23. April, Kathi

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Kathi

Mit einem Bauch voller Schmetterlinge saß ich in der Bahn Richtung DDR. Es war eine Schnapsidee, bestimmt hatte Alexander diesen Termin längst vergessen und ich würde völlig umsonst 25 DM in Ostmark umtauschen müssen. Nervös knabberte ich an meinen Nägeln, als ich mich dem Anhalter Bahnhof näherte, an dem ich in die S-Bahn zur Friedrichstraße umsteigen musste. Susi hatte mir zugeredet. Sie hatte geduldig meine Schwärmerei ertragen und schließlich bestimmt entschieden, dass ich fahren würde. „Dann weißt du definitiv, woran du bist", hatte sie lachend gesagt und damit hatte sie natürlich Recht.

Nicki und Biggi hatte ich nichts erzählt. Nicht, dass sie sich über mich lustig machten, wenn sich dieser Trip als völlig umsonst herausstellte. Mit der Masse der Fahrgäste ließ ich mich aus der Bahn treiben. Forschend sah ich in ihre Gesichter. Hatten Sie dasselbe Ziel? Sicherheitshalber warf ich noch einen Blick in meinen Rucksack, um zu gucken, ob ich auch den Personalausweis dabei hatte. Dann fingerte ich an meinem Zopf herum und kaute an seiner Spitze. Susi hatte mir einen schönen französischen Zopf geflochten; wenn ich nicht aufpasste, würde ich in Kürze zerzaust aussehen. Unruhig ging ich auf dem Bahnsteig auf und ab und fragte mich, warum er mich wiedersehen wollte. Hatte ich ihm genauso gefallen wie er mir? Verstohlen drückte ich dafür beide Daumen.

Dann kam die Bahn und schnell waren wir auf DDR-Gebiet, wo wir einige Geisterbahnhöfe durchfuhren, Stationen, an denen die S-Bahn seit dem Mauerbau nicht mehr hielt. Und dann hielten wir am Bahnhof Friedrichsstraße. Meine Unruhe wuchs, denn durch diese Grenze zu gehen, war als Gruppe beängstigend genug gewesen. Jetzt alleine fühlte ich mich schon auf dem Weg dorthin unter Beobachtung, dabei war ich noch auf westdeutschen Boden. Die Schlange der Anstehenden war lang, aber es war erst elf Uhr und ich hoffte, dass eine Stunde reichen würde, um hindurch zu kommen. Bei unserem Klassenausflug hatte es eine halbe Stunde gedauert, unter der Woche war es bedeutend leerer gewesen.

Im Schneckentempo ging es vorwärts und ich langweilte mich, denn ich hatte nichts zu lesen dabei, weil ich befürchtete, dass mein Buch konfisziert werden könnte. Unser Lehrer hatte uns erzählt, dass man viele westdeutsche Bücher oder Magazine nicht mit in die DDR bringen durfte. Ich dachte an meine Eltern, die mich überrascht angesehen hatten, als ich ihnen heute Morgen mein Ausflugsziel mitgeteilt hatte. Von Alexander hatte ich jedoch nichts gesagt. Ob er da sein würde?

Je näher wir dem Kontrollbereich kamen, desto mehr verstummten die Gespräche der Wartenden und eine bleierne Schwere lag in der Halle. Einzeln musste jeder hinter einer beigefarbenen Tür verschwinden. Dann war ich an der Reihe. Ich schluckte mehrmals, meine Kehle war unfassbar trocken. Hinter meinem Eintritt in den Prüfbereich schloss sich die Tür. Mit unbewegtem Gesicht nahm der Grenzer meinen Ausweis entgegen und stellte damit wer weiß was für Prüfungen an. Er thronte furchteinflößend über mir. Auf der gegenüberliegenden Seite waren schräge Spiegel angebracht, so dass die Grenzer alles in diesem engen klaustrophobischen Raum überblicken konnten. Von draußen hörte ich gedämpft das Stimmengewirr der noch Wartenden. Nach Minuten aufgeregten Wartens wurde mir der Ausweis schließlich wortlos zurückgereicht und ich durfte passieren. Und dann war ich in der DDR.

Ich folgte dem mit „Ausgang" beschilderten Weg und fand mich schließlich draußen wieder, wo mich helles Sonnenlicht empfing. Und nun? Ratlos blieb ich stehen und sah mich um. Der Blick auf die Uhr offenbarte mir, dass es 11.45 Uhr war, vermutlich war er also noch nicht da. Ich holte tief Luft und versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen. Mit den Augen sah ich den vorbeifahrenden Trabis hinterher, diesen Miniautos aus Plastik. Ich steckte die Hände in die Taschen meiner Jeansjacke und bemühte mich, gelassen auszusehen.

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Könnt ihr euch in Katharina hinein versetzen?

Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt