war. Ich grinste in mich hinein, freches Mädchen, das ich war, und ließ meine Finger weiter wandern.

Nur Augenblicke später richtete Sascha sich auf und drückte mich auf die Matratze hinunter.

„Du bist wohl nicht müde, hm?" fragte er, seine Lippen nur wenige Zentimeter von meinen entfernt.

Ich schüttelte mit einem vielversprechenden Blick den Kopf und in wortloser Übereinstimmung vergaßen wir den Schlaf zugunsten einer sportlicheren Aktivität. Anschließend lagen wir noch ein Weilchen aneinander gekuschelt in den Kissen.

„Eigentlich lohnt es sich gar nicht mehr für dich, rüber zu wandern", stellte Sascha fest und zog mich noch etwas näher.

„Ich sollte zumindest den Anschein aufrecht erhalten", gab ich resigniert zurück, aber blieb unentschlossen liegen.

Zusammenhanglos bemerkte er plötzlich:

„Ist nicht leicht mit euch Zwillingen. Was Markus mir erzählt hat..."

Für mich war die Angelegenheit längst abgehakt, Susi und Markus hatten sich schließlich versöhnt und nur darauf kam es an. Daher kommentierte ich nur kurz:

„Er lebt ja noch."

Sascha drehte sich in einer plötzlichen Bewegung auf die Ellbogen und sah nachdenklich auf mich herunter.

„Möchtest du meinen Anblick im Mondlicht für immer auf die Netzhaut deiner Augen bannen?", scherzte ich ob seines ernsten Gesichtsausdruckes.

Er ließ sich wieder in die Kissen sinken.

„Könnte mir nicht passieren", verkündete er schließlich zuversichtlich.

„Was?", wollte ich begriffsstutzig wissen und hatte im Moment keine Ahnung, wovon er sprach.

„Euch zu verwechseln", konkretisierte Sascha. „Nach vier Wochen Leben unter einem Dach..."

Er klang sehr selbstsicher und in mir regte sich daher sofort Widerspruch, doch ich hielt mich zurück und dachte nur:

„Das wollen wir doch mal sehen."

Ich gab daher nur ein unverbindliches Murmeln von mir, sann jedoch gleichzeitig darüber nach, wie ich Sascha beim Wort nehmen könnte...



Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt