Kapitel 190

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“Ist das deiner?” Steffi schaute nach oben. Vor ihr stand eine junge Frau, Steffi hätte sie auch Anfang 30 geschätzt. Ihre Haare hatte sie zu einem unordentlichen Dutt gebunden und sie wirkte ein bisschen abgehetzt. “Äh, wen meinst du?” fragte Steffi etwas irritiert. “Na der Große da, der mit meinem Kleinen spielt. Du hast sie so aufmerksam beobachtet.” Inzwischen hatte sich die junge Frau zu Steffi auf den Boden gesetzt und schaute ebenfalls in die Richtung, wo Wincent und Luka immer noch kickten. “Achso, äh ja. Das ist Wincent, mein Freund. Ist Luka dein Sohn?” Steffi schaute sie fragend an und sie nickte nur. “Sein Ball kam zu uns gerollt, und da hat er erzählt, dass er alleine hier ist. Wincent wollte ihm nur eine Freude machen und mit ihm zusammen spielen.” versuchte Steffi, die Situation zu erklären. Ihr war es tatsächlich etwas unangenehm, einer fremden Frau zu erzählen, warum ihr Freund gerade mit deren Sohn Fussball spielte. “Ach alles gut, ich freue mich ja, wenn er nicht alleine ist. Ich wollte ihn schon vor ner Stunde abholen, aber dann musste ich länger arbeiten.” seufzte sie. Steffi merkte erst jetzt, wie erschöpft sie wirklich aussah. “Ich bin Steffi.” sagte sie dann. “Sorry, Hannah.” sie lächelte Steffi müde an. “Mamaaaa.” kam Luka da auf die beiden zugerannt und fiel Hannah in die Arme. “Hallo mein Schatz. Tut mir Leid, das ich zu spät bin.” “Das macht nichts, ich hab ja mit Wincent Fussball gespielt. Der hat mir voll den coolen Trick gezeigt, willst du mal sehen?” freudestrahlend zeigte er den beiden Mädels, was er gerade von Wincent gelernt hatte. Steffi stand auf, um Wincent einen Kuss zu geben. “Mama ich hab Hunger.” fing Luka dann ein bisschen an zu quengeln. “Ich weiß. Wir gehen gleich einkaufen und dann kannst du was essen, okay?” “Mh, aber ich hab jetzt Hunger. Kann Wincent mit uns essen?” Er schaute seine Mama mit seinen Kulleraugen an. “Hör mal Schatz, Wincent isst zuhause mit seiner Freundin, und wir beide bei uns, ja?” Wincent und Steffi schauten sich kurz an. “Wenn ihr möchtet, könnt ihr auch mit zu uns kommen. Ich habe Lasagne vorbereitet, das schaffen wir zu zweit eh nicht.” schlug Steffi vor. 

[2] “Das ist lieb, aber ich muss eh noch einkaufen und dann muss Luka auch ins Bett.” “Mama bitte, das wäre voll schön. Wincent ist jetzt doch mein Freund.” bettelte Luka weiter. “Für uns wäre das wirklich kein Problem.” schaltete sich jetzt auch Wincent ein, der inzwischen auch bemerkt hatte, dass Hannah wirklich fertig aussah. “Okay, aber einkaufen muss ich trotzdem noch, sonst haben wir morgen kein Frühstück.” Wincent und Luka waren schon wieder mit dem Fußball beschäftigt. “Was hälst du denn davon, wenn du in Ruhe einkaufen gehst, und wir nehmen Luka schonmal mit. Wir wohnen direkt um die Ecke.” Und Steffi nannte ihr ihre Adresse. “Ich weiß nicht.” druckste Hannah ein wenig rum. “Was weißt du nicht? Wir beißen nicht, keine Sorge. Und ich glaube, die beiden kriegen wir eh nicht mehr voneinander los.” schmunzelte Steffi und deutete auf Wincent, der Luka inzwischen auf die Schultern genommen hatte. “Ich will euch nicht zur Last fallen.” sagte Hannah mit gesenktem Blick. “Ach quatsch, tut ihr doch nicht. Sonst hätten wir euch nicht eingeladen. Aber ich merke doch, dass du ziemlich fertig bist.” Hannah gähnte. Ja, das war sie wirklich. Sie gab sich einen Ruck und nahm Steffis Angebot dann doch an. “Sei einfach in einer Stunde bei uns, dann ist alles fertig, okay?” Hannah verabschiedete sich dankend und drückte Luka noch einen Kuss auf den Mund. Steffi schaute ihr kurz hinterher. Sie wusste nicht warum sie das getan hatte, aber Hannah wirkte wirklich so, als wenn sie ein bisschen Hilfe gebrauchen könnte. Vielleicht würde sie ja noch ein bisschen mehr erzählen, wenn sie erstmal beim Essen zusammen saßen. Sie packte die Picknick Sachen zusammen und rief die beiden Jungs dann her. “Abmarsch, das Essen wartet.” Luka schnappte sich seinen Ball und ging dann stolz neben Wincent zu ihrer Wohnung. “Ihr wohnt ja fast da, wo Mama und ich wohnen. Das ist ja cool. Kann ich euch dann mal besuchen kommen?” fragte er Wincent aufgeregt. “Das müssen wir dann aber mit deiner Mama absprechen.” “Ich wäre auf jeden Fall lieber bei euch, als bei der doofen Petra.” “Wer ist denn Petra?” fragte Steffi neugierig. “Ach, die passt am Wochenende und nach der Schule auf mich auf, wenn Mama arbeiten muss. Aber das macht da überhaupt keinen Spaß. Und der Philip ärgert mich da auch immer.” “Ist das der Sohn von Petra?” fragte Steffi weiter. “Ja, der geht schon in die dritte Klasse und nimmt mir immer meinen Ball weg.” sagte er traurig. “So ein Fieser.” pflichtete Wincent ihm bei. “Wenn er dich das nächste mal ärgert, sagst du mir Bescheid. Dann ärgern wir zurück.” 

[3] Steffi warf Wincent einen kurzen Blick zu. Na das war ja jetzt auch nicht die Lösung, aber für Luka klang es nach einem perfekten Plan und sein Blick wurde wieder fröhlicher. Wincent wuschelte ihm durch die Haare und deutete Steffi einen Luftkuss an. Natürlich wusste er, dass das kein gutes Versprechen war, aber der Kleine hatte es ihm irgendwie angetan und er erinnerte ihn ein bisschen an sich früher. In der Wohnung angekommen bereitet Steffi alles für das Essen vor und Wincent zeigte Luka sein kleines Studio in der Wohnung. Wenig später klingelte es und Hannah stand vor der Tür. Inzwischen sah sie ein bisschen entspannter aus, aber immer noch müde. Als sie alle am Esstisch saßen, erzählte Luka aus der Schule, was seine Lieblingstiere waren und das er Trecker mochte. Er war echt ein aufgewecktes Kerlchen und Steffi war echt beeindruckt, was er alles wusste und wie genau er auch alles erklären konnte. Nach dem Essen spazierte er noch ein bisschen durch die Wohnung, bis er am Bücherregal hängen blieb und dort ein Fotoalbum fand, das Wincent von seinen Fans bekommen hatte. Es war ein Album mit lauter Fotos von der Tour und ihm auf der Bühne. Wincent setzte sich neben ihn auf den Boden und erzählte ihm alles Mögliche zu den Bildern. Steffi hatte inzwischen alles abgeräumt und eine Flasche Wein sowie zwei Gläser geholt. Hannah beobachtete ihren Sohn und Wincent. “Wenn ihm das zu viel wird, kann er das auch gerne sagen. Er muss hier nicht den Kinderbespaßer spielen.” Steffi winkte ab. “Wincent liebt Kinder, der kann sich mit ihnen stundenlang beschäftigen.” “Mich wundert es tatsächlich, dass Luka so offen bei ihm ist. Bei den Lehrern und anderen männlichen Bezugspersonen ist er nicht so. Da ist er viel zurückhaltender.” Steffi lächelte sie an. “Ja, da hat er irgendwie ein Händchen für. Darf ich fragen, was mit Luka’s Papa ist?” Hannah seufzte. “Der hatte nicht so ein Händchen für Kinder. Er wollte Luka nicht, für ihn waren Kinder eine Last. Tja, und dann hat er seine Sachen gepackt und hat uns alleine gelassen. Luka war damals drei Monate. Er kennt seinen Vater nicht, der hat sich nie wieder gemeldet.” Steffi lief ein Schauer über den Rücken. Wie bei Wincent damals. Vielleicht hatte er deswegen direkt eine Verbindung zu dem Kleinen. Sie teilten das gleiche Schicksal. 

[4] “Das tut mir furchtbar leid. Ich kann sowas einfach nicht verstehen.” “Ach, für uns ist es besser so. Luka ist mein Ein- und Alles. Wir haben uns so durchgeschlagen und kommen inzwischen gut klar.” “Er hat uns vorhin erzählt, dass du viel arbeiten bist.” “Ja, das ist leider nicht so einfach. Ich möchte ihm etwas bieten können, und dafür muss ich leider viel arbeiten. Der Job im Altenheim wird nicht gut bezahlt, also muss ich am Wochenende Extra Schichten machen.” Hannah griff nach dem Weinglas und nahm einen großen Schluck. “Das ist nicht optimal, gerade auch weil die Tagesmutter, wo er jetzt ist, echt ein Drachen ist. Aber sie ist günstig. Ich weiß, dass er da nicht gerne ist. Aber wenn er ein bisschen älter ist, kann ich ihn vielleicht auch mal eine Stunde alleine lassen. Oder mit zur Arbeit nehmen. Irgendwie finden wir da schon einen Weg.” Steffi bewunderte Hannahs Stärke und sah ihr zugleich auch an, dass sie doch mehr darunter litt, als sie zugeben wollte. Sie wollte ihrem Sohn eine unbeschwerte Zukunft bieten, und opferte ihr Leben dafür fast auf. Das war immer Steffis größte Angst gewesen. Sie wollte ihr Leben nie komplett für ein Kind aufgeben und das Gefühl haben, nur noch dafür zu leben. Auf der anderen Seite spürte sie aber auch die Liebe, die zwischen den beiden herrschte. War es das nicht auch Wert, als Mutter auf gewisse Dinge zu verzichten? Hannah riss sie aus ihren Gedanken, als sie sie sachte anstupste. “Ich glaube, wir müssen da gleich beide jemanden ins Bett tragen.” lachte sie leise. Tatsächlich, Wincent und Luka lagen beide auf dem Teppich vor dem Sofa und schliefen. Steffi schüttelte schmunzelnd den Kopf. “Naja, deiner ist auf jeden Fall leichter zu tragen.” “Aber auch schon schwer genug.” seufzte sie. “Ich will dich zu nichts drängen, aber wir haben ein Gästezimmer. Wenn es dir nichts ausmacht, schlaft doch einfach hier. Dann musst du ihn jetzt nicht wecken.” Hannah zögerte, wusste aber, dass es ein Kampf werden würde, Luka nach Hause zu bekommen. Er sah einfach so friedlich und zufrieden aus, wie er mit seinem Kopf auf Wincents Oberarm lag. “Also das ist echt ein Phänomen, Wincent kann einfach überall pennen.” lachte Steffi und stellte die Weingläser in die Spüle. “Ich mache euch eben das Bett fertig, du kannst dich im Gästebad fertig machen. Da stehen noch eingepackte Zahnbürsten. Brauchst du was zum schlafen?” “Vielleicht ein einfaches T-Shirt.” Davon hatte Wincent ja nun echt genug. Sie legte Hannah alles hin und ging dann ins Wohnzimmer, um Wincent zu wecken.

Wie schön das Leben mit dir ist - Steffi (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt