Kapitel 170

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Die Stimmung bei seiner Mutter am nächsten Tag war betrübt und Angela wusste sofort, dass die beiden ihr nichts Schönes zu erzählen hatten. Shayenne war zum Glück nicht da. Wincent hätte es nicht über das Herz gebracht, seiner Schwester davon zu erzählen. “Was habt ihr zwei denn auf dem Herzen? Winnie, du bist ja ganz blass.” Wincent schaute sie traurig an und suchte hilflos Steffis Blick. Seine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt und er merkte, wie er diese Worte einfach nicht über die Lippen bekam. “Ich hatte vorgestern eine Fehlgeburt.” sagte Steffi mit klarer Stimme. “Oh, das tut mir sehr leid für euch.” “Danke Mum. Bitte erzähle es Shay nicht, okay?” Verständnisvoll legte Angela ihrem Sohn die Hand auf die Schulter und lächelte ihn besorgt an. “Keine Sorge, aber irgendwann sollte sie es auch erfahren, oder willst du das vor deiner Schwester verheimlichen?” Gedankenverloren schüttelte er den Kopf. “Ich muss raus.” Wincent stand plötzlich auf, holte seine Jacke und ging in den Garten. Er versenkte die Hände in den Hosentaschen und ging ziellos übers Gras. Ab und an kickte er lustlos einen Stein vom Rasen. Steffi und Angela schauten aus dem Wohnzimmer zu ihm. Steffi seufzte leicht. “Ihn nimmt das wahnsinnig mit. Er hatte sich so auf das Baby gefreut. Wir wissen es seit 4 Wochen ungefähr, ich war in der 8. Woche. Wir wollten es euch eigentlich bald erzählen.” Angela legte ihr die Hand auf den Arm. “Irgendwie schafft ihr das schon. Aber hoffentlich müssen wir uns keine Sorgen um ihn machen.” Steffi zuckte mit den Achseln. “Bald geht zum Glück die Tour los, dann hat er wieder Ablenkung. Es wird ihm gut tun, seine Band und auch die Fans wieder zu sehen und auf der Bühne zu stehen.” Und darüber war Steffi auch ganz froh. Wenig später ging Steffi raus zu Wincent, der immer noch auf dem Rasen herum spazierte. Sie griff nach seiner Hand. “Lass uns wieder nach Hause fahren, okay? Ich halte es hier nicht aus.” murmelte er leise. 

[2] Zuhause ging Wincent zum Kühlschrank und setzte sich mit einer Flasche Bier aufs Sofa. “Wincent, willst du nochmal reden?” Steffi setzte sich neben ihn. “Nein, ich kann da gerade einfach nicht drüber reden. Meine Mum weiß jetzt Bescheid. Lass uns das Thema erstmal abhaken, und nach vorne schauen, okay?” Steffi schaute ihn etwas verwundert an. Sie kaufte ihm nicht ab, dass er das einfach so abhaken konnte. “Bist du sicher?” “Steffi, bitte.” er schaute sie mit flehenden Augen an. “Okay. Ich gehe schlafen. Kommst du auch gleich?” Sie stand auf und drückte ihm noch einen Kuss auf die Stirn. Wincent brummte nur und lehnte sich dann zurück. Als er ins Bett kam, war es schon spät und Steffi nahm seine Bierfahne nur noch im Halbschlaf war. Am nächsten Morgen musste sie früh aufstehen, denn sie hatte einen Termin beim Frauenarzt zur Ausschabung. Noch etwas gerädert schlich sie aus dem Schlafzimmer, da Wincent noch tief und fest schlief. Ein Blick ins Wohnzimmer verriet ihr, warum er gestern so spät ins Bett gekommen war. Auf dem Wohnzimmertisch standen 6 Flaschen Bier. Kopfschüttelnd räumte sie alles weg und machte sich dann fertig. Dann setzte sie sich neben ihn aufs Bett und strich ihm über den Rücken. “Hey Wincent, ich muss gleich los. Ich habe doch den Termin beim Frauenarzt. Willst du mitkommen?” Er brummelte kurz und schaute sie dann zerknautscht an. “Wärst du mir böse, wenn ich nicht mitkomme? Ich schaffe das einfach nicht. Ich kann dich da nicht sehen.” “Das ist okay, Alina würde mitkommen. Ich bleibe dann aber zuhause. Du fährst morgen nach Berlin, oder?” “Ach scheiße, ja. Dann sehen wir uns ja vorher gar nicht mehr, oder? Fuck. Okay ich komme morgen noch kurz bei dir vorbei, ja?” “Ja okay, das würde mich freuen.” Eigentlich passte es ihr überhaupt nicht, dass sie ab morgen getrennt wären, aber sie wollte ihn auch nicht nach Berlin begleiten. Vielleicht würde ihm der Abstand und die Ablenkung ganz gut tun. Sie konnte ihm scheinbar gerade eh nicht helfen und wollte schnellstmöglich wieder in ihren Alltag zurückkehren. “Steffi? Meld dich nachher, wie es gelaufen ist, ja? Und sei bitte nicht sauer.” sagte er müde. “Alles gut. Ich melde mich und wir sehen uns morgen.” Sie drückte ihm noch einen Kuss auf den Mund und machte sich dann auf den Weg nach Bremen. 

[3] Natürlich hätte sie Wincent gerne bei dem Eingriff dabei gehabt, aber sie konnte auch irgendwie verstehen, dass er das gerade auf seine Art verarbeiten musste. Auch Alina war etwas irritiert, als Steffi ihr davon erzählte. Aber selbstverständlich wollte sie jetzt in erster Linie einfach für ihre Freundin da sein. “Ihn hat das glaube ich mehr verletzt als mich. Für mich ist das okay, ich komme schon irgendwie klar damit. Aber er hat sich da gerade etwas verschlossen und er braucht ein bisschen Zeit.” Der Eingriff ging zum Glück relativ schnell und sie wollte sich danach am liebsten nur noch hinlegen und schlafen. Alina begleitete sie noch nach Hause. “Wenn etwas ist, meldest du dich, okay?” “Ja danke, das mache ich. Morgen kommt Wincent noch kurz bevor er nach Berlin fährt und dann fahre ich erstmal zu meiner Mama. Ihr habe ich noch gar nichts erzählt.” Sie hatte tatsächlich auch ein bisschen Angst davor, was sie sagen würde, aber eher davon, wie sie auf die ungeplante Schwangerschaft reagierte. Aber darüber wollte sie erstmal nicht denken. Sie schrieb Wincent kurz, dass der Eingriff überstanden war und sie sich jetzt ausruhen wollte. Dann legte sie sich aufs Sofa und schlief ein. Plötzlich wurde sie von einem Geräusch an der Tür wach. War da jemand an ihrer Wohnungstür? Dann hörte sie einen Schlüssel und plötzlich stand Wincent in der Wohnungstür. “Wince, was machst du denn hier?” Er kam zum Sofa und setzte sich. “Ich habs ohne dich nicht ausgehalten. Wie geht es dir?” Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn. “Mir geht es gut soweit. Ich freue mich, dass du da bist.” Dann erzählte sie ihm noch kurz von dem Eingriff und dass sie in nächster Zeit leider erstmal mit einem Kondom verhüten müssten. “Aber ich kann wirklich noch ganz normal Kinder kriegen. Es ist also alles gar nicht so schlimm. Wir versuchen es einfach nochmal, wenn es für uns passt.” Wincent kuschelte sich einfach an sie. Und wieder klangen die Worte aus ihrem Mund so einfach. Aber war es das wirklich? Konnten sie einfach so erneut schwanger werden? 

[4] Steffi schien den Verlust schon ganz gut verarbeitet zu haben. Anders als er. Auch später im Bett grübelte er noch eine Weile über das Thema. Steffi hatte sich doch auch so über das Kind gefreut. War sie wirklich schon über die Fehlgeburt hinweg? Für ihn wollte es einfach nicht in seinen Kopf rein, dass es das einfach gewesen ist. Von heute auf morgen gab es kein Gespräch mehr über das Baby, keine Pläne, keine Kataloge. Als hätte dieses Baby nie existiert. Vielleicht musste er auch langsam anfangen, das zu begreifen. Aber wie? Vielleicht würde Berlin ihn ablenken. Am nächsten Tag verabschiedeten sich die beiden wehmütig voneinander. “Melde dich zwischendurch, ja?” Wincent nickte. “ Und du überanstrenge dich nicht. Pass auf der Arbeit auf, ja?” “Das verspreche ich dir.” Steffi gab ihm einen Kuss. “Ich freue mich, wenn du wieder da bist. Dann kann ich dir auch schon sagen, welche Tage ich auf Tour definitiv dabei sein kann.” Wincent zog sie noch einmal in seine Arme und fuhr dann los. Hoffentlich passt er auf sich auf, dachte Steffi noch, als er an ihr vorbeifuhr. Aber sie war sich eigentlich sicher, dass ihm diese Ablenkung gut tun würde. 

Wie schön das Leben mit dir ist - Steffi (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt