Kapitel 248

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Als sie am nächsten Nachmittag genauso genervt wie gestern den Laptop zuklappte, seufzte sie kurz. Ewig konnte das so nicht weitergehen. Ständig kamen neue Mails mit Anfragen und Aufgaben rein, die sie dringend erledigen sollte, das Telefon war kaum noch still und dabei musste sie eigentlich auch dringend noch eine Präsentation für ihren Chef vorbereiten. Aber das war jetzt erstmal egal. Wincent hatte ihr bereits vor ein paar Stunden die Adresse vom Studio geschickt, wo morgen abend der Radiopreis aufgezeichnet wurde und wo gerade die letzten Proben liefen. Mit der U-Bahn waren es nur 15 Minuten und Steffi hatte keine Lust, zu laufen oder das Rad zu nehmen. Manchmal fuhr sie tatsächlich auch gerne mit der Bahn und beobachtete die Leute. Alle wirkten gestresst und waren mit sich selbst beschäftigt. Sie sog den Troubel um sich herum auf und beobachtete die Leute. Wohin sie wohl wollten? oder woher sie wohl kamen? Der Gedanke, dass sie gerade auf dem Weg zu den Proben des deutschen Radiopreises war, war schon komisch, dabei saß sie doch so unscheinbar in ihrem Hoodie und den Vans mit Kopfhörern im Ohr einfach auf ihrem Platz, wie viele andere Menschen auch. Es interessierte sie, was wohl hinter den Fassaden der anderen Menschen steckte und malte sich im Kopf aus, wie der gestriegelte Anzugträger ihr gegenüber insgeheim wohl der Drummer einer Metal-Band war und sich im Probenraum in seine Kluft warf. Oder die Frau mit den Dreadlocks und dem Batik-Shirt eigentlich in einer Bank arbeitete und heute frei hatte. Die Ansage riss sie aus ihren Gedanken und mit einem Ruck blieb die U-Bahn an Steffis Zielhaltestelle stehen. schnell drängelte sie sich an einigen Leuten vorbei, um auszusteigen. Als sie die Treppen nach oben stieg, wuchs ihre Vorfreude auf Wincent. Sie hatten sich zwar nur zwei Tage nicht gesehen, aber sie würden sich auch das ganze Wochenende nicht sehen. Am Studiogelände angekommen, schrieb sie Anna kurz und wenig später kam diese ihr auch schon entgegen. Sie begrüßten sich kurz und Anna führte sie dann erstmal durch die Räumlichkeiten. 
“Du kommst genau richtig, Johannes und Wincent sind gleich nochmal für die letzte Probe von “Wer wenn nicht wir” mit der BigBand auf der Bühne und dann kommt nochmal die Anmoderation. Hat bisher nicht einmal ohne Versprecher oder Lacher geklappt.” sie verdrehte leicht die Augen, musste dann aber auch schmunzeln. “Vielleicht reißt er sich ja mal zusammen, wenn du da bist.” Na das bezweifelte Steffi stark, aber vielleicht klappte es ja tatsächlich. Als sie in den Publikumsraum kamen, erklangen gerade die ersten Töne und Wincent und Johannes hatten sie noch nicht gesehen. Die beiden Mädels hielten sich auch erstmal im Hintergrund und Steffi beobachtete gespannt, wie viele Leute um die beiden herum wuselten, um die perfekte Kameraeinstellung und die besten Positionen zu finden. Ständig bekamen sie Anweisungen, wo sie sich drehen sollten und in welche Kamera sie gucken mussten. “Morgen Abend machen die beiden doch eh, was sie wollen, oder?” flüsterte Steffi Anna zu. Die nickte. “Das stimmt, eigentlich ist das Format viel zu steif für die beiden. Aber hat Wincent dir schon seinen Anzug gezeigt? Sieht schon ganz schick aus.” “Bisher noch nicht. Aber ihr versorgt mich ja morgen mit Fotos, oder?” “Na aber sicher. Ist echt schade, dass du nicht dabei sein kannst. Wird bestimmt auch ne gute Aftershow-Party”. Steffi musste unwillkürlich grinsen. “Ja das ärgert mich auch echt, ich wäre gern dabei gewesen. Aber Familienfeier geht da leider vor.” sie zuckte mit den Achseln. Das Lied war inzwischen zu ende und Johannes und Wincent mussten nur noch einmal ihren Moderationstext aufsagen, den Wincent natürlich wieder versemmelte. “Ich sag ja, das wird nix mit ihm da oben.” lachte Anna und Steffi stieg in ihr Lachen mit ein. “Was gibts da hinten zu lachen?” fragte Johannes in sein Mikrophon und zeigte auf die beiden. “Sind wir durch?” fragte Wincent den Produktionsleiter und bekam von ihm ein zustimmendes Nicken. Wincent ballte seine Hand zur Faust und freute sich. Dann kam er locker zu Anna und Steffi gelaufen und gab Steffi einen kurzen Kuss. “Habt ihr alles gesehen?” “Den letzten Durchlauf, ja. Ich bin ja gespannt, was Anna mir morgen berichtet.” grinste Steffi und stupste ihm mit einem Finger gegen die Brust. “Aaaach, das wird schon. Wir improvisieren morgen einfach, die können uns dann ja nicht von der Bühne schmeißen.” lachte Wincent und Anna und Steffi schüttelten nur den Kopf. “Du bist echt ein Chaot.” Wincent zog Steffi zu sich ran. “Und dieser Chaot hat jetzt einen Kuss verdient.” grinste er sie an.  “Ich lass euch mal kurz alleine. Kommt ihr gleich in die Garderobe? Dann besprechen wir den Ablauf morgen noch kurz und dann habt ihr Feierabend.” verkündete Anna und ließ die beiden alleine. Wincent hatte die Hände an Steffis Hüfte gelegt und schaute ihr direkt in die Augen. “Kannst du nicht den Geburtstag morgen absagen? Ich hätte dich so gerne dabei morgen.” sagte er leicht schmollig. Steffi fuhr mit ihren Händen durch seine Haare und küsste ihn sanft. “Würde ich gerne, aber du weißt selber, dass Familie wichtiger ist.” “Aber ich bin doch auch deine Familie. Und Anna, und Johannes. Und Tante Ina.” versuchte Wincent es weiter. “Ach Winnie.” seufzte Steffi und lehnte ihren Kopf an seine Brust. Sie atmete tief ein und nahm dabei seinen vertrauten Geruch war. Er hatte Recht, er war natürlich auch Teil ihrer Familie und der Gedanke ließ sie strahlen. “Dann sollten wir heute Abend noch ein bisschen Familienzeit nutzen.” lächelte sie und löste sich aus seinem Arm. Nach einem kurzen Briefing von Anna in der Garderobe waren sie dann auch endlich fertig und holten Johannes aus seiner Garderobe ab. “Wir können auch direkt los, Ina wartet beim Restaurant.” Steffi freute sich schon richtig darauf, Ina mal wieder zu sehen und einen entspannten Abend mit ihnen zu verbringen. Wincent und Johannes redeten noch ein bisschen über ihre Performance von der Probe heute. “Wie geht es dir denn, Steffi? Du siehst müde aus.” fragte Ina sie die mit einem leicht besorgten Blick. Ihr entging auch echt nichts und so erzählte Steffi ihr vom Stress und der Unlust auf der Arbeit. “Und was ist, wenn du einfach mal was komplett anderes machst?” Steffi seufzte. “Ihr sagt das alle so leicht. Genau das Gleiche haben Wincent und seine Mum mir auch schon gesagt. Aber ihr kennt das auch. Ihr macht schon immer das, worauf ihr Bock hattet. Ich bin da einfach anders aufgewachsen. Da war es eben wichtig, etwas Sicheres zu haben. Um mal was zu riskieren, fehlt mir irgendwie ein bisschen der Mut.” Ina schaute sie verständnisvoll an. Sie konnte Steffi wirklich gut verstehen. Es war schon ein Privileg, dass sie als Musiker wirklich ihr Hobby zum Beruf machen konnten und damit auch noch so erfolgreich waren. “Du hast Recht, das vergessen wir Freigeister manchmal, dass wir da auch echt Glück hatten und es so gekommen ist. Und ich finde es auch gut, dass du neben dem kleinen Chaoten da irgendwo auch ne sichere Säule sein willst, unabhängig. Das ist wirklich wichtig und das braucht ihr auch. Ihr seid jung, und gerade Wincent kann ein bisschen Sicherheit gebrauchen. Aber er braucht dich auch glücklich und zufrieden.” sie lächelte Steffi an und Steffi huschte ebenfalls ein kurzes Lächeln über die Lippen.  Wincent hatte sich zwar noch mit Johannes unterhalten, aber mit einem Ohr auch ein bisschen mitbekommen, was Steffi und Ina geredet hatten. Diese Unzufriedenheit im Job nagte doch sehr an Steffi und er war irgendwie froh, dass auch andere Leute sie darauf ansprachen und Steffi damit offen umging. Trotzdem nahm er sich vor, das Thema nochmal in Ruhe mit ihr zu bequatschen. Er legte seinen Arm auf ihrer Stuhllehne ab und fuhr dabei zärtlich mit seinen Fingern über ihr Schlüsselbein und ihre Schulter, während er mit Johannes inzwischen darüber diskutierte, was sie gleich essen wollten. Steffi registrierte seine kleine, behutsame Geste und schenkte ihm ein kurzes Lächeln. Wenig später kam dann auch endlich der Kellner, um ihre Bestellungen aufzunehmen.

Wie schön das Leben mit dir ist - Steffi (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt