Kapitel 168

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Wincent überlegte einen Moment. “Okay, vielleicht hast du Recht. Aber was ist, wenn du deine Ärztin nochmal brauchst?” “Ich glaube nicht, dass sie mir helfen kann. Mir würde es ein gutes Gefühl geben, mit Kevin darüber zu sprechen.” Wincent war sich immer noch nicht sicher. Er fühlte sich noch ein bisschen wie in einer Schockstarre und hatte seine Gedanken noch nicht sortiert. Am liebsten würde er sich einfach mit Steffi zusammen aufs Sofa kuscheln. “Wollen wir nicht morgen zurückfahren? Ich bin noch so durcheinander.” sagte er leise. Steffis Ton wurde energischer “Wincent, ich auch. Aber aus meinem Körper wird nachher eine Menge Blut und ein totes Pünktchen kommen. Ich glaube nicht, dass wir beide gerade in der Lage sind, dabei einen klaren Kopf zu behalten. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Kevin da ist. Ich habe Angst!” Das es ihr hierbei hauptsächlich um Wincent ging, sagte sie ihm lieber nicht. Erschrocken sah er sie an. “Willst du eigentlich deine Mama anrufen?” fragte Wincent. “Nein, die würde mich jetzt nur verrückt machen. Ich will das jetzt einfach hinter mich bringen. Danach werde ich es ihr erzählen.” Wieder krampfte sie zusammen und hielt sich den Unterleib. Sie stöhnte auf vor Schmerz. Wincent wusste nicht, was er in diesem Moment tun sollte. Und was sollte er tun, wenn es nachher soweit war? “Scheiße, man ich kann das hier nicht. Okay, wir fahren nach Hamburg.” beschloss Wincent. Als sie im Auto saßen, schrieb Steffi Kevin kurz. Wincent hatte Gas gegeben und fix waren sie wieder an ihrer gemeinsamen Wohnung. In der Wohnung angekommen, saß Kevin telefonierend auf dem Sofa. “Ah sie kommen gerade, ich frage sie mal, Moment.” Er hielt Steffi den Hörer hin. “Wenn du magst, kannst du direkt mit Lisi sprechen.” 

[2] Steffi griff dankbar nach dem Hörer und verschwand im Schlafzimmer. “Hey Steffi. Wie geht es dir? Ohman, das tut mir so leid.” “Ich kann es noch nicht ganz realisieren. Aber die Unterleibschmerzen werden schlimmer und verdeutlichen es leider.” Steffi setzte sich aufs Bett. “Das glaube ich dir. Aber du darfst auf keinen Fall glauben, dass es deine Schuld ist, okay? Das kann keiner beeinflussen und es passiert häufiger, als man denkt. Nur viele sprechen da nicht drüber. Und du kannst danach immer noch Kinder bekommen, die Wahrscheinlichkeit wird dadurch nicht verringert.” Steffi gab ein leises “mhm” von sich. “Ist alles okay bei dir?” “Ja, schon irgendwie.” “Was geht dir gerade durch den Kopf?” wollte Lisi wissen. “Als wir die Nachricht vorhin bekommen haben, war ich erstmal schockiert. Aber ich glaube, es war schlimmer, Wincent so am Boden zu sehen, als der Gedanke, dass ich das Kind verloren habe...Ich hatte irgendwie gedacht, dass ich trauriger wäre. Weißt du, wie ich das meine? Ich konnte noch nicht mal weinen. Oh Gott das klingt gerade total schrecklich…” “Das tut es nicht, das ist normal. Du warst eigentlich noch nicht bereit für das Kind, oder?” “Nein. Ich habe sogar über eine Abtreibung nachgedacht. Aber ich habe mich dann doch irgendwie auf das Kind gefreut. Aber jetzt bin ich auch irgendwie froh, dass das Schicksal einfach entschieden hat. Aber das könnte ich Wincent so nicht sagen.” “Das musst du ihm so auch nicht sagen. Mir ging es damals sehr ähnlich, wie dir. Ich habe Kevin das auch nie so direkt gesagt.” “Aber hattest du nicht bei der nächsten Schwangerschaft total Angst, dass es wieder nicht klappt?” fragte Steffi unsicher. “Nein, das blendet der Körper irgendwie aus. Außerdem waren die Umstände da ganz anders. Das Kind war geplant und Kevin und ich waren darauf vorbereitet. Ich glaube ja daran, dass alles so kommt, wie es kommen soll.” Steffi musste schmunzeln. “ Das sagt meine Oma auch immer. Und ich glaube, der Gedanke hilft mir gerade sehr. Ich wollte nicht schwanger werden. Das hat mein Körper wahrscheinlich bemerkt, und rechtzeitig eingelenkt.” Dann unterhielten sie sich noch ein bisschen über das, was ihr noch bevorstehen würde.

[3] Zur gleichen Zeit im Wohnzimmer. “Du hast mir nie von der Fehlgeburt erzählt, warum nicht?” fragte Wincent. “Da kannten wir uns noch nicht. Wir waren noch sehr jung. Ich habe damit abgeschlossen. Es ist wie bei euch, sehr früh passiert.” “Ich kann das einfach nicht glauben. Ich war gerade dabei, mich seelisch auf die Vaterrolle vorzubereiten, und dann sowas. Mir tut Steffi so leid, sie scheint echt Schmerzen zu haben und vorhin dachte sie auch noch, ich gebe ihr die Schuld daran.” Wincent ließ den Kopf hängen. “Da kann keiner etwas dafür, das ist leider ein natürlicher Prozess. Wichtig ist, dass ihr füreinander da seid, Bro. Das hat Lisi und mich damals noch enger zusammengeschweißt. Lass sie das nicht alleine durchmachen. Und es ist okay, wenn ihr Zeit zum Trauern braucht. Aber lasst euch davon nicht runterziehen, das Leben geht weiter.” Es tat gut, mit Kevin darüber zu quatschen, denn er schien ihn echt zu verstehen. “Danke man, aber es geht einfach immer noch nicht in meinen Kopf rein. Am Anfang war es einfach nur ein Punkt, ein kleines Etwas. Aber trotzdem irgendwie ein Wunder, was doch nur geliebt werden wollte. Ich frag mich immer, ob unsere Liebe nicht groß genug war? Wir hatten viel zu wenig Zeit, um uns daran zu gewöhnen.” Plötzlich sprudelten die Worte nur so aus ihm raus. “Willst du es aufschreiben?” fragte Kevin. Wincent zückte sein Handy und tippte ein paar Notizen ein. Vielleicht war es gar keine schlechte Idee, seine Gefühle in einem Song zu verarbeiten. Als sich die Schlafzimmertür öffnete, sah Wincent sofort auf. Steffi sah müde aus. Er ging auf sie zu und nahm sie in den Arm. “Wie geht es dir?” flüsterte er ihr ins Ohr. “Nicht gut. Und dir?” “Beschissen.” Dann standen sie beide einfach fest umschlungen da, bis Steffi die Tränen kamen. Leise schluchzte sie. Dann brach auch bei Wincent der Bann und er konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Für Steffi war es irgendwie auch ein befreiendes Gefühl, endlich ihre Emotionen loszuwerden. 

Wie schön das Leben mit dir ist - Steffi (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt