5. Juli, Susanne
Es wurde dunkel im Kinosaal und ungeduldig sah Susanne daher zum Aufgang empor. Wenn Markus nicht gleich käme, würde er den Anfang verpassen... Da war er! Eilig schlängelte er sich durch die Reihen und präsentierte dann grinsend das soeben erstandene Popcorn, das er ihr auffordernd entgegen streckte.
Susanne griff ein paar Mal in die Tüte, die Augen auf die Leinwand gerichtet. Mit den Gedanken war sie jedoch woanders. Sollte sie ihn einmal unauffällig berühren, während sie Popcorn aus der Tüte angelte? Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wann Markus erneut die Hand in der Tüte versenkte. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie dachte, alle müssten es hören, als sie ihre Hand ebenfalls in die Tüte steckte. Es durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag, als sich unvermeidlich ihre Hände trafen. Markus wandte sich zu ihr um, im plötzlich hellen Licht von der Leinwand war sein Lächeln zu sehen. Unwillkürlich lächelte sie zurück.
Dann nahm Markus einige Popcorn und steckte sie ihr in den Mund. Dabei fielen Susanne die eigenen Popcorn aus der Hand und verteilten sich auf ihrem Schoß. Sie lachte nervös über ihre Ungeschicklichkeit, während ihr Hintermann ihr ein böses „Pst!" zuwarf. Markus zog eine lustige Grimasse und zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: "Lass den einfach reden."
Mit einem Lächeln wandte sich Susanne wieder dem Film zu. Dann spürte sie, wie Markus vorsichtig ihre Hand ergriff. Susanne reagierte mit einem sanften Händedruck und schloss für einen Moment glücklich die Augen. So hatte sie sich das vorgestellt. Es war wie in ihren Liebesromanen, aber kein Text hätte sie darauf vorbereiten können, wie unendlich warm und liebevoll es sich anfühlte, ihre Hand in Markus' Hand liegen zu haben.
Ohne sich um das restliche Popcorn zu kümmern, hielten sie den ganzen Film über Händchen. Als der Film ausklang und es wieder heller wurde, sah Markus schmunzelnd auf die Popcorntüte. „Unser Hunger war wohl nicht so groß, was?"
„Dafür jetzt umso mehr", erwiderte Susanne und griff mit ihrer rechten Hand in die noch fast volle Tüte.
Anschließend zog Markus sie aus dem Sitz und langsam schlenderten sie zum Ausgang. „Guter Film", bemerkte er und Susanne nickte.
„Aber ich hätte mir ein Happy end gewünscht".
Markus sah sie an:„Das war es doch", widersprach er.
„Na ja..." gab Susanne gedehnt zurück, „...ich hätte mir gewünscht, dass er bei seinem Bruder bleiben könnte."
„Unrealistisch", entgegnete Markus und schob die schwere Kinosaaltür auf.
„Kann sein...", stimmte Susanne friedfertig zu und lehnte sich leicht gegen ihn. Markus legte den Arm um sie und Susanne frohlockte. Am liebsten hätte sie sich jetzt irgendwo in einem dunklen Kinosaal auf einem bequemen Pärchensitz niedergelassen.
„Und nun?", fragte Markus.
„Noch ein Kinofilm?", scherzte Susanne, dann blickte sie auf ihre Uhr und fuhr ernüchtert fort: „Viertel vor elf. Ich muss nach Hause. Meine Eltern..."
„...haben gesagt: Denk dran, morgen ist Schule", ergänzte Markus lächelnd.
„Genau".
Beide lachten.
„Dann bringe ich dich zumindest nach Hause", bot Markus zuvorkommend an. Susanne war das nur recht, so konnten sie noch länger Zeit miteinander verbringen. Draußen war es immer noch milde. Markus fasste wieder nach ihrer Hand und gemeinsam schlenderten sie zur Bushaltestelle hinüber.
„Noch zwei Wochen, dann sind endlich Ferien", seufzte Susanne zufrieden.
„Fährst du weg?", wollte Markus wissen und sah sie neugierig an.
„Ja, nach Mallorca".
Susanne lächelte, sie freute sich darauf. Endlich würden sie auch mal mit dem Flieger in den Urlaub reisen, so wie ihre Klassenkameraden.
„Aber erst im August. Und du?"
Markus schüttelte den Kopf. „Diesen Sommer bleiben wir hier. Müssen einiges am Haus und Garten machen."
„Ach, das was du so gerne machst", zog Susanne ihn auf.
„Genau". Markus lachte und dann stiegen sie in den Bus, der gerade vor ihnen hielt und ließen sich auf einen Sitz fallen. „Vielleicht können wir mal was zusammen machen, also bevor du wegfährst, meine ich..." schlug Markus vor.
Susanne sah in sein Gesicht, das gespannt ihrer Antwort harrte, und nickte strahlend. „Super gern!", hätte sie fast noch hinzugefügt, aber stoppte sich rechtzeitig. Hieß es nicht in den Ratgebern, man sollte es den Jungen nicht zu leicht machen?
„Prima", freute sich Markus und ein strahlendes Lächeln zeigte sich in seiner Miene. „Magst du mir auch deine Nummer geben?"
„Ja, warte..." Susanne kramte in ihrer Tasche. Bedauernd hob sie den Kopf. „Habe leider keinen Zettel. Nur einen Stift."
„Ich schreib sie auf meine Hand." Markus streckte die Hand nach dem Kuli aus und notierte die Zahlen, die Susanne ihm aufgab. „So!", sagte er befriedigt und reichte ihr den Stift zurück.
Und dann verwickelte er sie in ein Gespräch über Urlaube und Reisen und nach einer Weile stellte Susanne fest, dass sie sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt hatte. Sie hing an seinen Lippen, wenn er vom Urlaub an der der Cote d'Azur oder am Atlantik erzählte und berichtete ihrerseits von den Urlauben im Harz, Bayerischen Wald und in den Alpen. Bevor sie auf den einzigen Frankreichurlaub zu sprechen kommen konnte, war es Zeit auszusteigen, und die letzte Strecke legten sie wieder händchenhaltend zurück.
Inzwischen war es dunkel geworden und man sah einige Sterne leuchten. Susanne genoss das wunderbare Gefühl erwiderter Zuneigung. War es zu glauben, dass wirklich das eintrat, was sie ich erträumt hatte, sie und Markus zusammen? Und es war jetzt nicht nur seine äußere Attraktivität, die sie anfangs zu ihm hingezogen hatte, sondern auch das Gefühl einer Seelenverwandtschaft und das wog viel mehr. War es das, was Kathi gemeint hatte, wenn sie davon sprach, dass sie in Saschas Anwesenheit das Gefühl hatte, alles Unglück und alles Schlechte vergessen zu können und sich einfach nur grenzenlos geborgen fühlte?
Susanne spürte Markus Finger, die sanft über ihre Hand strichen, und sie beide waren inzwischen angesichts der Romantik dieser milden, sterneglitzernden Julinacht verstummt. Viel zu schnell waren sie bei Susannes Zuhause angelangt.
„Hier wohne ich", brach Susanne das angenehme Schweigen und sie blieben stehen und sahen sich ein paar Sekunden schweigend an.
„Hast du Lust, am Samstag zum Wannsee zu fahren?", fragte Markus schließlich und dieses Mal bejahte Susanne ohne zu Zögern.
„Also dann...Ich rufe dich an, okay?"
Markus blinzelte nervös, machte aber keine Anstalten zu gehen.
„Ich würd' mich freuen", gab Susanne leise zurück und sah ihn unverwandt an. Da neigte Markus seinen Kopf und gab ihr einen zarten Kuss auf den Mund. Glücklich lächelnd lösten sie sich voneinander.
„Gute Nacht, Kathi!", wünschte Markus und Susanne erwiderte den Gute-Nacht-Gruß, ging widerstrebend auf die Haustür zu und winkte noch einmal, bevor sie im Haus verschwand.
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Herz in den Wolken
RomansaDas verflixte Liebesleben - ist in der geteilten Stadt Liebe über die Mauer hinweg möglich? Katharina stellt fest, dass das schwieriger ist als gedacht. Zumal der Zorn ihres Freundes Sascha über die Begrenzung seiner Freiheit ständig größer wird. Un...