Kapitel 323

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Am nächsten Morgen waren alle ein wenig zerknirscht und müde und deshalb beschlossen sie auch, einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft zu unternehmen. Dass sie dabei von einer kleinen Truppe Mädels angetroffen wurden, die vermutlich rausgefunden hatten, in welchem Hotel sie waren, störte dabei keinen. Brav machten alle Fotos mit ihnen und Wincent nahm sich sogar noch kurz die Zeit, um ein bisschen zu quatschen. Solange keiner aufdringlich wurde oder ihm zu nahe trat, machte er das ja auch gerne. Die Mädels bedankten sich auch und waren nach kurzer Zeit ganz aufgeregt wieder abgehauen. "Ich frag mich ja manchmal echt, woher einige immer die Zeit nehmen." murmelte er und griff nach Steffis Hand. "Ich finds übrigens richtig schön, dass das hier so normal geworden ist." Dabei drückte er ihre Hand noch fester. Inzwischen war Steffi schon so lange an seiner Seite, dass keiner der Fans mehr einen Aufstand veranstaltete, wenn sie dabei war. Und auch bei Instagram oder in der Presse wurde nichts mehr über ihr Privatleben verbreitet, solange sie es nicht selbst über ihre Accounts teilten. Die frische Luft tat allen gut und wieder munter machten sie sich zurück an die Arbeit. Noah hatte den Kamin angemacht und Steffi hatte sich mit einer Wolldecke aufs Sofa gekuschelt. Wincent saß neben ihr und durchsuchte seine Notizen im Handy nach Themen, über die er gerne noch Songs schreiben wollte. Matti, Philipp und Konrad gingen die bisherigen Themen nochmal durch. "Ich hab hier noch eine Songidee, die ich letztes Jahr irgendwann aufgeschrieben habe." murmelte Wincent. "Und? welche?" fragte Matti neugierig. Wincent schaute zu Steffi. "Das war am Anfang unseres Kennenlernens. Als ich noch nicht so ganz wusste, wohin das führt, aber irgendwie schon wusste, dass ich dich eigentlich nicht gehen lassen wollte." Etwas verlegen lächelte er sie an und Steffi lächelte einfach nur zurück. "Da würde ich gerne mehr drüber hören." Tatsächlich hatten sie wirklich selten mal darüber gesprochen, was sie eigentlich am Anfang ihres Kennenlernens gefühlt hatten und Steffi interessierte es total, was Wincent damals gedacht hatte. Vor allem, wenn er damals schon Gedanken daran hatte, das in einem Song zu verarbeiten. Sie legte sich seitlich mit ihrem Kopf auf seinen Schoß und machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Wincent strich ihr sanft über den Rücken und fing an zu erzählen. Mit seinen Gedanken war er sofort wieder in dem Moment, als Steffi ihn damals das erste Mal zuhause bei seiner Mum besucht hatte. Steffi lag ruhig da, genoss seine Nähe und lauschte seinen Worten. Auch Matti und Konrad hörten ihm entspannt zu. "Ich hab das Gefühl, dass es echt gerade erst war. Dieser Moment, als wir uns damals verabschiedet hatten, nachdem wir zwei so schöne Tage hatten. Ich hab das so genossen, die Zeit mit dir zu verbringen und dir näher zu kommen. Das war alles eigentlich gar nicht geplant, aber es hat sich einfach richtig angefühlt, dich damals im Strandkorb einfach zu küssen. Das mit uns hat sich so gut angefühlt. Und mir ist dieser Abschied echt schwer gefallen, das war irgendwie anders als sonst, wenn ich jemanden kennengelernt hatte. Ich wollte noch so viel mit dir machen, dir noch so viel zeigen und dich unbedingt noch weiter kennenlernen. Wie du mit meiner Schwester gebacken hast, war so süß, sie mochte dich direkt so gerne." Wincent stoppte kurz. Steffi drehte sich auf den Rücken und schaute Wincent an. "Du hast mir nie erzählt, dass dir das so schwer gefallen ist, das wusste ich gar nicht. Ich dachte, das wäre völlig okay, dass ich jetzt fahre und du noch Zeit mit deiner Familie hast." "Ja, es war ja auch okay, dass du gefahren bist. Aber irgendwie halt auch nicht. Ich hab einfach so gehofft, dass wir die Zeit ganz schnell wieder bekommen und hatte gleichzeitig so Angst, dass wir keine Möglichkeit mehr dazu haben, wenn wir erstmal wieder getrennt sind, weißt du?" Steffi nickte. "Ich hatte auch Angst. Angst davor, wie es überhaupt weitergehen würde." gab Steffi dann ehrlich zu. Dass Matti und Konrad noch mit im Raum saßen, hatten die beiden gerade total vergessen, bis Konrad sich kurz räusperte. "Darf ich euch kurz stören?" Beide schauten ihn an. "Wincent, das ist ein mega gutes Thema, was wir auf dem Album noch gar nicht haben. Genau dieses Gefühl, was du oder ihr gerade beschrieben habt, ganz am Anfang zu sein und Angst zu haben, was kommt. Oder ob überhaupt noch was kommt. Ich glaube, damit kann man echt viele Leute berühren." Wincent schaute zu Steffi, die sich inzwischen aufgesetzt hatte und nach seiner Hand griff. "Konrad hat Recht. Was hast du dir denn für Notizen ins Handy geschrieben?" Wincent griff nach seinem Handy. Zuerst war er sich nicht sicher, ob er diese Gedanken teilen wollte, aber Konrad hatte schon Recht. Und das hier war echt, seine echten Gefühle. Und genau das wollte er ja auch in seinen Songs zum Ausdruck bringen. Es sollte darum gehen, was er in bestimmten Situationen gedacht und erlebt hatte. "Ich hab mir einfach ein paar Stichpunkte gemacht, als ich abends im Bett lag und nochmal an die Zeit gedacht hab." Er tippte auf sein Handy und las vor: "Warum bleibst du nicht bei mir?Auch wenn ich es gerade noch nicht zeigen und meine Gefühle nicht beschreiben kann, würde ich mir wünschen, dass du bei mir bleibst. Habe Angst, dass es vorbei ist, ich will das nicht schon wieder erleben." Matti nickte. "Da kann man was draus machen. Vielleicht für die erste Strophe? Um einfach auszudrücken, dass da was ist, und du das noch nicht ganz deuten kannst, aber weißt, dass sie eigentlich bei dir bleiben soll, damit du es herausfinden kannst?" Und so langsam kamen sie wieder in Fahrt. Wincent konnte sich komplett wieder in die Gedanken von damals versetzen. "Ich hab dann auch wieder daran gedacht, wie oft ich solche Situationen schon verbockt habe, weil ich mich vor meinen eigenen Gefühlen versteckt habe. Aber irgendwas in mir wusste einfach, dass ich bei Steffi echt den Arsch hochkriegen musste und einmal nicht feige sein durfte. Vielleicht kann man das auch noch mit einbringen? Also diese Selbstzweifel, und dass ich aber darum kämpfen möchte?" Steffi hielt immer noch seine Hand. "Ich fand das eben auch ganz gut, als du gesagt hast, dass es okay ist, wenn ich gehe. Aber irgendwie auch nicht. Das zeigt ja irgendwie auch nochmal diesen innerlichen Konflikt, dass es eben so ist, dass ich gegangen bin, du das aber eigentlich nicht wolltest und dadurch der Wille stark genug war, dass wir uns wiedergesehen haben." Bei diesen Sätzen fingen Wincents Augen an zu leuchten. Wie konnte ihn nur jemand so krass gut verstehen, wie Steffi? Sie schaffte es einfach immer wieder, genau das, was er versuchte auszudrücken, in klar verständlich Worte zu bringen. In seinem Kopf flogen die Wörter durch die Gegend und immer wieder summte er verschiedene Sätze vor sich hin. "Auf jeden Fall sollte es ne Klavierbegleitung sein." warf Konrad ein und alle nickten zustimmend. Steffi warf nochmal einen Blick auf Wincents Handy. "Und was soll das mit dem Schmetterlingen und Steinen hier heißen?" sie schaute Wincent fragend an. "Ich weiß gar nicht mehr genau, wie dieser Gedanke oder das Bild in meinen Kopf gekommen ist. Aber das habe ich schon die ganzen Jahre, bevor wir uns kannten, immer wieder gehabt. Ich hab mir immer vorgestellt, wie ich verliebt bin und eben diese Schmetterlinge im Bauch hatte, aber gleichzeitig habe ich das Gefühl auch mit etwas Negativem verbunden, also so Magenschmerzen. Halt, als ob jemand oben in meinem Kopf steht und irgendwas auf diese Schmetterlinge schmeißt. Steine oder so, damit sie schnell aufhören zu fliegen." Und so wurde diese Metapher nach einigen Formulierungsversuchen fest eingebaut. Kevin und Philipp waren inzwischen auch wieder zu ihnen gestoßen und gemeinsam feilten sie die ganze Nacht an Text und Melodie, bis sie irgendwann den gesamten Text aufgeschrieben hatten, mit noch einigen Alternativen. "Fehlt nur noch der Titel." stellte Philipp irgendwann gegen 5 Uhr morgens fest. "Lass uns das mal ganz klassisch machen. Jeder notiert sich eine Passage aus dem Lied ins Handy und danach gucken wir, ob es Übereinstimmungen gibt. So sind schon einige gute Songtitel entstanden." Alle tippten etwas in ihr Handy und legten es dann umgedreht in die Mitte. Philipp zählte bis drei und alle drehten ihr Handy gleichzeitig um. Und auf den Displays von Philipp, Matti, Steffi und Wincent standen die gleichen Wörter:" Irgendwie auch nicht."

Wie schön das Leben mit dir ist - Steffi (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt