Müsste da nicht Musik sein

Kapitel 90

Elli

Die letzten zwei Tage waren nochmal sehr turbulent. Nick wollte nicht einsehen, dass wir ihm gekündigt haben. Vorgestern ist er im Backstagebereich ganz schön abgedreht, dass sogar zwei Männer vom Sicherheitsdienst eingreifen mussten. Dass das nochmal einen ganz schönen negativen Effekt auf meine mentale Verfassung war, muss ich wahrscheinlich nicht sagen. Da wir so schnell keinen Ersatz für Nick gefunden haben, hat sich Benny bereit erklärt die restliche Tour mit uns zu spielen. Ich habe ihn tausendmal versichert das er das nicht machen muss, aber mit ihm war nicht zu reden. Also habe ich das Angebot aus vollstem Herzen angenommen. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich mehr als glücklich darüber ihn mit auf der Bühne zu haben. Er gibt mir doch schon ein bisschen Sicherheit, da ich bei den anderen auch noch ein bisschen skeptisch bin, auch wenn sie mir hundertmal geschworen haben, dass sie nichts damit zu tun hatten. Gerade sitze ich mit meiner Gitarre in der Sonne und texte ein bisschen. Mir kam heute Morgen eine Idee und da wollte ich mich mal dransetzen. Wincent ist im Moment irgendwo da draußen und joggt eine Runde.

,,Ach da bist du ja", kommt er eine Stunde später in meine Richtung gelaufen. ,,Na, wie wars?", frage ich ihn und strecke mich um ihm einen Kuss zu geben. ,,Tat gut, aber anstrengend", seufzt er und zieht sich sein Shirt über den Kopf. ,,Kein Wunder bei der Hitze", stammle ich vor mich her und starre ihn an. ,,Gefällt dir der Anblick", lacht er und legt sich neben mich auf die Decke. ,,Was machst du da eigentlich?", fragt er und zeigt auf mein Notizbuch. ,,Darf ich dir mal was vorspielen?", frage ich schüchtern. ,,Immer", strahlt er und setzt sich auf. Also nehme ich die Gitarre wieder in die Hand und fange an, die grobe Melodie zu spielen und zu singen. ,,Das klingt echt wunderschön", sagt er leise, nachdem ich die Gitarre weggelegt habe. ,,Das ist bis jetzt aber nur ein grober Entwurf." ,,Trotzdem klingt es echt toll." ,,Danke", lächle ich ihn an und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen. So bleiben wir einfach noch ein bisschen liegen, bis wir von Amelie gerufen werden. Während ich zur Bühne laufe um meinen Soundcheck zu machen, geht sich Wincent mal frisch machen.

,,Danke danke danke", sage ich zu Benni, als wir mit dem Soundcheck durch sind. ,,Elli, nichts zu danken. Ich mache das sehr gern", lächelt er und nimmt mich kurz in den Arm. ,,Wird dir das nicht zu viel? Du hast dann nur eine halbe Stunde Pause und bei Wincent musst du echt fit sein", gebe ich unsicher von mir. ,,Schätzchen, wenn ich es mir nicht zutrauen würde, würde ich es nicht machen", lacht er und packt seine Gitarre weg. ,,Danke." ,,Hör jetzt auf dich zu bedanken. Sonst bin ich wirklich raus", grinst er und läuft mit mir von der Bühne. ,,Und klappt es?", fragt Wincent uns direkt als er uns bemerkt. ,,Ich sag mal so. Mit Elli macht es viel mehr spaß", gibt Benni todernst von sich. ,,Benimm dich", droht ihm Wincent spielerisch und schnappt sich selbst seine Gitarre um sich für den Soundcheck vorzubereiten. Der restliche Nachmittag verging wie im Flug, sodass ich nach einer längeren Auszeit endlich wieder pünktlich die Bühne betrete.

Ich werde von den Fans wieder herzlich in Empfang genommen. Natürlich kamen auch Fragen warum Benni ab heute mit uns spielt. Ich habe einfach gesagt, dass es eine Veränderung geben wird und bis alles geklärt ist, wir in dieser Konstellation spielen werden. Gerade sitze ich in meiner Garderobe und lausche ein wenig den Klängen die von der Bühne kommen. ,,Elisa, du musst mal bitte schnell kommen", ruft plötzlich Toby und kommt durch die Tür. ,,Was ist passiert?", frage ich sofort alarmiert. ,,Komm einfach mal mit," lächelt er und deutet zur Bühne. Ich stelle mich an den Bühnenrand, schon schaut Wincent zu mir. ,,Ah da ist sie ja", spricht er ins Mikrofon und winkt mir zu. Verwirrt winke ich ihm zurück und höre ihm zu. ,,Wie ihr ja wisst, bin ich jetzt seit fast einem Jahr wieder glücklich vergeben", redet er einfach darauf los. Durch die Menge geht ein einstimmiges Pfeifen. Was hat der Kerl bitteschön vor? ,,Ich habe das große Privileg nicht nur meine Wohnung mit ihr zu teilen, sondern auch diese Bühne hier. Die letzten Wochen und Monate waren nicht leicht für uns, vor allem für sie. Aber irgendwie haben wir auch das gemeistert und da habe ich erstmal gemerkt, was ich an ihr Schätze. Vor ein paar Tagen konnte ich nachts nicht schlafen und habe angefangen zu schreiben. Die Wörter kamen wir von selbst aus meinem Kopf aufs Papier. Das hier war eigentlich nicht geplant aber es muss sein. Elli, ich sage es dir viel zu selten. Es ist schön dich zu haben, ich liebe dich", spricht er und schaut mich beim letzten Satz an.

Ich, die mittlerweile auf einen der Boxen sitzt, hat jetzt schon Tränen in den Augen. ,,Viel Spaß mit ,,Viel zu selten". Benni, los gehts", spricht er weiter und setzt sich neben Benni, der vorne am Bühnenrand sitzt. Am Anfang spielt Benni ganz alleine Gitarre, bis Wincent mit seiner Stimme einsteigt.

"Dein Augenrollen und dein Schweigen
Die Art und Weise, wie wir streiten
Ich würd's vermissen
Für deinen Stolz und deine Kraft
Dein zweiter Versuch, wenn's mal nicht klappt
Oh, ich würd's vermissen

Ich sag's dir viel zu selten
Wie schön das Leben mit dir ist
Ich sag's dir viel zu selten
Ich funktionier' nicht ohne dich
Manchmal glaube ich, ja, ich trau' mich nicht
Weil's auch 'n bisschen kitschig ist
Ich sag's dir viel zu selten
Dass du mehr als alles für mich bist

Die große Bühne brauchst du nicht
Denn du rückst andere ins Licht
Ich würd's vermissen
Und wie du selbst über dich lachst
Wenn ich es grade mal nicht schaff'
Oh, ich würd's vermissen

Ich sag's dir viel zu selten
Wie schön das Leben mit dir ist
Ich sag's dir viel zu selten
Ich funktionier' nicht ohne dich
Manchmal glaube ich, ja, ich trau' mich nicht
Weil's auch 'n bisschen kitschig ist
Ich sag's dir viel zu selten
Dass du mehr als alles für mich bist."

Schon bei der ersten Zeile schossen mir die Tränen in die Augen. Als Wincent den letzten Ton gesungen hat, applaudiert das ganze Publikum. Und Ich? Ich sitze einfach nur da heule. Wie perfekt kann ein Kerl eigentlich sein. Ich schließe kurz meine Augen um mich wieder zu beruhigen. Plötzlich zucke ich zusammen, da mich jemand umarmt. Aber am Geruch erkenne ich sofort Wincent. ,,Ich liebe dich so sehr, das glaubst du gar nicht", flüstere ich ihm ins Ohr und ziehe ihn noch enger an mich. ,,Ich liebe dich auch", erwidert er leise. ,,Danke und jetzt hab weiterhin spaß", lächle ich ihn an und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Den restlichen Abend grinse ich einfach nur glücklich vor mich her und kann mein Glück kaum fassen. Es tut einfach mal gut, keine Sorgen zu haben. So fallen wir auch später total glücklich ins Bett und zeigen uns durch ein paar Zärtlichkeiten, wir wir uns lieben. Viele Worte brauchen wir an diesem Abend nicht mehr.