13. November, Susanne

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Susanne

Im Café war viel los und in stiller Übereinstimmung steuerten sie daher einen Tisch weit weg von dem Tresen an. Seitdem Markus überraschend aufgetaucht war, war es mit Susannes Ruhe, um die sie den ganzen Tag mühsam gerungen hatte, wieder vorbei. Sie hatte jegliche Ablenkung genutzt, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass sie durch ihre Vermeidungstaktik selbst schuld an Markus Zorn und dem Ende ihrer Beziehung war. Wie hatte sie nur so blöd sein können, die ganze Zeit das aufs Spiel zu setzen, was ihr so immens wichtig war!

Susanne wusste, dass die Spuren ihrer morgigen Auseinandersetzung nicht unbemerkt an ihr vorüber gegangen waren, sie fühlte sich matt und ausgelaugt, und wenn auch ihre Augen nicht mehr gerötet waren, so spürte sie dennoch im Hintergrund ein leichtes Brennen, das Folge der vielen vergossenen Tränen war.

Was bedeutete es nun, dass Markus sie offenbar bewusst aufgesucht hatte? Sie warnte sich, nicht zu viel in sein Verhalten hinein zu interpretieren und kämpfte darum, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. Was ihr ausgesprochen schwer fiel, da ihr sofort die Tränen locker saßen, wenn sie ihn nur ansah und dadurch die ganzen schönen Erinnerungen auf sie einströmten. Sie hielt daher ihren Blick leicht gesenkt und beobachtete lediglich Markus' Finger, die mit einer Serviette spielten.

Um sie herum brandeten die Geräusche des Cafés auf, fröhliches Gelächter von irgendwo her, Wortfetzen von Gesprächen, die zu weit weg waren, um den genauen Wortlaut hören zu können und das Klirren von Geschirr. Die Bedienung kam und nahm ihre Bestellung auf. Jetzt musste er doch etwas sagen, oder?

Als sich das Schweigen jedoch ausdehnte, sah Susanne auf. Auch Markus hatte offenbar seine Aufmerksamkeit auf die Serviette gerichtet, mit der er etwas Undefinierbares zu formen versuchte; als er jetzt ebenfalls hoch sah, trafen sich ihre Blicke. Susanne spürte Sehnsucht in sich aufsteigen, nach dem zärtlichen Blick seiner Augen, den sie so gut kannte. Verunsichert legte sie ihre Hände auf die Tischplatte und kaute nervös auf ihren Lippen herum, eine unsägliche Eigenart, die sie bisher noch nicht geschafft hatte abzulegen.

„Nicht!", kam es impulsiv von Markus und seine Hand fuhr jäh hoch, wie um sie davon abzuhalten, stockte aber mittendrin und kam auf dem Tisch zu liegen, nur Millimeter von ihren Fingerspitzen entfernt „Du kriegst zerbissene Lippen."

„Ist doch egal", murmelte Susanne und merkte, wie ihre Augen sofort wieder feucht wurden.

„Mir nicht!" betonte Markus und sah sie unverwandt an. Ihre Fingerspitzen berührten sich, dann nahm er ihre Hände in seine. Eine Träne rollte Susanne die Wange hinab, aber in dem Wunsch, das Gefühl ihrer Hände in seinen auszukosten, solange sie noch die Möglichkeit dazu hatte, hielt sie davon ab, die Träne beiseite zu wischen.

Stattdessen strich Markus mit seinen Fingerspitzen sanft die Träne fort; eine liebevolle Geste, die paradoxerweise dazu führte, dass sich Susannes Augen erneut mit Tränen füllten. Schnell senkte sie daher den Kopf. Sie hasste es, dass sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle bekam.

Warum war er gekommen? Würde er ihr die Lüge verzeihen? Oder wollte er einfach in wohlgesetzten Worten offiziell mit ihr Schluss machen?

„Warum?", vernahm sie Markus' Stimme, „Warum hast du mir nie die Wahrheit gesagt?"

Seine Stimme klang ratlos, und ein wenig brüchig. Er hielt jetzt wieder mit beiden Hände ihre eigenen umfasst und Susanne spürte die Wärme, die von ihnen ausging, was ihr den Mut zu einer ehrlichen Antwort gab.

„Ich habe mich einfach nicht getraut", erwiderte sie bedrückt.

„Ich wusste nicht, dass ich so furchteinflößend bin", entgegnete Markus trocken.

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