Rory
„Evans."
Ich bleibe stehen, kann mich nicht rühren. Finns Finger sind fest um meine geschlossen, eine andere Hand liegt stark und warm wie früher auf meiner linken Schulter. Ich schließe die Augen. Ich dachte, ich hätte mehr Zeit. Etwas mehr Zeit.
Ich drehe mich um, langsam, sehr langsam. So langsam, als ob ich durch Kaugummi wate. Dabei rutscht meine Hand aus Finns. Weil ich... weil.
Weil ich dachte, ich hätte mehr Zeit. Weil ich meine Augen nicht öffnen will, und es doch tue. Weil ich in Liams Schokoaugen schaue. Weil er mich anschaut, als ob er plötzlich in die Sonne schaut. Weil mir klar wird, wie sehr ich ihn vermisst habe, als er mich an sich zieht und umarmt.
„Du bist hier", murmelt er und atmet aus, während kurz darauf ein martialischer Schrei durch die Halle geht und ich Bruchteile später keine Luft mehr kriege. Der Schrei klingt wie
„Roooaaar!!!", aber ich weiß, dass es kein Brüllen ist, und, dass das zweite paar Arme, das sich so fest um mich schließt, zu Nate gehört. „Ror!", wiederholt er und springt hinter mir in die Höhe, hebt mich und Liam dabei hoch, dass wir den Boden unter den Füßen verlieren. Und dann bin ich umringt von ihnen, von meinem alten Team. Amy und Brittany schließen mich herzlich in die Arme, Corey und Brooks schlagen mit mir ein, als wäre ich nie weggewesen. Und Liam und Nate, sie strahlen mich an, als wären wir immer noch beste Freunde.
Das leise Räuspern hinter mir lässt mich zusammenfahren.Weil.
Finn steht an der Stelle, an der ich seine Hand losgelassen habe, und mustert mich neugierig. Keine Ahnung, was er denkt. Eben noch, vor zehn Minuten vielleicht, habe ich an seiner Brust geheult. Und jetzt, jetzt stehe ich hier und-
„Nate hat gesagt, du spielst?", sagst Brooks und sieht mich an. „In der Schulauswahl?"„Mega, spielen wir gegen dich?", Corey wackelt begeistert mit den Augenbrauen und Amy lacht.„Ich an deiner Stelle wäre nicht so begeistert, Corey", sagt sie wissend und lacht.
Ich spüre Liams Blick auf mir und dann, wie seine dunklen Augen weiter wandern. Über mich hinweg. Zu Finn. Mein Herzschlag beschleunigt sich. „Und du bist...", fragt er.Finn taxiert ihn ebenso kühl, wie Liam ihn. „Finneagan", erwidert er dann und etwas zuckt um Liams Mundwinkel. Ich bin mir nicht sicher, was es genau ist. „Mc Dougal", setzt Finn hinterher und reckt ein wenig das Kinn. Es ist nicht viel, vermutlich würde es jemanden, der ihn kennt, überhaupt nicht auffallen. Aber ich kenne ihn.
„Der Hüter", erwidert Liam und ich bin überrascht, dass er das weiß.
Finn rührt sich nicht. Seine Augen verengen sich ein wenig. „Und du bist?"Ich will die Antwort nicht hören. Etwas Ungesagtes schwebt in der Luft, etwas ungreifbares, Aufgeblasenes, das scharfe Krallen hat, obwohl die beiden sich zum ersten Mal sehen. Ich spüre es an der Art, wie Liam Finn beäugt, wie Finn ihn taxiert, wie ich zwischen beiden schwebe wie in einer Seifenblase, die zu platzen droht.
Noch bevor, Liam antworten kann, kommt Bewegung in die Halle und die Schülerinnen und Schüler nehmen ihre Plätze ein. „Rory, wir müssen unbedingt quatschen!", ruft mir Amy zu und setzt sich zu Brooklyn auf die Bank. Auch Nate drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Bye, Ror, wir sehen uns später", sagt er und setzt sich.
Nur Liam bleibt noch stehen und das Blickduell mit Finn hält einen letzten Moment an.„Der Treiber", gibt Liam schließlich zurück und lächelt schmal. „Rory, wir sehen uns, ja?"
„Natürlich...", höre ich mich sagen, und sehe mit wackeligen Knien zu, wie Liam sich hinter ein paar Spielern aus Japan durchschiebt, um auf der anderen Seite des Tisches Platz zu nehmen.
Finns Blick folgt ihm irritiert. „Was war das denn für einer?", sagt er und aus seiner Stimme ist nicht wegzuhören, dass er... verwundert ist.
Ich kann jetzt nicht darauf antworten. Außerdem sind wir neben einem Schwung Zweitklässlern, die kichernd durch das Portal kommen, die letzten, die noch stehen. „Komm", sage ich und laufe mit langen Schritten den Mittelgang hinunter und hoffe, dass er mir folgt. Dass das seine einzige Frage war.
„Interessantes Team", sagt Finn, als wir bei unserer Mannschaft ankommen. Natürlich sagt er das. Das, was er nicht ausspricht, ist: Wer ist der Treiber?
„Ja...", sage ich vorsichtig. „Fünf von ihnen waren in meinem Jahrgang."
„Das ist ja spitze für uns!" Sander hat große Ohren bekommen. „Dann kannst du uns ja alle Internas verraten und-"
Finn dreht den Kopf und Sander verschluckt sich hustend. „Wer ist der Treiber?", fragt er noch einmal. Nun so, dass es auch die anderen hören.Ich hole tief Luft. „Brooklyn Snyder", sage ich fest und füge etwas leiser – und deutlich vernuschelter hinterher: „Ähm... und, äh Liam Crawford."
„Solltest du dir als Hüter nicht Sorgen um die Jäger machen?", fragt Olly und grinst. „Oder hast du Sorge, dass Fawley vom Besen genietet wird?"
Stille tritt ein.
Finn starrt ihn an, ebenso wie der Rest. Vielleicht weil uns allen in dieser seltsamen Situation mal wieder bewusst wird, dass Fawley die Nummer 1 ist.
Vielleicht, weil wir merken, dass es sich unnatürlich anfühlt, dass Finn es als Captain nicht ist.
Vielleicht, weil Finn gespürt hat, dass „der Treiber" ihn provoziert hat.
„Das weniger", sagt Finn nachdenklich und rutscht auf die Bank und macht mir Platz.
Währenddessen beginnt McGonagall mit ihrer Rede. Willkommen, willkommen zu den Hungerspielen – oder so ähnlich. Sie wünscht sich faire Spiele, neue Freundschaften, viel Spaß und internationalen Austausch. So in etwa. Mehr bekomme ich nicht mit. Meine linke Körperseite kribbelte vor lauter Anspannung, die von Finn ausgeht.
„Dann... guten Appetit!", schließt McG schließlich ihre Begrüßungsrede und auf den Tischen erscheint das Festmahl. Kürbispastete und Erbsenpüree und Wildschweinkeulen.
„War ein anstrengender Tag, oder?", murmle ich, während ich Finn dabei zusehe, wie er sich Unmengen an Blumenkohl und Hähnchen auf den Teller lädt und eine Weile Rosenkohl von einer auf die andere Seite rollt. Er schaut in die Runde, wie um sich zu vergewissern, dass die anderen in ihre Gespräche vertieft sind, und hebt erst dann den Blick. „Ein Freund?", fragt er leise und seine Gabel verharrt mit dem Rosenkohl an einer Kante.
Ich lausche noch immer der Anspannung in seiner Stimme nach und hole tief Luft. „Ein Freund."
„So hat er dich nicht angeschaut, Evans."
Ich schaffe es, auszuatmen. Zittrig. Er ist ein wirklich aufmerksamer Beobachter. „Ich weiß."
„Du ihn übrigens auch nicht." Er rollt den Rosenkohl zurück und spießt ihn auf die Gabel auf.
„Finn."
„Finne mich nicht." Er legt die Gabel auf den Tisch und lässt die Schultern sinken. „Ja, es war ein scheiß anstrengender Tag." Er reibt sich über die Augen und seufzt schwer.
„Nach dem Essen. In der Eulerei, okay?"Finn nickt schwerfällig und schließt die Augen. Als er sie wieder öffnet, geht sein Blick zum
Podest der Lehrer und er schüttelt den Kopf. „Nee. Ich hab ne bessere Idee."
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Kurz, aber immerhin :)
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Keeper Seeker (Harry Potter FF)
FanfictionFür Rory geht eine Welt unter, als ihre Eltern ihr eröffnen, dass sie von Massachusetts nach Salisbury umziehen werden. Rorys Vater hat dort eine neue Anstellung gefunden. Der Umzug soll für die Familie einen Neuanfang darstellen, um nach dem Versc...