8. Juli, Markus

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8. Juli, Markus

„Das ist ja süüüüß!"

Ines hing über dem Treppengeländer und beobachtete von oben, wie Markus seinen Rucksack packte. Sie wies auf die Packung Mon Chéri, die er gerade dabei war, im Rucksack zu versenken. „Ist das für deine neue Flamme?" Sie kicherte albern.

Markus fühlte sich ertappt. Er hatte gedankenlos etwas Süßes geholt und legte die Pralinen jetzt peinlich berührt auf die Treppenstufen. Um seine Verlegenheit zu überspielen, gab er wütend zurück: „Zieh Leine, du Ziege!"

„Mama!" brüllte Ines und beklagte sich lautstark: „Markus hat mich Ziege genannt!"

Sie blickte suchend nach oben, aber von ihrer Mutter war nichts zu hören oder zu sehen. Auf sich allein gestellt, schoss sie zurück: „Mit so einem wie dir will sich sowieso keine abgeben. Wetten, sie kommt nicht?"

„Halt dein Maul, oder du kriegst was drauf!", parierte Markus und sprang die Treppenstufen empor.

Ines flüchtete quiekend und lief ihrer Mutter direkt in die Arme. „Mama, Markus beschimpft mich", beklagte sie sich entrüstet.

Ihre Mutter seufzte tief: „Könnt ihr euch nicht mal am Wochenende vertragen? Markus, lass deine Schwester in Ruhe!"

Bitte???", empörte sich nun Markus, „Sie hat doch angefangen!"

Seine Mutter warf ihm einen vielsagenden Blick zu und fuhr fort: „Der Klügere gibt nach."

Markus verdrehte die Augen und erwiderte bissig: „Wenn die Klugen immer nachgeben, regieren die Dummen die Welt". Noch im Fortgehen ergänzte er: „Mir reicht's! Ich gehe jetzt."

Er schnappte sich seine Jacke und seinen Rucksack und ließ die Tür hinter sich zuknallen. Sobald er draußen im Vorgarten stand, verbesserte die Vorfreude auf das Treffen mit Kathi seine Laune merklich. Der Blick hoch zum Himmel offenbarte zwar einige Wolken, doch nichts an ihnen schien auf Regen hinzudeuten, sie waren so strahlend weiß, als wären sie einem Kinderbuch entsprungen. Damit stand dem Ausflug zum Wannsee nichts im Wege und er hoffte nur, dass Kathi die Idee mit dem Picknick gefiel.

Pfeifend holte er sein Rad und radelte zur S-Bahn-Station Zehlendorf. Er war viel zu früh dran und ging daher in den Zeitungskiosk, um gelangweilt durch ein paar Zeitschriften zu blättern, zwischendurch immer mal wieder einen Blick auf seine Uhr werfend. Markus gestand es sich nicht gerne ein, doch er war nervös und fragte sich, ob Kathi wohl kommen würde. Die Bemerkung seiner Schwester ging ihm nicht aus dem Kopf. Ines hatte ein loses Mundwerk und eigentlich sollte er nichts darauf geben, aber dennoch... dieses Gerücht mit dem Freund in der DDR machte ihm ein wenig zu schaffen.

Er versuchte sich selbst zu überzeugen, dass es sich nur um Gerede handelte, denn mal ernsthaft, wie wahrscheinlich war denn ein Freund in der DDR? Vermutlich ging es lediglich um einen Brieffreund. Seine Küsse in der Schule hatte sie zu seinem Leidwesen jedoch nur zögernd erwidert. Allerdings hatte sie vorgestern am Telefon total erfreut geklungen, längst nicht so reserviert wie in der Schule...vielleicht war sie in Anwesenheit anderer einfach nur gehemmt.

Markus sah wieder auf die Uhr, es waren noch acht Minuten vor ihrer vereinbarten Zeit. Sicherheitshalber ging er schon einmal nach draußen, aber sie war noch nicht da. Mit den Händen in den Hosentaschen starrte er Löcher in die Luft und kickte schließlich ungeduldig eine leere Coladose durch die Gegend. Von einem nahen Sportplatz war das fröhliche Johlen jugendlicher Fußballspieler zu hören.

Rumpelnd kam ein Bus angefahren und als er zum Stehen kam, entdeckte Markus Kathi an der hinteren Tür, die ihm verstohlen zuwinkte. Und dann stieg sie aus und strahlte ihn an und mit einem Mal war jeder Zweifel wie fortgewischt und beim sofort erfolgenden Begrüßungskuss war sie fern davon, sich in Zurückhaltung zu üben. Markus griff angetan nach ihrer Hand und lotste sie zum Bahnhof.

Herz in den WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt