Kapitel 22

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Das, was dann folgt, ist... Chaos. Pures Chaos.

„Was?!" Vi steht vor lauter Fassungslosigkeit der Mund offen und ich kann auch nicht glauben, was gerade passiert ist.

„McDougal ist nicht nominiert? What the Fuck?" Olly springt auf die Bank und starrt quer durch die Halle zum Slytherin-Tisch. Und auch ich versuche, einen Blick auf Finn zu erhaschen. Was passiert hier gerade?

Ich sehe ihn nicht. Es ist zu viel Tumult in der Halle.

Die Hufflepuffs rasten komplett aus. Irgendjemand lässt ein Feuerwerk hochgehen. Gryffindor rastet komplett aus, vermutlich, weil sie sich freuen, dass McDou nicht im Tor stehen wird. Am Tisch der Slytherins herrscht Totenstille. Dann werden Rufe laut. Jemand buht McGonagall aus. Nicht nur Einer macht seinem Unmut Luft.

Wer zum Donner ist Frances Fawley, denke ich, während ich fast schon verzweifelt versuche, in all dem Tumult Finn auszumachen.  Es gelingt mir nicht.

„SILENCIO!", brüllt nun Hooch, aber keiner hört ihr zu.

„Meine Herrschaften, wenn Sie hier nicht bald Ruhe halten muss ich Petrificus Totalus anwenden - für die gesamte Schule!", droht McGonagall und das laute Gemurmel ebbt etwas ab.

Aufgesprungene Schüler setzen sich und ich sehe nun endlich Finn, der sehr entspannt am Slytherin-Tisch sitzt und an seiner Flasche Kürbissaft nippt. Er hebt den Blick und schaut mich an. Seine rechte Augenbraue zuckt nach hoch, nur ein kurzes Stück. Dann lächelt er kurz und etwas schief.

Er wusste es.
Er muss es gewusst haben.
Wie sonst könnte er so... gechillt sein, während die gesamte Schule Kopf steht?

„Scheiße man... Was hat die beiden denn geritten, ihn nicht als Hüter aufzustellen?!" Ich glaube, Violett weint gleich los. Sie steht total neben sich.

„Ruhe, jetzt!" McG hebt den Zauberstab. „Letztes Mitglied der Hausmannschaft für das kommende Schulturnier ist der Sucher", sagte McGonagall scharf und zieht beide Augenbrauen so hoch, dass sie fast unter ihrem Haaransatz verschwinden. „Aurora Evans, Ravenclaw! Gute Nacht, meine Damen und Herren."

Wie vom Donner gerührt sitze ich am Ravenclaw-Tisch, während um mich herum die Hölle losbricht. Die Ravenclaws sind nicht mehr zu halten und die Hauslehrer haben alle Hände voll zu tun, alles unter Kontrolle zu halten. Die Bemühungen scheitern im Ansatz und irgendwann gibt Flitwick auf.

Was ist das denn bitte für ein Irrsinn?

Finn stellen sie nicht auf - aber ich bin drin? Was soll das?

„Denken Sie daran, morgen ist ein normaler Schultag!", piepst Flitwick noch in seinen Zauberstab, bevor er mit den anderen Lehrern verschwindet. „Feiern Sie nicht zu wild!"



Sie lassen uns tatsächlich feiern. Und wie! Einer von den Weasley-Jungs aus Gryffindor besorgt mit seinen Kumpels in Windeseile aus den Küchen Butterbier und Atticus Flint zaubert mit einem ziemlich guten Aufrufezauber seine Musikanlage in die große Halle und gibt den DJ. Es fühlt sich an wie die Partys zuhause in Ilvermorny, zum Cranberry Day oder zu Thanksgiving. Es ist laut und wild und alle rasten ziemlich aus, als aus den magisch aufgeblasenen Boxen ein alter, aber immer noch guter Song von den Schicksalsschwestern dröhnt, den ich seit Ewigkeiten nicht gehört habe. Alle kennen den Text, singen lauthals mit und tanzen ausgelassen. Vi reißt mich von meinem Platz hoch und ich taumle noch immer benommen hinter ihr her vor zur provisorischen Tanzfläche. Neben uns baumeln unsere blau-weißen Banner von der Decke und Sander springt wie ein durchgedrehter Irrwicht durch die Menge. Er bekommt sich gar nicht ein, vor Freude. Ich bin mir unsicher, welche Freude bei ihm gerade überwiegt: den Quidditch-Pokal gewonnen zu haben oder beim Schulturnier spielen zu dürfen.

„Der ist total hinüber", raunt Vi mir in mein Ohr und wirbelt mich herum. Ist er.

Nicht weit von uns entfernt sehe ich Mimi Smith mit ihrem Team und macht Quatsch-Fotos. Sie steht strahlend in der Mitte, löst sich schließlich aber von den Hufflepuff-Spielern und kommt auf Vi und mich zu. „Du bist 'ne Wucht, Rory!", sagt sie zu mir. „Ein Sucher-Tor! Das ist ja der Knaller!"

„Naja, genau genommen ist der Quaffel nur an meinem Besen abgeprallt und-" Ich atme aus und geben es auf, die Aktion weiter klarzustellen. Ja, es war ein geplanter Spielzug.

Ich zucke mit den Achseln und sehe über ihre Schulter zur anderen Seite der großen Halle, wo Finn noch immer - oder wieder - mit Atticus redet. Er ist immer noch total entspannt. Die Verkündung scheint ihm wirklich am Allerwertesten vorbeizugehen. Ich frage mich, warum das so ist? Er muss es wirklich vorab gewusst haben. Oder vermutet haben, dass es so kommen wird. Oder er ist ein verdammt guter Schauspieler. Oder betrunken. Wo hatte er damals den Feuerwhisky noch gleich her?

Es ist seltsam, denn während ich ihn so beobachte, hebt er den Kopf, sein Blick findet mich sofort in der Menge. Als ob er genau wissen würde, dass ich ihn beobachte. In seiner rechten Hand hat er mittlerweile eine Flasche Butterbier und lehnt mit dem linken Arm so lässig gegen den Kaminsims, dass es fast ein wenig wehtut. Er sieht so lächerlich gut dabei aus. Das bemerken offensichtlich auch Susie Fletcher und ihre Freundin Persephone Jones. Zielstrebig steuern die zwei durch die Halle auf die beiden Jungs zu und nehmen sie in Beschlag. Persephone beginnt, heftig auf die Jungs einzureden, vermutlich macht sie Atticus Komplimente, wie gut er geflogen ist und wie viele Klatscher er geschlagen hat, denn sie tatscht auffallend häufig an seinen Oberarm. Susie schmachtet, wie immer, McDougal an. Diese verlogene Kuh. Vor zwei Wochen hat sie ihn noch als Choleriker bezeichnet und jetzt? Ihr kommen kleine, aufgesetzte Herzchen aus den Augen geflogen und ich muss mir ein Augenrollen verkneifen, während sie vermutlich gerade vom Stapel lässt, was für eine Schande es ist, dass er, der strahlende Star ihres Teams, nicht nominiert ist. Diese berechnende Ziege. Um Finns Mundwinkel zuckt es ebenfalls. Ob er ähnliches denkt?

Innerlich beginne ich zu zählen, wie lange er es wohl in ihrer Gegenwart aushält. Ich hoffe, nicht länger als zehn Sekunden.

Wieder trifft mein Blick auf seinen. In meinem Bauch kribbelt es, als ob eine Schar Billywigs darin unterwegs wäre. Finns Blickkontakt mit mir reißt erst ab, als Susie ihn am Arm berührt und er erschrocken zu ihr sieht. Ich hasse es, dass sie noch immer bei ihm steht. Dass sie anfasst und dass mir das nach all dem, was zwischen uns passiert ist  - dem ganzen hin und her  -  überhaupt etwas ausmacht. Was soll der Blödsinn, Evans? Schmachtest ihn genauso an, wie diese Schnatz-Bunnys? Das ist doch lächerlich. Du solltest allmählich Abstand zwischen dich und ihn bringen. Das wäre besser für dich.

Trotzdem: Noch während ich mich wieder Mimi und Vi zuwende, pocht mir mein Herz bis zum Hals und ich könnte Gift und Galle spucken auf Susie Fletcher vor Eifersucht, weil die zehn Sekunden schon lange um sind.

Keeper Seeker (Harry Potter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt