[13] Poseidon und Hades, pt. 5

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Kasimir bemühte sich, nicht über seine eigenen Füße zu stolpern, während er Elias durchs Foyer folgte. Der Schwall kaltes Wasser am Waschbecken hatte nicht ausgereicht, um die Spuren des Anfalls aus seinem Gesicht zu waschen. Er sah aus wie eine Geisterhausrequisite; seine Bindehäute glühten feuerrot. Aber das war immer noch besser als ein zitternder Hasenfuß, der sich an eine Klobrille klammerte.

»Das Vorspiel hat vor drei Minuten begonnen«, sagte Elias und lief voraus, ohne sich zu ihm umzuwenden. Ruhe wärmte seine Stimme, trotz der niederschmetternden Worte. Kasimir schlurfte ihm nach und drehte gesenkten Hauptes Leonhards Ring um seinen Finger. Je näher sie dem Konzertsaal kamen, desto schlimmer zwickte es in seiner Brust. Vielleicht würde er dank der Verzögerung nicht auftreten müssen, vielleicht entging er dem Risiko, sich vor eintausend Menschen zu blamieren.

Aber einen von ihnen würde er enttäuschen.

»Da vorn, ist das dein Freund?«

Kasimir hielt inne. Leonhard wartete unmittelbar vor der Saaltür. Er starrte auf den Fußboden, hielt sein Handy am Ohr und scharrte mit der Schuhspitze auf dem roten Teppich. Wie auf Knopfdruck schabte sich das schlechte Gewissen in Kasimirs Herz.

Er ist aufgeregt. Er glaubt an dich, und du lässt ihn hängen.

»Leonhard?«, rief Elias, worauf sein Freund überrascht aufblickte. In Kasimir zog sich alles zusammen. Leonhard wirkte plötzlich so gelöst, dass ihm fast das Smartphone aus der Hand rutschte. Als er auf ihn zulief, konnte Kasimir kaum atmen. Es war ein befreiender und gleichzeitig so zermürbender Moment, dass er am liebsten in die Hocke gesunken wäre und sein Gesicht in den Händen vergraben hätte.

»Hey ...«, sagte Leonhard, als er ihn erreichte, und legte seine Hände an Kasimirs Oberarme. Er lächelte zaghaft, in seinen Augen schimmerte Ungewissheit, die sich auf seine Berührung übertrug. »Wie geht es dir?«

Kasimir presste die Lippen zusammen, in der Hoffnung, dass es einem Schmunzeln ähnelte. Er konnte nicht in Worte fassen, wie elend er sich fühlte, nicht, solange ein Hoffnungsfunke in den Augen dieses Jungen glühte. Kasimir wollte ihn nicht erlöschen sehen.

»Er hatte Kreislaufprobleme«, antwortete Elias statt seiner, worauf Leonhard sich ihm zuwandte. Kasimir legte unwillkürlich die Stirn in Falten, doch Elias verzog keine Miene, während er weitersprach. »Durch die Hitze im Foyer ist sein Blutdruck abgesackt, womöglich ist sein Immunsystem geschwächt. Im Moment gehen allerhand Viren um.«

»Oh, verstehe ... das würde das Zittern erklären«, mutmaßte Leonhard und sah Kasimir in die Augen. Sein Blick war verunsichert, sodass Kasimir sich ein Nicken abrang, um ihn zu beschwichtigen. Ein Infekt war zwar eine angenehme Erklärung für das, was ihn seit zwei Wochen immer wieder überfiel. Aber definitiv nicht die Wahrheit.

Leonhard schien seine Geste für den Moment zu genügen; ein vorsichtiges Schmunzeln färbte seine Lippen. Dann wandte er sich Kasimirs Begleiter zu. »Danke für deine Hilfe. Du bist Elias, stimmt's? Elise hat mir Bescheid gesagt ... wir haben uns ganz schön Sorgen gemacht.«

»Das glaube ich. Tut mir leid, dass wir uns verspätet haben.« Elias sah zur geschlossenen Saaltür, betrachtete sie eine Weile schweigsam, ehe er sich wieder Leonhard widmete. »Ist das der erste Kandidat?«

Gedämpfte Klavierklänge drangen durch den Türspalt; eine Tonfolge wie ein glitzernder Wasserfall. Kasimir spürte einen grauen Schmerz im Herzen, während er den Noten lauschte. Chopins Ozeanetüde. Das war also das Lied, das seine Chance auf die Qualifikation fortspülte.

»Nicht direkt ...«, erwiderte Leonhard. Seine Hände wanderten an Kasimirs Armen herab und stoppten an seinen Händen. Er sah ihn an, in seinem Blick lag etwas, das Kasimir trocken schlucken ließ. Eine Mischung aus Hoffnung und Skrupel. »Ich hab die Jury über deine Verspätung informiert ... wir haben eine Möglichkeit gefunden, deine Darbietung ein Stück nach hinten zu schieben. Du kannst noch auftreten, wenn du dich gesund fühlst, aber ...«

All Eyes On Us [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt