Keeper Seeker (Harry Potter FF)

Kapitel 7

Sly

Ihre Schritte hallen auf dem Holzboden davon und ich bin erleichtert, dass sie endlich verschwindet. Das Blut pulsiert in meinen Ohren und ich greife nach der Stuhllehne vor mir, als ich sicher bin, dass Evans ganz sicher weg ist.

Diese kleine Harpyie geht mir tierisch auf den Sack. Immer wenn ich sie sehe, habe ich das Gefühl, gleich die nächste Migräneattacke zu bekommen – schlimmer noch als bei Violett. Mein Blick verschwimmt und ich sehe die Umrisse des Buchs vor mir nur noch unscharf. Fuck. Das geht seit Tagen schon so. Ständig ist mir schwindelig. Ich kann mich im Unterricht kaum konzentrieren. Deshalb sitze ich jetzt auch hier und mach diese Hausaufgabe für Binns. Aufgerechnet für ihn! Ich habe keine Ahnung, wie es diesem Gespenst auffallen konnte, dass ich abwesend war? Der schwafelt doch in einer Tour von Zaubererkriegen und bekommt in der Regel nicht mal mit, wenn wir Zauberschach spielen. Hector hat im letzten Jahr mit Atti einmal Knallpoker mit seinen Schokofroschkarten gespielt, selbst das hat Binns nicht mitbekommen.

Und ich nicke ein einziges Mal im Unterricht weg und er brummt mir eine fucking Strafarbeit auf? Das ist nicht fair. Und dann auch noch immer diese... Ich schnaube unwillkürlich und meine Nackenhaare stellen sich auf. Eine Strafarbeit über internationale Zauberschulen. Ihre Schule. Ilvermorny. Diese Entstehungsgeschichte. Ich fasse das nicht. Will Binns mich verarschen? Offensichtlich, denn ich erkenne keinen Mehrwert an der Arbeit. Abgesehen vielleicht davon, dass wir das 17. Jahrhundert gerade im Unterricht behandeln und die Gründungszeit dieser Schule in genau diese Zeit fällt. Außerdem haben wir letztes Jahr schon über verschiedene Zaubererschulen gesprochen, also was will Binns von mir?

Ich stöhne genervt auf und lasse mich frustriert auf den Stuhl fallen, auf dem eben noch Evans saß und Trübsal geblasen hat.

Nein, sie hat geheult, erinnere ich mich. Sie sah echt scheiße aus, als ich um die Ecke kam. Sie hielt diese Kette in der Hand und hat geheult. Für einen winzigen Bruchteil war ich überrascht, sie so zu sehen. Sie ist sonst so verdammt unnahbar und selbstsicher. Ich habe es noch nie erlebt, dass mir jemand so souverän die Stirn geboten hat – von Violett einmal abgesehen. Aber als sie an diesem Tisch saß, mit verfluchten Tränen in den Augen, hat es mir doch kurz... ja, was?

Den Atem verschlagen? Scheiße,  wo kam der Gedanke nur her?!

Nein, auf gar keinen Fall. Aber ich habe einfach ein Problem damit, wenn Mädchen heulen. Das konnte ich noch nie aushalten. Vermutlich habe ich sie auch deshalb gefragt, ob alles okay ist. Es war ein verdammter Reflex. Das hätte ich bei jeder anderen auch so gemacht – vielleicht auch bei Susie.

Ich schlage ziemlich geräuschvoll das Buch auf und rechne damit, das Pince ihre geierartige Gestalt wieder zwischen den Regalen hindurchschiebt und mir ein „Psst" zu zischt.

Ich kann dir Susie Fletcher vorbeischicken. Die hat sicherlich Interesse. Evans Worte hallen in meinem leeren Schädel wieder, wie ein sich ständig wiederholendes Echo, und starre auf die staubigen Seiten vor mir. Die Buchstaben sind so klein gedruckt, dass ich sie kaum lesen an.

Die verschnörkelte Überschrift tanzt vor meinen Augen. Die ehrwürdige Ilvermorny-Schule für Hexerei und Zauberei, Mount Greylock. Susie soll endlich runterkommen. Wir waren nie richtig zusammen. Wir hatten Spaß, aber sie hat sich aufgeführt, als ob ich ihr Eigentum wäre. Aber ich kann das jetzt nicht mehr. Ich muss mich auf das konzentrieren, was mir wirklich wichtig ist. Quidditch. Ich muss wieder in die Spur kommen. Ich muss die Mannschaft effizient aufstellen. Ich muss ein fähiges Team am Samstag auswählen und dann muss ich-

Ich muss.

Ich will nicht müssen.

Mein Blick heftet sich konzentriert auf die ersten Sätze, doch ich verstehe den Sinn nicht. Es bleibt einfach nicht in meinem Kopf hängen. Ich beginne von vorne.

Die ehrwürdige Ilvermorny-Schule für Hexerei und Zauberei wurde im frühen 17. Jahrhundert von der Einwanderin Isolt Sayre, einer Reinblüterin aus dem Haus Gaunt...

- ich muss wieder den Kopf freikriegen. Ich kann auf gar keinen Fall noch mal so ein zweites Jahr abliefern. Vater bringt mich um. Die ZAGs waren gerade so in Ordnung, um in die UTZ-Kurse zu kommen, die ich belegen wollte, aber... Ich kann nicht noch ein zweites Mal so tun, als ob ich noch immer der Alte bin. Das bekomme ich nicht hin.

„Finn."

Ich zucke zusammen und falle vor Schreck fast vom Stuhl. „War ja klar. Wo diese rothaarige Harpyie auftaucht, ist das pinke Wechselbalg nicht weit."

„Sei nicht so gemein." Violett sieht sich um und zieht sich dann den zweiten Stuhl heran. „Mach dich locker, es sind nur noch ein paar Zweitklässler aus Hufflepuff in der Bibliothek. Niemand, der deinen Ruf zerstört, wenn er uns zusammensieht."

Ich atme aus und weiß, dass es aussieht, als ob ich aufatme, aber das ist Bullshit. Damit hat es nichts zu tun. Ich habe einfach immer einen verdammten Knoten im Bauch, wenn ich sie sehe.

„Bist du okay?", fragt sie leise.

Ich sage nichts. Ich muss die Frage nicht beantworten, sie kennt die Antwort ohnehin. Ohne zu antworten, atme ich tief ein und schaue wieder in das Buch.

„Finn, rede mit mir."

„Nein."

Sie presst die Lippen aufeinander und steht mit gerümpfter Nase wieder auf. „Du bist so ein Idiot! Das fällt alles auf dich zurück, das ist dir hoffentlich klar, oder?!" Sie funkelt mich aus ihren grünen Augen an und ihre violetten Haare flammen kurz grell auf. Der Trick ist neu. Sie muss wirklich wütend auf mich sein.

Ich reagiere nicht auf sie und tue so, als ob ich sie nicht höre.

„Ich hoffe, du hast morgen so richtig die Hosen voll!", zischt sie und mir wird kalt. Morgen. Bei den Tryouts. „Du kannst das nicht ewig mit dir selbst ausmachen, weißt du!", ruft sie mir noch zu, als sie den Gang fast verlassen hat.

„Tschüss, Violett!"

Und da ist er, der geierhafte Hals von Madam Pince, der sich plötzlich durch eine Regallücke schiebt und mir laut ins Ohr zischt: „Ein letztes Mal: Ruhe, McDougal!" 

... und Morgen wird geflogen.

Wie das wohl wird?🤔