„Wir gehen jetzt ein Eis essen!"
Nicki griff resolut nach meiner Hand und zog mich zügig vom Schulgelände. Philosophie fiel aus und wir hatten daher zwei Freistunden, allerdings lagen sie blöderweise in der Mitte des Unterrichtsplans, sonst hätten wir schon nach Hause gehen können.
Ich fand es völlig bescheuert, dass jetzt noch Unterricht stattfinden musste, so kurz vor den Ferien, denn wahrscheinlich würden wir in den letzten Stunden ohnehin nur einen Film gucken – als wenn wir alle nicht Besseres mit unserer Zeit anzufangen wüssten. Dennoch war ich über die ausfallenden Mittelstunden erleichtert, denn dadurch musste ich Markus nicht gegenüber treten. Ich hatte es zum Glück bereits morgens auf dem Vertretungsplan entdeckt.
Nicki schnippte vor meinem Gesicht mit den Fingern und konstatierte:
„Du träumst ja. So könnte dich glatt ein Auto überfahren." Sie schüttelte amüsiert den Kopf.
„Ich verlasse mich eben ganz auf dich", konterte ich.
„Du weißt doch, wer sich auf mich verlässt, ist verlassen", gab Nicki trocken zurück und erinnerte mit ihrem Kommentar daran, dass wir uns auf der letzten Radtour so was von verfahren hatten, weil sie eine völlig falsche Karte dabei gehabt hatte. Ich sah auf ihre zuckenden Mundwinkel, die nur mühsam das Lachen zurückhielten und brach dann als erste in prustendes Gelächter aus.
Als sich der Verkehr auf der leider vielbefahrenen Straße endlich lichtete – denn wir waren selbstredend viel zu faul gewesen, um die 100 Meter bis zur Ampel zurückzulegen, lag doch das Eiscafe genau uns gegenüber – huschten wir über die Straße und betraten das Cafe, ohne dank der Freistunde dieses Mal anstehen zu müssen.
„Eine Waffel mit Eis, bitte", bestellte ich vergnügt und musste noch mehr lachen, als der Verkäufer, ein älterer Herr mit schütterem Haar, den ich hier noch nie gesehen hatte, erst ein verständnisloses Gesicht machte und dann Ungeduld zu zeigen begann.
„Ok, ein Eis in 'ner Waffel", korrigierte ich schließlich und sah absichtlich von Nicki fort, als ich versuchte mich zu beherrschen und in sachlichem Ton „Schokolade und Banane, bitte", zu bestellen.
„Und für mich das Gleiche", ließ sich Nicki vernehmen, bevor wir uns dann einen Platz im Garten suchten, den zur Zeit nur eine Gruppe Muttis mit Babys belegte, die aber anscheinend zufrieden und ruhig in ihren Kinderwagen vor sich hin dösten.
„Schieß los", begann Nicki, sofort nachdem wir uns in die Stühle fallen gelassen hatten, und natürlich war mir klar, worauf sie hinaus wollte. Ich war Nicki eine Erklärung schuldig und eigentlich nicht nur ihr... Ich seufzte tief und gab mir einen Ruck.
„Was ich dir sage, bleibt aber unter uns, okay?", vergewisserte ich mich dann und senkte unwillkürlich die Stimme.
„Pfadfinderinnen-Ehrenwort", schwor Nicki.
Ich kniff misstrauisch die Augen zusammen.
„Du warst doch noch nie bei den Pfadfindern."
„Nee, aber so macht man das", strahlte sie. „Ich schweige wie ein Grab – besser?"
Ich nickte. Und dann begann ich zu erzählen, angefangen von Susis Verliebtheit über meine Idee bis hin zu deren Folgen.
„Ihr seid ja echt nicht ganz dicht", war Nickis Kommentar und sie witzelte:
„Ist das ansteckend?"
„Na ja, wer A sagt, muss auch B sagen", seufzte ich und fing mit meiner Zunge gerade noch einen Eisklecks auf, der dabei war, auf meine Hose zu tropfen. Hätte ich gewusst, was sich aus unserem Rollentausch entwickeln würde, hätte ich es nicht begonnen, aber ich hatte mal wieder nicht über die Konsequenzen nachgedacht. Nicki wurde schließlich ernst.
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Herz in den Wolken
RomansaDas verflixte Liebesleben - ist in der geteilten Stadt Liebe über die Mauer hinweg möglich? Katharina stellt fest, dass das schwieriger ist als gedacht. Zumal der Zorn ihres Freundes Sascha über die Begrenzung seiner Freiheit ständig größer wird. Un...