Kapitel 173

377 22 1
                                    

Die nächsten Proben an den nächsten Tagen liefen nicht wirklich besser als zuvor, denn Wincent konnte sich einfach nicht konzentrieren. Erst nach 2-3 Flaschen Bier war er etwas abgelenkt und sie konnten tatsächlich doch noch proben. “So Jungs, hier sind schonmal die Tourdaten für euch ausgedruckt. Morgen könnt ihr euch den Vormittag und Mittag freinehmen, da hat Wincent noch ein Radio Interview.” informierte Amelie die Runde über den morgigen Tag. “Muss das sein?” maulte Wincent. “Ja, muss es. Es sei denn, du willst deine Termine gerne alle selber planen?” zickte Amelie zurück. Na das konnte Wincent ja jetzt überhaupt nicht gebrauchen. “Ach lass mich einfach. Ich gehe zurück ins Hotel. Wann müssen wir morgen los?” Amelie sah ihn strafend an. “Um 12:30 Uhr ist Abfahrt. Wehe, du bist nicht pünktlich.” Auf dem Weg zum Hotel holte er kurz sein Handy raus. Steffi hatte ihm geschrieben und wollte wissen, wie sein Tag war und wie die Proben laufen. Gedankenverloren tippte er schnell eine Antwort zurück. “Ja alles super, nur Amelie stresst ganz schön rum mit Terminen. Hab morgen noch ein Interview. Liebe dich.” Dann steckte er sein Handy wieder weg. Er hatte keine Lust, noch weitere Nachrichten zu lesen. Als es kurz darauf in seiner Tasche vibrierte, war er sicher, dass Steffi ihm geantwortet hatte. Aber sie wollte ihm sicher nur sagen, dass er sich nicht so aufregen solle und auf eine Predigt hatte er gerade überhaupt keine Lust. Er würde ihr einfach nachher schreiben oder kurz anrufen und sagen, dass er überreagiert hatte und eigentlich alles okay ist, und dass sie sich keine Sorgen machen sollte. Er wollte sie jetzt nicht damit nerven, dass es bei ihm gerade nicht so gut lief.

[2] Als Wincent in sein Hotelzimmer kam, schmiss er sich einfach aufs Bett und starrte an die Decke. Das Gedankenkarussell in seinem Kopf begann wieder, sich zu drehen. All die Gedanken, die er die letzten Tage relativ erfolgreich während der Proben und auch abends zur Seite schieben konnte, waren wieder da. Immer weiter starrte er die weiße Decke an. Bilder huschten vor seinem Auge hin und her, immer wieder hörte er die Stimme der Frauenärztin, Steffis Schreie vor Schmerz, Das Blut, und dann Steffis Stimme, die sagte “Alles wird gut.” Aber gerade hatte er das Gefühl, nichts wird gut. Er bekam die Bilder einfach nicht aus seinem Kopf und es wurde alles immer wieder durcheinander geschmissen. Nichts ergab für ihn einen Sinn und plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Kopf. Er hatte das Gefühl, gleich würde alles explodieren. Seine Ohren begannen zu rauschen und ihm wurde schwindelig. Er setzte sich auf, fuhr sich mit den Händen durch die Haare.  Er musste dieses Chaos irgendwie los werden. Er konnte die Gedanken und Bilder nicht mehr ertragen. Ständig war da wieder das Blut, Steffis Blick und das Wissen, dass sie für einen ganz kurzen Moment Eltern hätten werden können. All das konnte er gerade nicht ertragen. Und dann fiel sein Blick auf die Minibar. Sie war gefüllt mit zwei Flaschen Bier. Musste für den Anfang reichen. Er holte sich ein Bier, öffnete es und leerte es in drei Zügen. Das nächste kippte er sofort hinterher. langsam merkte er, wie sich ein Schleier über seine Gedanken legte und er wurde ruhiger. Aber es reichte ihm nicht. Er schnappte sich die Room-Service Karte und bestellte sich eine Flasche Whiskey aufs Zimmer. Um seinen Schmerz zu betäuben, brauchte er jetzt etwas Stärkeres.

[3] Als der Room-Service kam, schloss er direkt wieder die Zimmertür, setzte die Flasche an und ließ den Alkohol in seinen Mund laufen. Er spürte, wie er die Kehle runter lief und vernahm ein leichtes Brennen. Er ging zurück und ließ sich aufs Bett fallen. Er drehte die Flasche in seinen Händen. Ein kurzer Anflug eines schlechten Gewissens bahnte sich an. Natürlich war das nicht vernünftig, was er hier machte, aber er konnte gerade auch einfach nicht vernünftig sein. Wie denn? Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und nahm noch einen Schluck. Nach ein paar weiteren Schlucken setzte endlich die erhoffte Wirkung ein. Das Chaos in seinem Kopf verschwand, und irgendwann spürte er nur noch eine Leere in sich. Das Einzige, was er sonst noch spürte, war immer wieder das leichte Brennen, wenn er die Flasche erneut zum Mund führte. Irgendwann stand er auf und stellte die Flasche auf dem Tisch ab. Er musste sich selber kurz abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Auf wackeligen Beinen wankte er ins Bad. Kurz sah er sich selbst im Spiegel, doch auch beim Anblick seines fahlen Gesichtsausdrucks spürte er nichts. Er ging auf Toilette und torkelte dann wie in Trance zurück zum Bett. Ehe er sich darauf fallen ließ, nahm er einen letzten Schluck aus der Flasche. Er hätte am liebsten laut los geschrien, denn inzwischen war das Karussell wieder da. Aber seine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. Er hämmerte mit seinen Händen gegen seinen Kopf, doch es brachte nichts. Der Schwindel überkam ihn wieder und kraftlos ließ er es über sich ergehen. Wie ein nasser Sack sank er auf das Bett. Sein Körper wurde schwer und er hatte das Gefühl, eine unsichtbare Kraft drückte ihn in sein Bett. Er ließ es geschehen. Unfähig, sich zu bewegen, bleib er einfach liegen, bis er irgendwann in einen unruhigen Schlaf fiel.

Wie schön das Leben mit dir ist - Steffi (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt